Wachbataillon übt in Berlin: Soldatinnen und Soldaten trainieren den Ernstfall
Der Schutz von Regierungseinrichtungen, die Grundlagen des Wald- und Ortskampfes sowie Schutz und Transport von Schutzbefohlenen: Bei der Kompanieübung Operation: Bollwerk Bärlin II übte die 2. Kompanie des Wachbataillons in einer mehrtätigen Lage im Großraum Berlin ihren infanteristischen Auftrag im Spannungs- und Verteidigungsfall.

In der Stille des Truppenübungsplatzes hört man die Soldaten, bevor man sie im Dickicht entdeckt. Der gefrorene und teils verschneite Untergrund macht es ihnen nicht leicht, sich geräuschlos anzunähern. Insgesamt sechs von ihnen gleiten seitlich an einem Holzschuppen versteckt Richtung Waldkante und beobachten das nur knapp 200 Meter entfernte Bahnhofsgebäude. Es ist Winter auf der Ortskampfanlage in Lehnin, und das spüren sie alle deutlich. Der Spähtrupp ist Teil der 2. Kompanie des Wachbataillons. Seit zwei Stunden spähen die Soldaten das Angriffsziel bereits aus. Major Jan B. beobachtet die Soldaten aus der Distanz. Der Kompaniechef leitet die Übung und steuert per Funk und Tablet das Geschehen auf dem Truppenübungsplatz.
Operation: Bollwerk Bärlin II
Die Lage in Lehnin ist Teil einer 72-Stunden-Übung des Wachbataillons im Großraum Berlin. Mit den verschiedenen Übungslagen wolle man die unterschiedlichen Aufgabenfelder des Wachbataillons möglichst realistisch darstellen, so Major Jan B. „Vom Schutz von Regierungseinrichtungen über die infanteristischen Grundlagen des Waldkampfes und des Ortskampfes bis hin zum Schutz und der Verbringung von Schutzbefohlenen üben wir jede unserer Fähigkeiten.“ Die einzelnen Lagen seien realen Einsatzmöglichkeiten des Wachbataillons im Spannungs- oder Verteidigungsfall nachempfunden. Das Ziel der Übung sei es, die Zusammenarbeit untereinander zu kräftigen, die Operationsführung zu verbessern und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bei allen Teilnehmenden aufzubauen.
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Das Wachbataillon reagiert mit dieser und anderen Übungen auf die veränderte Bedrohungslage. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist eine mögliche Landes- oder Bündnisverteidigung Deutschlands deutlich realer geworden, und Berlin als Hauptstadt stellt ein strategisch wichtiges Ziel für feindliche Kräfte dar. Das Wachbataillon hätte in diesem Fall den Auftrag, die Einrichtungen des Bundes zu schützen, beispielsweise das Bundesministerium der Verteidigung. Daher gestalte der Verband die infanteristische Ausbildung für all seine Soldatinnen und Soldaten so, dass sie im Ernstfall handlungsfähig seien, erklärt B. Deswegen sei auch die ganze Kompanie von der Soldatin in der Spezialgrundausbildung bis zum Zugführer involviert, ergänzt der Kompaniechef.
Drohnen müssen mitgedacht werden
Vor allem am Krieg in der Ukraine habe man gesehen, dass die Arbeit mit Drohnen vom Gefechtsfeld nicht mehr wegzudenken sei. Daher hat Major Jan B. den Umgang mit eigenen und die Abwehr von feindlichen Drohnen sowie den Einsatz von Sprengfallen in die Übung eingebunden. Einerseits müsse man sie „als aktives Mittel für uns in der Aufklärung“ einsetzen, andererseits aber auch, „um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Drohnen auch von gegnerischen Kräften eingesetzt werden.“ Er betont: „Das muss man mittlerweile mitdenken.“
Digitaler Gefechtsstand
Um die vier parallel arbeitenden Züge zu koordinieren, nutzte das Wachbataillon bei dieser Übung zum ersten Mal ein digitales Lagebild. Mit einem Tablet und ausgeklügelter Software können taktische Führer in Echtzeit mit dem Gefechtsstand Daten austauschen und Lagebilder generieren. „Ganz ohne unseren Funk groß zu belasten“, schwärmt der Kompaniechef vom neuen System. Zurecht, denn damit kann man die eigenen Standorte und die vermuteten Positionen der aufgeklärten Feinde in Echtzeit übermitteln, beispielsweise an die eigenen Nachbarn sowie an die Führung. So könne man mit wenig Aufwand im Gefechtsstand eine zusammenhängende Gefechtsführung sicherstellen, lobt der Major.
Üben wie im Ernstfall
„Wenn man in Berlin operiert, dann muss man mit ganz vielen verschiedenen Faktoren arbeiten“, beschreibt Major Jan B. den Operationsraum des Wachbataillons. Von der Anmeldung der Übung über die zivile Lage in Berlin und die Kommunikation mit zuständigen Stellen bis hin zu Naturschutzregularien habe es vorab viel abzustimmen gegeben, erklärt der Kompaniechef. Man könne außerhalb von Übungsplätzen nicht einfach machen, was man wolle, sondern man müsse sich an die geltenden Regeln und Gesetze halten, betont er. „Das bedeutet für die Führungskräfte einen enormen Koordinierungsbedarf, eine enorme Flexibilität im Denken – und das versuchen wir durch so eine komplexe Übung, wie wir sie hier durchführen, dann auch darzustellen.“

Noch wurden die Soldatinnen und Soldaten nicht entdeckt. Sie positionieren sich für den Angriff auf die feindlichen Kräfte. Schnell werden die letzten Befehle per Handzeichen gegeben.
Bundeswehr/Serkan Heerer
Soldatinnen und Soldaten nutzen eine Leiter, um durch ein Fenster im ersten Stock des Gebäudes zu klettern und so die feindlichen Kräfte zu überraschen. Der Orts- und Häuserkampf ist beim Wachbataillon Teil der Spezialgrundausbildung.
Bundeswehr/Serkan HeererAuf den Straßen des Berliner Großstadtdschungels
Insgesamt gibt es bei der Übung mit dem Namen Operation: Bollwerk Bärlin II gleich drei Übungsstandorte: die kleinstädtisch wirkende Ortskampfanlage 1 auf dem Truppenübungsplatz in Lehnin, das an eine Miniatur-Großstadt erinnernde Übungsgelände „Fighting City“ der Polizeiakademie in Ruhleben und ein größeres, offenes Gebiet aus Wäldern und Dörfern bei Rüdersdorf. Startpunkt jeder Übungslage ist immer das Kompaniegebäude. Von dort aus verlegen die Soldatinnen und Soldaten per KFZKraftfahrzeug-Marsch in den jeweiligen Übungsraum und zurück. Die Lage ende nämlich erst, wenn der ganze Zug wieder in der Kaserne ist, erklärt der Kompaniechef die Übungsmodalitäten.
Der gesamte Operationsraum erstrecke sich damit über eine Distanz von über 70 Kilometer, sagt Major Jan B. Deswegen müssten beispielsweise die Fahrzeugeinteilung und die Route jedes einzelnen Trupps genau geplant werden. „Um möglichst schnell und vor allem gemeinsam ans Ziel zu kommen – trotz allem, was auf Berlins Straßen passieren kann“, betont der Offizier. Um von A nach B zu kommen, werden keine großen gepanzerten Fahrzeuge, sondern kleine Vans und Geländewagen genutzt. Der Major erklärt, man tue dies, um sich dem Straßenverkehr Berlins anzupassen und sich möglichst flexibel und agil bewegen zu können. Er schmunzelt: „Unfälle, Umleitungen und Staus gibt es zahlreich in der Hauptstadt – und die gehören dann halt mit zur Lage.“
Infanterist mit Protokollauftrag
Neben dem protokollarischen Ehrendienst für die Bundesregierung hat das Wachbataillon einen klaren infanteristischen Kernauftrag. Im Spannungs- und Verteidigungsfall schützt der Verband urbane Infrastruktur und transportiert schutzbefohlenes Personal, beispielsweise wichtige Vertreter der Regierung, innerhalb Berlins. Um diesen Auftrag zu erfüllen, bedarf es einer Reihe an unterschiedlichen Fähigkeiten.
Der Orts- und Häuserkampf erfordert enge Zusammenarbeit und schnelle Anpassung an verwinkelte Räume und unübersichtliche Gefahrensituationen. Das Wachbataillon nutzt Deckung, Feuerüberlegenheit und gezieltes Vorgehen, um Gebäude zu sichern, Gegner zu binden und das Gelände zu kontrollieren. Der Schwerpunkt des Trainings liegt darin, sich auf den Einsatz in der Hauptstadt vorzubereiten.
Wichtige Einrichtungen werden durch statische Posten, Patrouillen und schnelle Eingreifkräfte gesichert. Dabei kommen Sperren, Beobachtungsposten und abgestufte Verteidigungsmaßnahmen zum Einsatz, um Sabotage oder Angriffe abzuwehren. Soldatinnen und Soldaten trainieren hier auch den korrekten Einsatz von unmittelbarem Zwang und den Umgang mit der Zivilbevölkerung.
Durch gezieltes Vorgehen im Jagdkampf und Ortskampf werden feindliche Akteure identifiziert, isoliert und unter Kontrolle gebracht. Hierbei kommen taktische Bewegungen, Sperren und Zugriffstechniken zum Einsatz, um die Handlungsfähigkeit des Gegners zu reduzieren. Auch hier gehören Rechtskenntnisse zur Ausbildung.
Das Wachbataillon errichtet Verteidigungsstellungen, sichert Zufahrtswege und setzt Kontrollpunkte ein. Durch koordinierte Bewegungen und Feuerüberlegenheit wird verhindert, dass Feinde kritische Infrastruktur besetzen oder beschädigen können.
Die Kontaktaufnahme mit lokalen Entscheidungsträgern erfolgt durch geschulte Soldaten in Begleitung von Sicherungskräften. Ziel ist es, Vertrauen aufzubauen, Informationen zu gewinnen und Einfluss auf die Lage zu nehmen.
Eigene Kräfte werden unter Sicherung durch mobile Patrouillen oder Infanterietrupps aus kritischen Lagen herausgeführt oder verstärkt. Sperren, Feuerunterstützung und gestaffeltes Vorgehen sichern die Bewegungen ab. Beispielsweise wird das Absetzen und Aufnehmen von Kräften mit Fahrzeugen trainiert.
Schutz und Transport von Regierungsvertretern erfolgen durch eskortierende Kräfte, die den Marschweg sichern, Gefahrenzonen meiden und bei Bedrohung mit koordinierten Abwehrmaßnahmen reagieren. Oft wird hier mit der Militärpolizei und anderen Kräften zusammengearbeitet.
Beim Orts- und Häuserkampf werden Gebäude und Geländeabschnitte systematisch durchsucht. Soldaten bewegen sich in Teams, nutzen Deckung und setzen abgestimmte Sicherungs- und Zugriffstechniken ein. Zur Unterstützung werden oft Diensthunde eingesetzt.
Durch gezielte Jagdkampfoperationen und das Errichten von Kontrollpunkten werden verdächtige Personen überwacht und festgesetzt. Überraschung, Geschwindigkeit und abgestimmte Zugriffsverfahren sind dabei entscheidend und müssen immer wieder geübt werden.
Regelmäßige Fuß- oder Fahrzeugpatrouillen zeigen Präsenz, sammeln Informationen und sichern das Umfeld. Das Wachbataillon nutzt Patrouillen, um Feinde abzuschrecken, sichtbar in einem Gebiet Raum einzunehmen und Lageveränderungen frühzeitig zu erkennen.
Am Ende der Übung blickt Kompaniechef Jan B. zurück auf eine ereignisreiche und anstrengende Woche. Für ihn sei die Übung ein großer Erfolg gewesen. Mit jedem neuen Übungstag hätten die Soldatinnen und Soldaten seines unterstellten Bereichs den eigenen Erfahrungsschatz erweitern können, freut sich der Major. „Das macht sie in Zukunft nur zu noch professionelleren Akteuren.“ Fast alle von ihnen hätten trotz wenig Schlaf, der Eiseskälte und den fordernden Lagen von Anfang bis zum Ende durchgezogen und gezeigt, dass sie gefordert werden wollen, stellt er zufrieden fest. „Die Motivation in den Gesichtern – vom Teileinheitsführer bis hin zum Einzelschützen – hat am Ende der Woche für sich gesprochen.“