Zwischen Maske und Einbahnstraße - Flugbetrieb im Corona-Modus
Zwischen Maske und Einbahnstraße - Flugbetrieb im Corona-Modus
- Datum:
- Ort:
- Schleswig-Holstein
- Lesedauer:
- 5 MIN
Mit Einschränkungen wird in der Luftwaffe weitergeflogen. Ausbildung und Einsatz stehen im Fokus. Daran orientiert sich die Praxis auf dem Flugfeld wie im Tower.
Helm und Maske schon immer
Geschäftig eilen die Warte an die stehenden Tornados, überprüfen sie vor dem Start ein letztes Mal. Corona hat auch hier den Dienstbetrieb voll im Griff – so sieht es jedenfalls aus. Die „Bodenarbeiter“ tragen Helme, Mund und Nasen bedeckt eine Kunststoff-Maske mit großem Filter... Doch es ist ganz anders: die Arbeit zwischen den Jets mit ihren laufenden Triebwerken und Abgasen findet grundsätzlich mit Atemschutz statt. Und dennoch wirkt sich die kleine Mikrobe ganz klar auf die Abläufe in den fliegenden Verbänden der Luftwaffe aus.
„Der Flugbetrieb ist eingeschränkt.“
So zu sehen im Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ (TaktLwG 51 „I“) in Jagel bei Schleswig: „Die Schichten sind sowohl bei der Technik als auch in den fliegenden Staffeln räumlich und zeitlich getrennt, Personal soweit es geht im Home-Office und natürlich herrscht Maskenpflicht, die auch sehr gut befolgt wird“, informiert der Kommodore, Oberst Kristof Conrath und fasst zusammen, „Der Flugbetrieb ist eingeschränkt.“ Alle Maßnahmen, die im Zivilleben zum Tragen kommen, kommen auch hier zum Tragen, so der Komo (Kurzbezeichnung für Komodore) weiter, „wir wollen nicht zu einem neuen Ansteckungs-Herd werden“. Bisher habe es keinen Fall einer Corona-Infektion in dem knapp 1800 Köpfe starken Verband in Schleswig-Holstein gegeben, erklärt Conrath und „dabei soll es bleiben“.
Fliegen, nicht schießen
Aus diesem Grund entschloss sich die Geschwader-Führung, das Offizier- und Unteroffizierheim zu schließen, wie auch die Sporthalle. „In der Truppenküche wurde von Selbstbedienung auf Abholung umgestellt. Auf den Gängen in den Gebäuden wird Mund-Nasen-Schutz getragen und in Dienstfahrzeugen mit mehr als einem Insassen ebenfalls.“ Das Sanitätspersonal sei gleichermaßen mit im Boot: „Bei einem Verdacht muss der Patient sofort unter Vollschutz zum Arzt und wird getestet.“ Dass der Geschwader-Betrieb trotz der Einschränkungen weitergehe, habe damit zu tun, sagt Conrath, „dass wir uns auf die Kernaufgaben konzentrieren“. Zurzeit findet keine allgemeinmilitärische Ausbildung statt – weder Märsche noch Schießen. Piloten und Waffensystemoffiziere kommen nur zum Fliegen hierher und fahren danach wieder nach Hause.“
Einsatz und Ausbildung haben Vorrang
Die Einsatzausbildung in der 1. und 2. Staffel gehe weiter. Das Geschwader ist noch bis Ende des Jahres der NATONorth Atlantic Treaty Organization Reaction Force (NRFNATO Response Force), der schnellen Eingreiftruppe der Allianz, zugewiesen und steht mit der Heron 1 und der Luftbildauswertung in Mali und Afghanistan im Auslandseinsatz. Die 1. Staffel fliegt den Tornado in der Aufklärungsrolle und die ECRElectronic Combat Reconnaissance- (Electronic Combat Reconnaissance) Variante im Kampf gegen gegnerische Luftabwehr. Anders die 2. Staffel, sie ist für den Einsatz der unbemannten Luftfahrzeuge Heron 1/Heron TP zuständig.
Einbahnstraße gibt Technikern Richtung
Die Techniker konzentrieren sich ausschließlich darauf, genügend Jets für den Flugbetrieb zur Verfügung zu stellen. „Das Personal jedes Docks ist als Arbeitsgruppe zusammengefasst und kommt zeitlich verschoben zu anderen Gruppen zum Dienst, um sich gezielt eines Flugzeugs anzunehmen“, sagt Stabsfeldwebel Jan Ingwersen, Fachgruppenleiter der planbaren Instandsetzung.
Ach, wenn ich doch vier Hände hält…
„Und alle Corona-gefährdeten Personen mit Vorerkrankung lassen wir gleich ganz Zuhause.“ Das seien in seinem Bereich vier ältere Zivilangestellte. In der großen Instandsetzungshalle auf dem Fliegerhorst sei zudem auf den Gängen eine „Einbahnstraßen-Regelung“ eingeführt worden: „Ein Eingang, ein Ausgang, und alles in eine Richtung – so begegnen sich die Leute nicht und können auch die 1,50 Meter Abstand wahren.“ Was bei den Wartungs- und Reparatur-Arbeiten am Tornado selbst nicht immer möglich sei: „Manche Tätigkeiten lassen sich nun mal nur mit mehr als zwei Händen ausführen.“
Korrekte Anweisungen gibt es nur ohne Maske
Die Maskenpflicht ist ausgesetzt für das Tower-Personal, bei den Radarlotsen und bei der Flugberatung. „Im Flugsicherungsdienst ist die Maske abzunehmen“, stellt der oberster Flugsicherer des Geschwaders Major Stephan Helms, klar. Gewichtige Gründe gaben den Ausschlag: Das Risiko, dass über Funk gegebene Anweisungen durch den Atemschutz gesprochen unverständlich werden, sei einfach zu hoch. „Um das Personal zumindest gruppenweise zu trennen, haben wir den Betrieb umgestellt“, so Helms. Statt Früh- und Spätschicht sei nur noch eine Neun-Stunden-Schicht im Dienst, die jedoch eine Pause benötige. „Dann ist der Flugplatz geschlossen, weil es 75 Minuten lang weder Tower- noch Radarkontrolle gibt.“
Zweimal am Tag wird geflogen
Damit kann Oberstleutnant Björn Jansen, der stellvertretende Kommandeur der Fliegenden Gruppe, problemlos leben. „Natürlich fliegen wir weniger, auch weil das technische Personal ausgedünnt ist, aber es kommen genug Flugstunden zusammen.“ Der Schwerpunkt liege hier, so Jansen, „dass die fünf jungen Flugzeugführer und Waffensystemoffiziere ihren Lehrgang trotz Corona im geplanten Zeitrahmen abschließen“. Das sei mit dem Flugbetrieb abgestimmt: „Nachdem die erste Runde vormittags gelandet ist, machen wir den Platz zu. Und bevor die zweite Runde am Nachmittag startet, wieder auf“, sagt Jansen, selbst erfahrener Tornado-Pilot.
Video statt Dienstreisen
Die Corona-Krise habe für das Geschwader tatsächlich auch einen positiven Nebeneffekt: „Dadurch, dass wir weniger fliegen, wirkt sich auch die angespannte Ersatzteillage beim Tornado derzeit nicht so aus.“ Das werde sich allerdings sofort ändern, sobald der Flugbetrieb wieder auf 100Prozent hochgefahren werden könne. Langfristig, so Jansen wird der Betrieb des Tornados sehr teuer werden, „da immer mehr Teile kostspielig in Kleinserie nachgefertigt werden müssen“. Gespart wurde allerdings an anderer Stelle und das konnte Schule machen. Anstatt auf zeitraubende Dienstreisen zu gehen, finden derzeit viele Besprechungen über Video statt -, auch mit anderen Dienststellen in Deutschland.
Orientiert wird sich an der freien Wirtschaft
Und das Personal im Home-Office sei übers Internet mittels spezieller Kommunikations-Software dergestalt angebunden, dass es Zugriff auf alle Unterlagen habe. „Für geheime Vorgänge haben wir sogar ein eigenes, abgesichertes System.“ Das alles funktioniere reibungslos, ebenso wie in der freien Wirtschaft. Ohnehin, so versichert auch Oberst Conrath, sei die zivile Gesellschaft in der Corona-Krise der Maßstab: „Wir orientieren uns daran, was draußen geschieht. Und passen uns dann an.