Gut vorbereitet auf Mali: Zentrale Führerausbildung

Gut vorbereitet auf Mali: Zentrale Führerausbildung

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
7 MIN

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Bei einem Angriff auf eine Patrouille der UNUnited Nations-Mission MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali werden 12 deutsche Soldaten in Mali verletzt, drei von ihnen schwer. Nicht nur in der Bewältigung von solchen Extremsituationen spielt die Frage nach der Legitimation des Einsatzes eine tragende Rolle. Das Zentrum Innere Führung bereitet in einwöchigen Lehrgängen darauf vor.

Der Plenarsaal im Bundestag.

Das Ziel der Mission und den erteilten Auftrag des Bundestages kennen und verstehen.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Von Koblenz nach Mali

Zwölf Bundeswehrangehörige waren zu dem Lehrgang „Zentrale Führerausbildung – Mali“ im Juli nach Koblenz angereist. „Die Corona-Auflagen lassen leider momentan nicht mehr zu“, erklärt der Hörsaalleiter, Oberstleutnant Heiko Rönsch. Unter den Teilnehmenden, insgesamt neun Soldaten, zwei Soldatinnen und ein Angehöriger der zivilen Wehrverwaltung, waren dieses Mal der designierte Kontingentführer 17./ 18. DEU EinsKtgt MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali, Oberst Mike W., von der Panzergrenadierbrigade 37 und der künftige Chef des Stabes im multinationalen Hauptquartier (MFHQ) von EUTMEuropean Union Training Mission Mali, Oberst i.G. Ralf B., vom Kommando Heer.

„Wer das Ziel der Mission und den erteilten Auftrag des Bundestages für die Soldatinnen und Soldaten des deutschen Einsatzkontingents nicht kennt und nicht versteht, wird nach meiner festen Überzeugung nicht im Einsatz bestehen können“, lässt Oberst W. erkennen, warum er die Frage nach dem „Warum“ für sich und die ihm im Einsatz unterstellten Frauen und Männer für so essentiell hält. Viele Lehrgangsteilnehmende, die in dieser Woche ebenfalls den Lehrgang besuchten, werden im Einsatz zu seinen Führungskräften gehören, und so erfüllte der Lehrgang seine zusätzliche Aufgabe: Die Kohäsion. „Wenn wir im Einsatz das bestmögliche Ergebnis erreichen wollen, ist es wichtig, dass wir uns früh als Team zusammenfinden“, stellt W. klar.

Die Krisenlage im Sahel ist hochkomplex

Flaggen der verschiedenen Länder vor Camp Castor in Mali.

Ziel ist, Ordnung und Struktur in die gesamte Region Niger, Burkina Faso und Mali hineinzubringen.

Bundeswehr/Frank Wiedemann

„Warum ist die Bundeswehr in diesem Einsatz und was soll dort erzielt werden?“, „Was haben wir nach acht Jahren bisher erreicht und wer arbeitet alles gemeinsam an diesem Ziel?“ sind wichtige Fragestellungen, die Führungskräfte im Auslandseinsatz immer wieder beantworten müssen. Dabei sind diese Fragen gerade in Bezug auf Mali nicht einfach zu beantworten. Eine instabile Regierung, der Verlust von Staatlichkeit, die deutliche Zunahme islamistischer Gewalt wie die Eskalation innerethnischer Konflikte und alles oftmals verwoben mit organisierter Kriminalität zeigt drastisch, wie hochgradig komplex und teils unüberschaubar die Lage ist. „Es ist wie ein verwobenes Knäuel aus vielen bunten Fäden und dabei sind die extremen Folgen des Klimawandels als weiterer Treiber noch gar nicht berücksichtigt“, sagt Oberstleutnant Rönsch. „Wir versuchen Ordnung und Struktur in die Thematik hineinzubringen“. Dabei ist es falsch, den Blick allein auf Mali zu richten. „Es gilt die gesamte Region mit Niger, Burkina Faso und Mali im Fokus zu haben“, so Rönsch weiter.

Innere Führung verlangt die Antwort auf das „Warum“

Den Sinn des militärischen Auftrages einsichtig und verständlich zu machen

Ziel ist, Ordnung und Struktur in die gesamte Region Niger, Burkina Faso und Mali hineinzubringen.

Bundeswehr/Patricia Franke

Der Lehrgang bot den Teilnehmenden multiperspektivische Ansätze und regte zum offenen Diskurs an. Dabei spielte am Mutterhaus der Inneren Führung auch die Frage nach der Bedeutung der Inneren Führung im Auslandseinsatz eine Rolle. Schließlich bestehen – gemäß der Vorschrift – die „Ziele der Inneren Führung darin, (…) den Sinn des militärischen Auftrages, insbesondere bei Auslandseinsätzen, einsichtig und verständlich zu machen“. Die Vermittlung dessen ist die Pflicht der Vorgesetzten.

Am offenen Austausch mit den Teilnehmenden beteiligte sich auch Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums Innere Führung: „Innere Führung ist nichts für besondere Tage mit Ausgehuniform, sondern etwas für jeden Tag im Grundbetrieb und im Einsatz“. Dabei appellierte der Kommandeur an die Führungskräfte: „Sagen Sie Ihren Soldatinnen und Soldaten immer auf verständliche Weise die Wahrheit. Geben Sie  keine umschreibenden Floskeln.“

Der Konflikt ist politisch begründet – Mali von allen Seiten beleuchten

Die beiden Bundestagsmandate MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali und EUTMEuropean Union Training Mission Mali stellen den Abholpunkt für die weitere Beschäftigung mit dem deutschen Engagement im Sahel dar. Doch wenn die Teilnehmenden nun eine trockene Analyse des Mandats erwarteten, wurden sie enttäuscht. Denn die Umsetzung der von der deutschen Regierung gesteckten Ziele ist sehr heterogen. Eines wurde schnell deutlich: Der Konflikt in Mali und den angrenzenden Sahelstaaten ist politisch begründet. Militär allein kann nur den einen stabilen Rahmen für eine Konfliktlösung setzen. Es kommt deshalb insbesondere auf einen wirkungsvollen Mix ziviler und militärischer Fähigkeiten an. „Bei der Auswahl der Referentinnen und Referenten haben wir uns an diesem zivil-militärischen Ansatz orientiert und bemüht, den vernetzten Ansatz hierher nach Koblenz in den Hörsaal zu bringen“, beschreibt Rönsch die Idee des Lehrgangs.

Eine Kolonne von Truppenfahrzeugen auf Patrouillenfahrt.

Der Konflikt in Mali ist politisch begründet. Militär allein kann diesen Konflikt nicht lösen.

Bundeswehr/Uwe Weber

In Sachen Entwicklungszusammenarbeit war es möglich, mit der Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Mali, Frau Randa Kourieh-Ranarivelo, als Vertreterin der großen deutschen Regierungsorganisation (GO) zu diskutieren. Das Ehepaar Peter und Inge Brucker, Vorsitzende der „Mali-Hilfe e.V.eingetragener Verein“, stellten der GO das Vorgehen einer Nicht-Regierungsorganisation gegenüber. Militärisch ergaben die Beiträge eines französischen und eines malischen Majors weitere, äußerst interessante Perspektiven auf die aktuelle Lage, sei es nun mit Blick auf die zunehmende islamistische Bedrohung oder die aktuellen innenpolitischen Herausforderungen, wie etwa den letzten Militärputsch. Nicht immer waren die Ansichten der Beiden zu 100 Prozent deckungsgleich, aber genau das machte es für die Teilnehmenden des Lehrgangs so spannend und erkenntnisreich. „Es gilt alle Facetten des Engagements zu beleuchten und zu hinterfragen und nichts zu verschweigen. Nur so kommen wir zu einer möglichst objektiven Bewertung des Einsatzes“, erklärte der Hörsaalleiter bereits zu Beginn der Woche.

Ein weiterer Höhepunkt war die Diskussion mit Thomas Schiller, dem Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung. Schiller verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Region, ist Autor zahlreicher Veröffentlichen und für deutsche und internationale Medien ein gesuchter Experte zur Einschätzung der aktuellen Lage vor Ort. Er erklärte unter anderem, wie sehr die Sicherheitslage im Land den Fortschritt behindert.

Fazit: Die Zentrale Führerausbildung Mali - Eine lohnende Woche

Es sind die unterschiedlichen Blickwinkel, welche die Führungskräfte immer wieder zum Nachdenken brachten. Nicht auf alle Fragen gab es nur die eine Antwort. Das war aber auch nicht das Ziel des Lehrgangs. Vielmehr sollte die eigene Urteilsfähigkeit auf die aktuellen Entwicklungen erweitert und gestärkt werden und zugleich Handlungssicherheit gewonnen werden, um sich mit den Soldatinnen und Soldaten über das „Warum“ des Einsatzes auseinanderzusetzen. „Ich glaube, wenn man das „Warum“ für sich selber nicht beantworten kann, dann werden die sechs Monate lang und schwer“, sagt Oberst i.G. B. und ergänzt: „Für mich als Chef des Stabes MFHQ EUTMEuropean Union Training Mission Mali ist die Beantwortung relativ einfach, weil ich davon überzeugt bin, dass die Sicherheit in Mali nur gewährleistet werden kann, wenn die malischen Sicherheitskräfte entsprechend ausgebildet werden, um die Verantwortung vor Ort selbst übernehmen zu können. Dazu trägt die Ausbildungsmission maßgeblich bei.“

Doch nicht jede Soldatin und jeder Soldat die/der in den Einsatz geht, hat von Beginn an so eine klare Vorstellung. „Die Probleme in Mali sind sehr vielschichtig und nicht einfach zu durchschauen. Das habe ich diese Woche erkennen können. Aber wenn es um die Frage der Legitimation des Einsatzes in Mali geht, kann ich nun gestärkt in den Austausch mit meinen Soldaten gehen“, zog ein Teilnehmer sein Fazit.

Ein Truppenfahrzeug hält am Wüstenrand auf einer Düne, mit Weitblick auf das Land.

Es sind die unterschiedlichen Blickwinkel, welche die Führungskräfte immer wieder zum Nachdenken brachten.

Bundeswehr/Frank Wiedemann

So sieht es auch Oberst W.: „Es ist eine elementare Grundlage zu wissen, was von uns im Einsatz erwartet wird und dafür werden hier sehr gute Abholpunkte geschaffen.“ Er ergänzt mit Blick auf seine individuelle Vorbereitung: „Ich schaue auf meine Aufgabe in Mali im Rahmen von MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali mit Demut. Die Verantwortung für 1.100 deutsche Soldaten in diesem Einsatz in einem derart schwierigen und gefährlichen Umfeld - die jüngsten Ereignisse und über 200 Tote im Rahmen von MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali zeigen dies deutlich - darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer das als Vorgesetzter tut, hat seinen Auftrag nicht verstanden.“
Die Frage nach dem „Warum“, ist ein wichtiger Faktor zur Verstärkung der individuellen Einsatzbereitschaft. Die „Zentrale Führerausbildung – Mali“ gibt darauf Antworten.

Zentrale Führerausbildung – Mali

Die „Zentrale Führerausbildung – Mali“ ist ein einwöchiger Lehrgang am Zentrum Innere Führung und richtet sich an Führungskräfte der Einsatzkontingente von MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali und EUTMEuropean Union Training Mission. Die Inhalte bauen auf der einsatzlandspezifischen Ausbildung (ELSAeinsatzlandspezifische Ausbildung) auf und lassen sich in die drei Dimensionen der Legitimation eines Auslandseinsatzes – Politik, Recht und Ethik – untergliedern.


Der Lehrgang befasst sich eingehend mit dem Land in all seinen Facetten – Geschichte, Ethnien, geographische/klimatische Besonderheiten, politische Lage – und bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen sowohl individuell als auch in der Gruppe intensiv mit dem „Warum“ – der Legitimation des kommenden Einsatzes – zu befassen. Der Mix aus verschiedenen internen und externen Referenten trägt dazu bei, den Konflikt im Einsatzland zu begreifen und Konfliktlösungsansätze zu erarbeiten.


Zudem sind auch das Mandat und die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz ein zentraler Baustein der Lehrgangswoche. Der Lehrgang ist für militärisches und ziviles Personal in Führungsverantwortung vorgesehen, die für den Einsatz in Mali eingeplant sind. Für 2021 sind noch folgende „Zentrale Führerausbildungen – Mali“ geplant: 18. bis 22. November und 29. November bis 3. Dezember.


Die Lehrgangsdaten für 2022 werden spätestens Anfang des IV. Quartals im Trainingskatalog der Bundeswehr veröffentlicht. Nach Absprache besteht allerdings die Möglichkeit, dass eine geschlossene Führungscrew in einem individuellen Zeitrahmen den Lehrgang besucht.

Bei Fragen zur Ausbildung wenden Sie sich bitte per E-Mail an:

ZInFueBerAusb-FBldgDezMeFü-PolBil@bundeswehr.org


von Heiko Rönsch und Thomas Martin

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.