Einblicke ins Herz der offensiven Cyberkräfte der Bundeswehr
Einblicke ins Herz der offensiven Cyberkräfte der Bundeswehr
- Datum:
- Ort:
- Rheinbach
- Lesedauer:
- 3 MIN
Die Zeiten, in denen Hackerangriffe nur in Hollywood-Produktionen vorkamen, sind längst vorbei. Fast täglich wird über Cyberangriffe berichtet. Auch der Bundeswehr stehen Kräfte für aktive Cyberoperationen zur Verfügung, die gezielt auf fremde ITInformationstechnik-Systeme einwirken können. Im Interview verrät Kapitän zur See Sven Janssen, Kommandeur des Zentrums Cyber-Operationen, wie in seinem Zentrum das getan wird, was viele nur aus Blockbustern kennen.
Das Zentrum Cyber-Operationen, kurz ZCOZentrum Cyber-Operationen, wurde 2018 aufgestellt, um die Bundeswehr in die Lage zu versetzen, gezielt im Cyberraum zu wirken und dadurch Effekte in den Dimensionen Land, Luft, See und Weltraum zu erzielen. Als taktische Einheit im Cyber- und Informationsraum ist das Zentrum darauf spezialisiert, Schwachstellen in gegnerischen Computernetzwerken zum eigenen militärischen Vorteil auszunutzen. Die Mittel des ZCOZentrum Cyber-Operationen sind als Ergänzung zu konventionellen Waffensystemen zu sehen. Damit reiht sich das Zentrum ein in das moderne Gefecht der verbundenen Waffen und wird ebenso militärisch gesteuert. Kapitän zur See Sven Janssen ist seit Ende April Kommandeur des ZCOZentrum Cyber-Operationen. Im Interview erklärt er, wie die Spezialistinnen und Spezialisten für Cyberoperationen arbeiten.
Interview
Wer arbeitet im ZCOZentrum Cyber-Operationen und welchen Auftrag haben Sie?
Das ZCOZentrum Cyber-Operationen benötigt, wie jede militärische Einheit, Spezialistinnen und Spezialisten aus vielen Bereichen: Auch hier muss die Versorgung sichergestellt und die ITInformationstechnik-Infrastruktur betrieben werden. Den Fachauftrag nehmen jedoch die sogenannten Cyberoperateure wahr. Sie sind es, die tatsächlich im Cyberraum aktiv werden können – also diejenigen, die man landläufig als „Hacker“ bezeichnen würde. Der Kernauftrag des ZCOZentrum Cyber-Operationen ist es, über den Cyberraum militärische Ziele zu erreichen – zum Beispiel, indem gegnerische Kommunikations- oder Waffensysteme abgeschaltet oder manipuliert werden, noch bevor konventionelle Streitkräfte aktiv werden. Im ZCOZentrum Cyber-Operationen geht es folglich nicht um die Abwehr fremder Hacker, sondern um offensive Operationen zum Vorteil auf dem militärischen Gefechtsfeld.
Was macht die Arbeit des ZCOZentrum Cyber-Operationen gerade heute so wichtig?
Gerade in der modernen Kriegsführung ist rein konventionelle Waffenwirkung allein nicht mehr ausreichend. Offensive Cyberoperationen im Rahmen einer hybriden Kriegsführung haben den Vorteil, dass Operationen aus der Distanz präzise und bei Bedarf auch reversibel durchgeführt werden können. Diese Flexibilität und Skalierbarkeit machen Cyberoperationen zu einem wichtigen Instrument der Landes- und Bündnisverteidigung.
Was ist mit Skalierbarkeit gemeint?
Skalierbarkeit bedeutet, dass sich gegnerische Informationstechnik über den Cyberraum gezielt und kontrolliert beeinflussen lässt: Man kann bestimmen, in welchem Umfang, zu welchem Zeitpunkt und über welche Dauer eine Wirkung erzielt werden soll. Anders als bei klassischen Waffenwirkungen kann die Wirkung im Cyberraum über längere Zeit aufrechterhalten und sehr genau gesteuert werden.
Wie läuft eine Cyberoperation ab?
Eine Cyberoperation beginnt mit der Auswahl eines Ziels und der gewünschten Wirkung. Es folgt eine intensive Aufklärungsphase, in der Informationen über das Zielnetzwerk gesammelt werden. Erst wenn die Wirkung durch politische Akteure freigegeben ist, wird das Ziel manipuliert, um Effekte zu erzielen. Solche Operationen erfordern Wochen oder Monate der Vorbereitung und werden nach den Grundsätzen des Kriegsvölkerrechts geprüft und freigegeben. Ad-hoc-Aktionen sind hier nicht möglich – jede Cyberoperation wird sorgfältig geplant und juristisch bewertet.
Wie stellt das ZCOZentrum Cyber-Operationen sicher, dass seine Operationen im Einklang mit nationalem und internationalem Recht stehen?
Die Mittel des ZCOZentrum Cyber-Operationen unterliegen denselben rechtlichen Restriktionen wie jedes andere militärische Wirkmittel. Für alle Operationen gelten unter anderem das Kriegsvölkerrecht und das humanitäre Völkerrecht. Ziel ist es auch hier, Kollateralschäden zu vermeiden. Jede geplante Maßnahme wird sorgfältig geprüft und dokumentiert; die rechtliche Bewertung ist integraler Bestandteil der Arbeit im ZCOZentrum Cyber-Operationen.
Wie hat sich das ZCOZentrum Cyber-Operationen seit seiner Gründung 2018 entwickelt?
Seit seiner Gründung hat sich das ZCOZentrum Cyber-Operationen von der Gruppe für Computernetzwerkoperationen zu einer voll einsatzbereiten militärischen Einheit entwickelt – mit klaren Strukturen, festgelegter Ausbildung und etablierten Abläufen. Die Erprobung und Nutzung neuartiger Technologien zur Steigerung von Effizienz und Wirkung, wie zum Beispiel der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, sind im ZCOZentrum Cyber-Operationen längst Bestandteil etablierter Prozesse. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich der Fokus noch einmal verschärft: Das ZCOZentrum Cyber-Operationen bereitet sich darauf vor, auch unter Bedrohungslagen einsatzfähig zu bleiben, etwa durch mobile und dezentrale Strukturen. Ziel ist es, auch dann handlungsfähig zu sein, wenn der eigene Standort nicht mehr sicher ist. Diese Anpassungen bereiten wir aktuell vor.