Main Ground Combat System

„Es geht auch künftig darum, schnell eine große Feuerkraft an den Feind zu bringen“

„Es geht auch künftig darum, schnell eine große Feuerkraft an den Feind zu bringen“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Entwickler aus Deutschland und Frankreich arbeiten seit Jahren am binationalen Projekt Main Ground Combat System (MGCSMain Ground Combat System), das in Zukunft den Kampfpanzer Leopard 2 ablösen soll. Dabei sind schwierige Fragen zu klären. Eine ministerielle Einigung zu ersten Details steht bevor. Aber was soll das MGCSMain Ground Combat System später eigentlich leisten können?  

Zwei Soldaten schauen aus den Luken eines fahrenden Panzers, der mit Tannenzweigen getarnt ist

Der Leopard 2 A7V ist die modernste Variante des deutschen Kampfpanzers, hier bei einer Übung im März 2024 bei Hohengöhren in Sachsen-Anhalt. Das deutsch-französische Panzerprojekt MGCSMain Ground Combat System soll ein Nachfolgemodell des Leopards zur Truppe bringen.

Bundeswehr/Elian Hadj Hamdi

Mehr als 40 Jahre nach seiner Indienststellung kommt der deutsche Kampfpanzer Leopard 2 allmählich in die Jahre. Zwar gilt er mit seiner 120-Millimeter-Glattrohrkanone bis heute als das Maß der Dinge im Panzerbau. Dennoch wurde schon vor Jahren die Notwendigkeit erkannt, einen potenten Nachfolger zu entwickeln. Im Juni 2018 unterzeichneten Deutschland und Frankreich die Absichtserklärung zur gemeinsamen Entwicklung eines Main Ground Combat System (MGCSMain Ground Combat System). Diese Bezeichnung lässt sich mit Hauptbodenkampfsystem übersetzen und beinhaltet begrifflich bereits eine gewisse Distanz zur bisher üblichen Bezeichnung für Kampfpanzer – Main Battle Tank (MBTMain Battle Tank).

Memorandum of Understanding regelt Aufgabenteilung

Tatsächlich sind die Entwicklungen im Zuge der Projektplanung vorangekommen. Klar ist nach heutigem Stand bereits, dass es mit MGCSMain Ground Combat System nicht mehr den einen klassischen Kampfpanzer geben wird. Stattdessen ist das MGCSMain Ground Combat System ein Multiplattformsystem, das nur in seiner Gesamtheit alle Fähigkeitsforderungen in Gänze erfüllt. Basis dabei ist eine identische Fahrzeugwanne, auf der verschiedene Fähigkeitsmodule platziert werden. Mehrere solcher Fahrzeuge mit unterschiedlichen Spezialisierungen würden dann miteinander im Verbund operieren. Eine Studie oder ein Modell des Gesamtsystemdemonstrators liegen bislang nicht vor. 

Mit der beabsichtigten Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding durch Verteidigungsminister Boris Pistorius und seinen französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu sollen erste Details zur Aufgabenverteilung unter den beiden Nationen bei der Entwicklung des Projekts schriftlich fixiert werden. Für die Bundeswehr begleiten den Entwicklungsprozess erfahrene Panzerexperten am Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) in Koblenz seit Jahren eng. „Die große Herausforderung besteht darin, möglichst alle Veränderungen zu berücksichtigen, die sich beim Einsatz von Panzerkräften in den vergangenen Jahren ergeben haben“, sagt einer von ihnen. 

Zugleich sei ein erhebliches Maß an Vorausschau erforderlich, um die laufenden operativen und technologischen Entwicklungen mitzudenken. Dies betreffe vor allem den Einsatz von Drohnen zur Aufklärung und Panzerbekämpfung sowie deren Abwehr. Aber auch immer bessere Panzerungen, die die Wirksamkeit der heute verwendeten 120-Millimeter-Kanone schmälern, stellen Ingenieure vor Herausforderungen.

Größeres Kaliber und verbesserter Schutz für das System

Als sicher gilt deshalb, dass das Kaliber der Hauptbewaffnung beim MGCSMain Ground Combat System gesteigert wird. Aktuell ist noch nicht entschieden, ob die neue Panzerkanone auf 130 oder 140 Millimeter vergrößert werden wird. Auf eines dieser Kaliber wird die Entwicklung aber hinauslaufen. Denn: „Die heute verbreitete 120-Millimeter-Kanone hat kein Aufwuchspotenzial mehr“, erklärt der Experte vom BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Um duellfähig zu bleiben, müsse deshalb eine durchsetzungsfähige Waffe her, die eine höhere Anfangsgeschwindigkeit beim Abschuss bei gleichzeitig höherer Geschossmasse erreiche. Beides sei nur durch den Kaliberaufwuchs zu erreichen.

Wie bei westlichen Panzerentwicklungen üblich, werde auch beim MGCSMain Ground Combat System besonderer Wert auf den Schutz der Besatzung gelegt. Aktuell sei davon auszugehen, dass der Turm des MGCSMain Ground Combat System unbemannt sein werde, heißt es aus Koblenz. Die auf zwei bis drei Personen reduzierte Besatzung werde in einem besonders geschützten Crew Compartment in der Fahrzeugwanne untergebracht. Der Vorteil: Ein unbemannter Waffenturm kann trotz der größeren Waffenanlage kleiner ausfallen und dennoch besser geschützt werden – und das bei gleichzeitig kleinerer Trefffläche.

Der Panzerschutz wird beim MGCSMain Ground Combat System absehbar durch verschiedene Maßnahmen weiter gesteigert. Verbesserte Reaktivpanzerung sowie abstandsaktive Schutzmaßnahmen sollen einen wirksamen Rundumschutz bieten. Verbesserte Sensoren für die Besatzung zur rechtzeitigen Erkennung von Gefahren und ein leistungsstarkes Battle Management System treten hinzu. Wichtig sei dabei aber, dass die Schutzmaßnahmen das Gesamtgewicht des Systems nicht erhöhen.

Gewicht senken, Mobilität erhöhen

Denn das Höchstgewicht für das MGCSMain Ground Combat System soll im Vergleich zu aktuellen Plattformen abgesenkt werden – eine Vorgabe, die angesichts des erheblichen Gewichtszuwachses bei den jüngsten Kampfwertsteigerungen von NATO-Kampfpanzern gemacht wurde. Weniger Gewicht ist gut für die Mobilität der Fahrzeuge, hat aber auch massive Auswirkungen auf die Funktionalität eines zukünftigen Multiplattformsystems. 

Ein Beispiel: „Das heute übliche Flugabwehr-Maschinengewehr auf dem Turm wird den Anforderungen im Drohnenzeitalter nicht im Ansatz gerecht“, so der BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr-Experte. Deshalb muss das MGCSMain Ground Combat System zum Selbstschutz gegen Drohnen mit innovativen Technologien befähigt werden.

Einheitliches Fahrwerk als Basis für Fahrzeugfamilie

Das gemeinsame Chassis soll zukünftig als Basis für die gesamte Fahrzeugfamilie genutzt werden – so, wie es früher auch bei den Fahrzeugwannen von Leopard 1 und 2 funktioniert habe. Höchstwahrscheinlich werden als Antrieb Dieselhybride zur Anwendung kommen, bei denen ein Elektromotor durch den Diesel aufgeladen wird. Der leise Elektromotor könne dann unter bestimmten taktischen Bedingungen, etwa für das Einfließen in den Verfügungsraum, genutzt werden.

Unterm Strich müsse das MGCSMain Ground Combat System konzeptionell einerseits den modernsten Anforderungen im digitalen Zeitalter genügen, andererseits aber die klassischen Stärken der Panzerwaffe weitertragen, so der Experte vom BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. „Lenken. Stellen. Schlagen“, lautet deren Grundsatz. „Es geht auch künftig im Kern darum, schnell eine große Feuerkraft an den Feind zu bringen, bei hoher Mobilität im Gelände“, so der Koblenzer Experte. Das könnten nur Kettenfahrzeuge leisten, die sich anders als Radfahrzeuge beispielsweise auch in stark zerstörten urbanen Räumen bewegen können. 

von Markus Tiedke

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