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Heer
Celtic Thunder 2022

Feuer aus jeder Lage

Landes- und Bündnisverteidigung
Datum:
Ort:
Idar-Oberstein
Lesedauer:
5 MIN

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„Good evening and welcome to military NRFNATO Response Force-Exercise …“, beginnt Kommandeur Timo Kaufmann am Sonntagabend seine Befehlsausgabe. Deutsche, Niederländer und Belgier starten in den freilaufenden Teil der Übung Celtic Thunder. In den nächsten vier Tagen setzen die Soldatinnen und Soldaten ihre Feuerkommandos in einem Radius von bis zu 70 Kilometern südlich von Idar-Oberstein inmitten der zivilen Umgebung um.

Auf einer Landstraße vor einem Dorf steht eine Panzerhaubitze mit erhöhtem Rohr.

Die Übung Celtic Thunder ist multinational. Fast 700 Soldaten üben in einem zivilen Umfeld, freilaufend genannt, die Feuerunterstützung mit der Artillerie.

Bundeswehr/Mario Bähr

„Wir gehen mit der freilaufenden Übung in eine weitere, ganz andere Phase von Celtic Thunder. Nach dem Schießen auf dem Truppenübungsplatz in der vergangenen Woche verlagern wir die Herausforderungen für unsere Soldaten. Die Übung wird komplexer“, beschreibt der Kommandeur des Artillerielehrbataillons 345, Oberstleutnant Timo Kaufmann. Gerade für die Soldaten in den Geschützen, in der Panzerhaubitze 2000, im Raketenwerfer MARSMittleres Artillerieraketensystem, im Tankfahrzeug oder Bergepanzer erfordert eine freilaufende Übung spezielles Können und hohe Aufmerksamkeit. Denn das multinationale Artilleriebataillon für die Very High Readiness Joint Task Force, die Schnelle Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, verlässt den Übungsplatz und kämpft wie in einem echten Szenario. Was sonst auf dem Übungsplatz stattfindet, muss nun im zivilen Leben funktionieren. Da werden Landstraßen zu Sammelräumen, Gewerbeparks zu Tankflächen oder der Bauernhof zur gedeckten Aufstellung für die Panzerhaubitzen oder Raketenwerfer.

Im Schutz der Dunkelheit 

Kurz nach der Befehlsausgabe des Kommandeurs, in den regnerischen Abend hinein, beginnen die ersten Batterien den Marsch in ihre befohlenen Verfügungsräume. Der Begriff Batterie bei der Artillerie ist gleichzusetzen mit der Größenordnung einer Kompanie bei den anderen Truppengattungen. An dieser Übung sind fast 700 Soldaten mit 180 Fahrzeugen beteiligt und sie bilden elf verschiedene Marschgruppen. „Je nach den größten Fahrzeugen in den verschiedenen Marschgruppen unterteilen wir in Ketten- oder Radmarschgruppen. Für beide Typen gibt es zwei hauptsächliche Marschstrecken in südlicher Richtung. Zwischen Landstuhl und Homburg südlich der Autobahn 6 erstrecken sich die Verfügungsräume für diese elf Marschgruppen“, erklärt ein verantwortlicher Offizier, der für die Absicherung der Marschkolonnen verantwortlich ist. Das seien locker 70 Kilometer Strecke für die schweren Fahrzeuge.

Gleich zu Beginn der Übung fordert das die Kraftfahrer besonders. Panzerhaubitzen, Raketenwerfer, GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug-Boxer, aber auch das Artillerieortungsradar COBRA sind die schwersten und größten Fahrzeuge dieser Übung. Allen voran bahnt sich die Panzerhaubitze mit ihren fast 60 Tonnen Gewicht und 1.000 PS Motorleistung den Weg durch die winzigen Ortschaften zwischen Hunsrück und Pfälzer Wald. Viele Stunden müssen sich die Kraftfahrer, Kommandanten oder Beifahrer voll konzentrieren. Technische Halte und Betankungspunkte gewährleisten bei einer solchen militärischen Verlegung den reibungslosen Ablauf.

Bis in das Morgengrauen und noch weiter …

Und doch stehen erst mit Anbruch des folgenden Tages die letzten Geschütze in ihren Verfügungsräumen. „Das sind ganz andere Dimensionen als auf dem Übungsplatz. Entfernungen, zeitliche Abläufe – alles ist größer, weiter, realer“, beschreibt Oberstabsgefreiter Sebastian S., Kraftfahrer einer Panzerhaubitze. In solch einer unbekannten Umgebung mit den schweren Haubitzen unterwegs zu sein, sei anspruchsvoll. Zwischen den Dörfern einmal vom Weg abkommen und auf die vom Regen aufgeweichten Felder zu fahren, sei gefährlich. Die 60 Tonnen würden sofort im morastigen Boden steckenbleiben, so der schon einige Tausend Kilometer erfahrene Oberstabsgefreite. Doch diese Ausbildungseffekte einer solch groß angelegten Verlegung sind nicht der Kern von Celtic Thunder.

Jede der elf Batterien in ihrem Verfügungsraum hat ihre Fähigkeit. So steht etwa die 6. Multinational Artilleriebatterie mit den niederländischen Panzerhaubitzen bei Obernheim-Kirchenarnbach in Stellung und die 3. Batterie mit dem Raketenwerfer MARSMittleres Artillerieraketensystem rund um die Ortschaft Bann. Das Gebiet, aus dem die Artilleristen heraus kämpfen, ist riesig. „Die Herausforderung liegt nun darin, multinational die Fähigkeiten der Artillerie, also die Umsetzung der Feuerkommandos zu trainieren, und die Verfahren dafür zu festigen“, erklärt Kommandeur Kaufmann.

Ausgeklügeltes Ausbildungssystem

Ein Raketenwerfer MARS steht in Gefechtsposition.

Alles ist wie auf der Schießbahn, die Feuerkommandos arbeiten die Soldaten präzise ab. Der finale Abschuss der Raketen findet jedoch in der zivilen Umgebung nicht statt.

Bundeswehr/Mario Bähr

Der Übung Celtic Thunder liegt ein ausgeklügeltes Ausbildungssystem zugrunde. Hauptfeldwebel Kai S. ist Feuerleitoffizier und sitzt an einer entscheidenden Stelle des Artillerie-, Daten-, Lage- und Einsatz-Rechnerverbundes, kurz ADLER. Jedes Feuerkommando, jede artilleristische Unterstützung für die Kampftruppe funktioniert über diesen Rechenverbund. „Und genau darauf liegt der Fokus von Celtic Thunder. Das Abarbeiten von Feuerkommandos, von der ersten bis zur letzten Meldung unter Einbeziehung der hier real im Raum, in den Ortschaften stehenden Geschützen ist der Kern dieser Übung“, erklärt der Hauptfeldwebel. In einem Gefecht dürfe es für die Kampftruppe, die Grenadiere oder Kampfpanzer keinen Unterschied geben, ob nun Niederländer, Belgier oder Deutsche mit ihren Haubitzen oder Raketenwerfern das Steilfeuer schießen. „Diesen Gedanken nehmen wir auf und üben mit realen Feuerkommandos, ohne jedoch tatsächlich in den Geschützen auf den Feuerknopf zu drücken.“

Eine echte Kampftruppe gibt es in dieser Übung nicht. Aber doch sind Feindmeldungen und Zielmeldungen entlang der taktischen Lage erstellt und werden wie in einem echten Gefecht dargestellt. „Wir sind in der Lage, die Zielmeldungen in einem hohen Stresslevel in das System einzufügen. Alle Batteriesoldaten an den Geschützen, aber auch alle Unterstützer wie Logistiker, der Wetter- oder Drohnentrupp oder auch die Aufklärer müssen dabei ihren Beitrag leisten und funktionieren“, so der Feuerleitfeldwebel.

Feuer entlang der Feuerkoordinierungslinie

Drei Tage lang, fast rund um die Uhr, bearbeiten die Geschütze die geforderten Feuerkommandos. „Ein solches Kommando ist mehr als einfach nur auf den Knopf drücken“, beschreibt ein Geschützführer lächelnd. Die Soldaten üben für ihren Einsatz im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung. Der Gegner wird also als mindestens genauso leistungsfähig eingestuft. „Für unsere Geschütze gilt der Grundsatz ,Feuer und Bewegung‘, auch wenn wir bis zu 40 Kilometer weit schießen: Beginnend mit der Fahrt aus der gedeckten Aufstellung, hinein in eine geeignete Feuerstellung rechnen wir damit, dass der Gegner unsere Geschütze aufklären kann.“ Spätestens aber mit der Abgabe des ersten Schusses könnten gegnerische Kräfte die Flugbahn der Geschosse zurückrechnen und so die eigenen Feuerstellungen aufklären. Und genau aus diesem Grund müssen die Systeme der Artillerie stets dynamisch agieren, um sich der feindlichen Aufklärung zu entziehen.

Die Übung Celtic Thunder ist eine freilaufende Artillerieübung. Den Soldaten werden dabei vielseitige Facetten ihres Könnens abverlangt.

Die Übung Celtic Thunder war äußerst vielfältig und abwechslungsreich. Soldaten des Jägerbataillons 291 störten mit Feindeinlagen stets die Verfügungsräume der Artilleristen, Soldaten der Sanitätseinsatzstaffel Idar-Oberstein platzierten immer wieder verwundete Kameraden oder Verletzte, die gerettet werden mussten, und Tornados der Luftwaffe flogen gegnerische Aufklärungsflüge, um den Druck der Übung zu erhöhen. Am Ende von Celtic Thunder haben jedoch alle Geschütze ihre Feuerkommandos abgearbeitet und ihr Feuer entlang der Feuerkoordinierungslinie, im Englischen Coordinated fire line (CFL), gelegt. Das Feuer entlang dieser CFL war Grundlage für den im Szenario geplanten Gegenangriff.

Kommandeur Kaufmann zeigt sich zufrieden: „Wir haben gesehen, dass es gut ist, dass Soldaten aus verschiedenen Ländern gemeinsam trainieren, um das gegenseitige Verständnis auszubauen. Was wir aber auch gesehen haben, ist, wie äußere Umstände, etwa eine fremde Umgebung oder Dauerregen, die Gefechtsführung beeinflussen können.“ Das Stresslevel sei hoch gewesen, wie auch der Ausbildungserfolg der Übung Celtic Thunder.

So real wie möglich, so abwechslungsreich wie nötig

von René Hinz

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