Manche möchten „ihre Soldaten“ nicht mehr hergeben
Manche möchten „ihre Soldaten“ nicht mehr hergeben
- Datum:
- Ort:
- Sachsen
- Lesedauer:
- 4 MIN
Amtshilfe oder auch Hilfe im Inneren ist ein Begriff, den die Bevölkerung rund um Meißen noch vom Elbhochwasser der Jahre 2002 und 2013 kennt. Damals waren die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr mit Material und Personal im Landkreis eingesetzt. Heute, acht Jahre später, ist kein es Wasser, sondern das Coronavirus, das die Angehörigen der Panzergrenadierbrigade 37 erneut in den Landkreis bringt. Bis zu 1.200 Soldaten unterstützen.
Das Covid-19-Virus beeinträchtigt unser tägliches Leben in jeglicher Hinsicht. Auch der Landkreis Meißen spürt die Folgen der Pandemie. Schnell sind Pflegepersonal und Behörden an Belastungsgrenzen gelangt. Eine Möglichkeit diese Situation zu bewältigen, wurde schnell gefunden: Genau dafür gibt es seit April 2020 die deutschlandweite Aktion der Bundeswehr „Helfende Hände“.
Ronald Voigt ist Amtsleiter für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen des Landkreises Meißen. Er hat die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zur Chefsache gemacht. „Ich habe seit Beginn der Pandemie bereits 53 Amtshilfeanträge gestellt“, beschreibt Voigt die derzeitige Lage. Diese würden nach Prüfung durch die Bundeswehr in der Regel nach drei bis fünf Tagen genehmigt. Voigt müsse nicht nur Anträge stellen, sondern sich auch um die Unterbringung und Verpflegung der Soldaten kümmern. Das erfordere eine Menge an Koordinationsarbeit. Es sei aber ein Aufwand, der sich lohne. „Zurzeit habe ich 92 Soldaten in den verschiedensten Einrichtungen im Einsatz“, erklärt er.
Leitender Oberarzt war selbst Soldat
Am nördlichen Stadtrand von Meißen liegt das Elblandklinikum. Oberarzt Dr. Alexander Neumann ist ehemaliger Sanitätsoffizier der Bundeswehr. Er ist bestens mit den Strukturen der Streitkräfte vertraut. „Man spricht sozusagen die gleiche Sprache. Die aktuelle Situation zeigt, dass die zivil-militärische Zusammenarbeit im Krisenfall reibungslos funktioniert, und das nicht zum ersten Mal“, erklärt Neumann mit Blick auf die laufende Hilfeleistung.
Aktuell dienen 32 Soldaten aus den Standorten Marienberg, Frankenberg, Bad Frankenhausen und Weißenfels im Elblandklinikum Meißen. Das sanitätsdienstliche Fachpersonal des Sanitätsregiment 1 aus Weißenfels wird zur Entnahme der Abstriche und zur Patientenversorgung auf den Covid-Stationen eingesetzt. Wieder andere Soldaten unterstützen in verschiedenen Bereichen, wie in der Infektionsambulanz, im Labor und in der Logistik. „Alle haben sich schnell in ihre neuen Tätigkeitsbereiche eingearbeitet. Die Zusammenarbeit mit dem Klinikpersonal ist sehr gut und völlig problemlos“, freut sich der leitende Oberarzt.
Verdacht oder Infektion
Über einen separaten Eingang gelangen Patienten zur Covid-Teststation. Jeder Verdachtsfall wird dort sofort untersucht. Die Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz aus Frankenberg arbeiten unter Vollschutz. Oberfeldwebel Tom A.* und Stabsunteroffizier Nico M.* nehmen Abstriche im Rachen und an der Nasenscheidewand. Nur zwei Türen weiter ist der Arbeitsplatz der Oberstabsgefreiten Sascha B.* und Maximilian M.* aus dem Panzergrenadierbataillon 371 im erzgebirgischen Marienberg. „Bereits seit Anfang November sind wir hier im Krankenhaus eingesetzt. Auch an den Weihnachtsfeiertagen haben wir abwechselnd im Klinikum gearbeitet. So hatte jeder von uns die Möglichkeit, etwas Zeit mit der Familie zu verbringen“, erinnern sich die beiden Oberstabsgefreiten. Ihre Aufgabe besteht darin, dass Klinikpersonal administrativ zu unterstützen, sodass in allen Bereichen des Krankenhauses eine reibungslose Datenverarbeitung möglich ist.
Vom MG-Schützen zum Labormitarbeiter
Oberfeldwebel Niklas L.* aus dem Panzerbataillon 393 in Bad Frankenhausen ist die Schnittstelle zwischen Klinikum, Gesundheitsamt und den hier eingesetzten Soldaten. „Das Personal und die Patienten sehen die Hilfeleistung der Bundeswehr sehr positiv“, sagt der Oberfeldwebel.
Die Soldaten genießen hohes Vertrauen und arbeiten sogar im Labor. Die Oberstabsgefreiten Alexander S.* und Mauricio F.* haben dafür ihre Uniform in blaue Krankenhausbekleidung getauscht. Beide werten die Infektions- also PCRPolymerase-Ketten-Reaktion-Tests (engl. Polymerase Chain Reaction) sowie Urinproben mit modernster Labortechnik aus. Eine Aufgabe, die sehr interessant und vielseitig sei, berichten sie. Eine völlig neue Erfahrung für die beiden jungen Männer. „Mit hochsensibler Technik zu arbeiten, ist eine Herausforderung. Normalerweise bin ich Maschinengewehrschütze in der vierten Kompanie der Marienberger Jäger“, erklärt einer der beiden.
Unterstützung kommt überall gut an
Auch im logistischen Bereich sind die „Helfenden Hände“ der Bundeswehr gefordert. Von Meißen aus werden noch zwei weitere Elblandkliniken, in Radebeul und Riesa, mit allem medizinisch notwendigen Material beliefert. Die hier eingesetzten Soldaten stellen die auszuliefernden Materialien zusammen und nehmen die angelieferte Ware entgegen. „Die Resonanz von Personal und Patienten ist durchweg positiv. Die Soldaten leisten eine ausgezeichnete Arbeit. Manche Bereiche möchten ,ihre Soldaten‘ am liebsten gar nicht mehr hergeben“, sagt Oberarzt Neumann lächelnd.
Es ist nur einer von zahlreichen Amtshilfeeinsätzen der Soldaten, die dem Namen des Programms „Helfenden Hände“ alle Ehre machen. Bundesweit stehen tagtäglich Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an der Seite von Amtsmitarbeitern, Ärzten und Pflegekräften ihren Mann und ihre Frau. Ein nicht alltäglicher Auftrag, den alle professionell erfüllen.
*Namen redaktionell geändert.