
Wehrdienst und Heimatschutz (4/7)
70 Jahre – 70 Fakten
70 Jahre – 70 Fakten
Nachdem die Wehrpflicht in der Bundesrepublik eingeführt wurde, rückten am 1. April 1957 etwa 10.000 junge Männer als erste Wehrpflichtige in die Kasernen ein.
1976 umfasste allein die Heimatschutztruppe der Bundeswehr über 100.000 Reservisten, die im Verteidigungsfall alarmiert worden wären.
Die Heimatschutztruppe wächst heute wieder kräftig. Aus vormals 30 Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien sind bereits 51 Heimatschutzkompanien geworden.
Von 0 auf 500.000. Diese Truppenstärke zur Verfügung zu stellen, hatte die junge Bundesrepublik den Verbündeten versprochen. Eine riesige Herausforderung, bei der den Verantwortlichen schnell klar wurde: Ohne eine Wehrpflicht wird das nicht klappen. So kam es, dass Millionen deutscher Männer bis 2011 in die Bundeswehr eingezogen wurden. Nach ihrem aktiven Dienst übten Tausende von Zeit zu Zeit als Reservisten in der Heimatschutztruppe – ein Teil der Bundeswehr, der nach kurzem Dornröschenschlaf derzeit wieder ganz oben auf der Agenda steht.
Heftig diskutiert in Bundestag und Bevölkerung, doch am Ende beschlossene Sache. Am 21. Juli 1956 trat das Wehrpflichtgesetz in Kraft, die rechtliche Grundlage, alle deutschen Männer zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr zum Wehrdienst in die wenige Monate junge Bundeswehr einzuziehen. Denn es war klar: Mit Berufssoldaten und Freiwilligen war keine Truppe von 500.000 Mann aufzustellen, so wie es den Verbündeten versprochen war. Bereits im Januar 1957 fanden die ersten Musterungen des Geburtsjahrganges 1937 statt und am 1. April des gleichen Jahres rückten die ersten rund 10.000 Rekruten in die Kasernen ein. Damals noch für zwölf Monate.
Wie lange junge Männer verpflichtet wurden, änderte sich mehrmals und war stets mit kontroversen Debatten verbunden. Militärischer Bedarf an gut ausgebildeten und diensterfahrenen Wehrpflichtigen sowie außenpolitische Spannungen standen hier unter anderem dem Eingriff in die berufliche Entwicklung von Millionen jungen Männern gegenüber, die durch den Dienst deutlich später Ausbildung und Studium beginnen konnten. Dennoch wurde 1962 aufgrund der zunehmenden Konfrontation zwischen Warschauer Pakt und NATONorth Atlantic Treaty Organization die Wehrdienstzeit von zwölf auf 18 Monate angehoben. 1973 wurde auf 15 Monate verkürzt und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs setzte eine fortlaufende Absenkung der Pflichtdienstzeit ein. Schließlich kam es 2011 zur Aussetzung der Wehrpflicht und dem Wechsel vom Pflicht- auf ein Freiwilligenmodell, zumindest in Friedenszeiten.
Über acht Millionen junge Männer haben ihren Dienst in der Bundeswehr bis zur Aussetzung der Wehrpflicht geleistet. Nicht wenige von ihnen kamen, weil sie mussten, blieben aber anschließend als Zeit- und Berufssoldaten, weil sie es wollten. 2011 wurde mit dem „Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011“ die allgemeine Wehrpflicht in Friedenszeiten ausgesetzt. Die Bundeswehr wurde damit zu einer Freiwilligenarmee. Seitdem sind Tausende junge Männer und Frauen aus freien Stücken in die Streitkräfte eingetreten und haben ihren freiwilligen Wehrdienst geleistet. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall würden die Bestimmungen des Wehrpflichtgesetzes – und damit auch die Wehrpflicht – allerdings wieder gelten.
„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Das garantiert das Grundgesetz in Artikel 4 Absatz 3 jedem und jeder Deutschen. Damit wird das Recht garantiert, den Kriegsdienst verweigern zu können. Den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung können sowohl Soldatinnen und Soldaten als auch Ungediente stellen. Allerdings sagt die Verfassung in Artikel 12 a Absatz 2 auch: „Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden.“ Das war zu Zeiten der aktiven Wehrpflicht – vor 2011 – der Zivildienst.
Mitte der 1960er Jahre ins Leben gerufen, umfasste die Heimatschutztruppe zehn Jahre später bereits über 100.000 Männer. Die zum Großteil aus Reservisten bestehende Truppe war Teil des Territorialheeres. Im Gegensatz zum Feldheer, das in der damaligen Struktur des Heeres die aktiven Soldaten umfasste, bestand das Territorialheer zum Großteil aus Reservisten, die erst im Ernstfall mobilisiert worden wären. Ihr Auftrag im Verteidigungsfall: der Schutz militärischer Anlagen und verteidigungswichtiger Infrastruktur, beispielsweise von Brücken, Verkehrsknotenpunkten oder Häfen, vor feindlichen Kommandos und Partisanen. 2007 wurden aufgrund der guten Sicherheitslage in Europa die letzten Heimatschutzbataillone außer Dienst gestellt.
Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSU): Das war der etwas sperrige Name der ab 2012 neu in Dienst gestellten Einheiten der Reserve. Ihr Auftrag: ähnlich dem der alten Heimatschutztruppe. Absicherung von militärischen Anlagen in einer Bedrohungslage sowie die Unterstützung der zivilen Blaulichtorganisationen in der Katastrophenhilfe. Insgesamt wurden 30 RSU-Einheiten aufgestellt. Der Grund für die Neuaufstellungen war die Erkenntnis, dass weiterhin eine Verstärkung der aktiven Truppe durch Reservisten von Nöten war und man ein Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung nicht mehr ausschließen konnte.
Knapp 15 Jahre nach Außerdienststellung der letzten Heimatschutzbataillone wurden 2021 die zwischenzeitlich aufgestellten Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte in Heimatschutzkräfte umbenannt. Im gleichen Zuge wurde ihre Anzahl von 30 Kompanien auf 42 erhöht. Mit dieser Wiederbelebung der Heimatschutztruppe reagierte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer unter anderem auf die zunehmende Bedrohung durch Russland. Ebenfalls wurde in diesem Zuge jungen Bundesbürgern und -bürgerinnen die Möglichkeit eröffnet, unter dem Motto „Dein Jahr für Deutschland“ einen freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz zu leisten. Damit gingen einher: keine Verwendung im Ausland und eine möglichst heimatnahe Stationierung.
Zunächst den 16 Landeskommandos der Bundeswehr unterstellt, eins in jedem Bundesland, wurden die Heimatschützer der Bundeswehr am 1. April 2025 in der neuaufgestellten Heimatschutzdivision des Heeres zusammengefasst. Durch diese Neuorganisation werden die Ausbildung der Reservistinnen und Reservisten vereinheitlicht und die Einsatzverfahren optimiert. Zudem kann unter einheitlicher Führung eine bessere Reaktion auf plötzlich auftretende Krisen erfolgen. Dabei sind die Zuständigkeiten zwischen Feldheer – gemeint sind die aktiven Divisionen des Heeres – und Heimatschutzdivision klar: Einsatzgebiet der Reservistinnen und Reservisten ist das deutsche Staatsgebiet, während die aktive Truppe im Verteidigungsfall an der Ostflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization operiert.
Die Heimatschutztruppe wächst. Dafür braucht es neben Gebäuden und Ausrüstung vor allem Menschen, die Strukturen mit Leben füllen. Bundesweit verteilt, ermöglichen die Heimatschutzkompanien motivierten und fitten Bürgerinnen und Bürgern, als Reservistin oder Reservist in der Bundeswehr zu dienen. Drei Wege können dabei zum Ziel führen: erstens die Vollzeitausbildung im Rahmen des freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz, zweitens die Ausbildung Ungedienter zum Wachsoldaten parallel zum zivilen Berufsleben und drittens die Beorderung in den Heimatschutz für alle, die bereits Soldatin oder Soldat waren.
Was passiert in Deutschland, sollten sich die Bundesrepublik und ihre Verbündeten gegen eine Aggression zur Wehr setzen müssen? Das ist im Operationsplan Deutschland geregelt. Während die aktive Truppe dann zur Abwehr des Feindes an die Grenzen der Allianz marschiert, braucht es aber auch Menschen, die in Deutschland für das Gelingen des Verteidigungsplans sorgen. Das übernehmen die Heimatschützer. Sie bewachen militärische Anlagen, wichtige Verkehrswege oder Energieinfrastruktur. So stellen sie sicher, dass Saboteure, Spione oder feindliche Kommandoeinheiten den Nachschub für die Truppe und die Versorgung der Bevölkerung nicht stören. Aber auch im Frieden können die Heimatschützer zivile Blaulichtorganisationen bei der Bewältigung von Naturkatastrophen oder Terrorlagen unterstützen.