Heer
Im Terelj-Nationalpark

Hochgebirgsjägerzug trainiert mongolische Gebirgstruppe

Hochgebirgsjägerzug trainiert mongolische Gebirgstruppe

Datum:
Ort:
Ulaanbaatar
Lesedauer:
7 MIN

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„Unsere Ausbildung mit den mongolischen Kameradinnen und Kameraden ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.“ Stabsfeldwebel Sebastian Sachse ist Zugführer des Hochgebirgsjägerzugs aus Mittenwald. Mit seinem Team verantwortet er das Gebirgstraining im Terelj-Nationalpark, knapp 6.500 Kilometer von Zuhause entfernt. Bergsteigen, Bergrettung, Gebirgskampf: wichtige Fähigkeiten für die mongolische Gebirgsjägertruppe.

Ein deutscher Soldat zeigt mongolischen Kameraden, wie man sich auf einem Seilsteg fortbewegt.

Der Zugführer des Hochgebirgsjägerzuges aus Mittenwald zeigt mongolischen Soldaten, wie man sich über einen einfachen Seilsteg bewegt

Bundeswehr/Marco Dorow

Der Terelj-Nationalpark liegt im Norden der Mongolei unweit der Hauptstadt Ulaanbaatar. Die geografischen Gegebenheiten sind ideal für die Gebirgsausbildung der Soldatinnen und Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 233. Sie trainieren derzeit mongolische Kameradinnen und Kameraden aus der Westmongolei im militärischen Bergsteigen und folgend im Gebirgskampf. In diesem Jahr liegt diese Ausbildung im Fokus der Ausbildungsunterstützung des Mobile Training Teams Mongolei, denn dort werden die Kernfähigkeiten der Gebirgsjägertruppe geschult. „Hier im Terelj-Nationalpark geht es darum, die Soldaten in den alpinen Verfahren und wichtigen Gebirgstechniken weiterzubringen. Das heißt: schwierigere Routen klettern, Gebirgskampf trainieren und auch die Bergrettung schulen“, erklärt der gesamtverantwortliche Kontingentführer, Oberstleutnant Johannes Schwegler, der bereits seit 2019 die Mission auf deutscher Seite anführt.

Vom Leichten zum Schweren

Drei mongolische Soldaten überprüfen auf einer Anhöhe die eigene Kletterausrüstung.

Auch in der Mongolei muss vor jedem Anstieg die eigene Ausrüstung überprüft werden

Bundeswehr/Marco Dorow

Dabei werden die mongolischen Kameraden in zwei Gruppen unterteilt. Auf der einen Seite steht die Ausbildungsgruppe der erfahrenen Führer, die die gesamten sechs Wochen im Gebirge verbringt. Wenn 2024 die Ausbildung erfolgreich beendet sein wird, werden diese Führungskräfte dazu befähigt sein, als Multiplikatoren das Erlernte in der eigenen Truppe weiterzugeben und selbst die Gebirgsjägerausbildung zu leiten. Auf der anderen Seite steht eine Basisgebirgsausbildung, an der die Soldaten teilnehmen, die nach drei Wochen zum Schieß- und Jagdkampftraining an das Peace Support Operation Training Center wechseln. Die Ausbildung folgt generell dem Schema vom Leichten zum Schweren. „Wir starten mit einem Training zur Gebirgsbeweglichkeit und bewegen uns dann in immer schwierigerem Gelände. Gleichzeitig geben wir den Mongolen Tipps und Tricks mit an die Hand, um die Geländeabschnitte richtig zu überwinden, sowohl im Auf- als auch im Abstieg“, erklärt Zugführer Sachse.

Wille und Selbstdisziplin

Drei mongolische Soldaten bereiten an einem Fels ihre Sicherheitsseile für den Aufstieg vor.

In Dreier-Seilschaften, also immer drei Soldaten aneinandergebunden, geht es das 250 Meter fußläufige, schroffe Massiv hinauf

Bundeswehr/Marco Dorow

In kürzester Zeit lernen die einheimischen Kameraden Ausbildungsinhalte, die in Deutschland mehrere Monate in Anspruch nehmen. Entsprechend ist auch das Trainingsniveau weit höher als in der 6.500 Kilometer entfernten Heimat. „Das funktioniert aber auch nur, weil hier speziell ausgewähltes Personal angereist ist“, sagt der Ausbildungsleiter. Nur mit dem nötigen Willen, einer ordentlichen Packung Selbstdisziplin und der Fähigkeit, Erlerntes schnell umzusetzen, kann die Ausbildung zum Erfolg führen. „Jede leichtfertige Bewegung, Unachtsamkeit oder Selbstüberschätzung kann hier dramatische Folgen haben“, sagt der anwesende Notfallsanitäter. Was das bedeutet, merken die Kameraden schnell. Bereits bei den ersten Aufstiegen steht nicht wenigen der Schweiß im Gesicht. In Dreier-Seilschaften, also immer drei Soldaten aneinandergebunden, geht es das 250 Meter fußläufige, schroffe Massiv hinauf. Dabei befestigt der vorn eingesetzte Kamerad die Seile am Felsen, sodass die ihm folgenden Soldaten im Fall eines Sturzes aufgefangen werden können. Er selbst wird zuvor durch seine zwei Kameraden hinter ihm mit dem Seil von Haken zu Haken gesichert.

Hoher Schwierigkeitsgrad

Zwei mongolische Soldaten schauen eine steile Felswand herauf.

Überaus große Schwierigkeit: Im Terelj-Nationalpark klettern die mongolischen Soldaten nach der UIAA-Skala im Bereich zwischen Stufe 4 und 6.

Bundeswehr/Marco Dorow

Plötzlich ruft jemand „Stein!“ Jetzt müssen sich alle eine Deckung suchen und ihre Köpfe einziehen. Von oben regnet es Gesteinsbrocken, allerdings nur kleine. Die Ausbildung ist nichts für schwache Nerven. Nach der Schwierigkeitsskala im Bergsteigen, definiert durch die Internationale Union der Alpinismusvereinigungen (bekannt als UIAA), bewegen sich die Auszubildenden im Terelj-Nationalpark im Bereich zwischen den Stufen 4 und 6. Laut offizieller UIAA-Skala heißt es über die Stufe 6: „Überaus große Schwierigkeit. Die Kletterei erfordert weit überdurchschnittliches Können und hervorragenden Trainingsstand. Passagen dieser Schwierigkeit können in der Regel nur bei guten Bedingungen bezwungen werden.“

Nach knapp 90-minütigem Aufstieg stehen die mongolischen Kameraden erfolgreich auf dem Gipfel des Massivs. Nach kurzer Verschnaufpause und anschließender Auswertung muss nun der Abstieg geplant werden. Herunter geht es oft schneller als herauf, allerdings ist diese Phase meist die gefährlichste. Dazu müssen die Soldaten zunächst einmal die richtige Abseilstelle finden. Hier unterscheiden die Gebirgsprofis zwischen natürlichen und künstlichen Fixpunkten, an denen ein Abstieg mit dem Seil gewährleistet werden kann. Zu den natürlichen Fixpunkten gehören gesunde Bäume, die mindestens 25 Zentimeter dick sind und als Tiefwurzler gelten sowie massive Felsköpfe. Der klassische künstliche Fixpunkt ist ein in den Stein geschlagener Haken. Ist die Stelle zum Abseilen gefunden, wird zunächst ein Kamerad langsam mit dem Seil heruntergelassen. Sein Auftrag ist es, den Abstiegsweg genau zu sondieren und zu prüfen, wie weit die Soldaten mit einer Seillänge von maximal 40 Metern kommen. Reicht die Seillänge nicht, muss eine Zwischenebene gefunden werden, um von dort eine weitere Abseilstelle zu finden. Unten angekommen, ruft der mongolische Kamerad: „Ols Sularalaa!“ Das bedeutet, das Seil ist frei. Jetzt können die obenstehenden Soldaten ihren sicheren Abstieg beginnen und werden dabei zusätzlich durch den bereits unten angekommenen Bergsteiger gesichert.

Ein Team

Mehrere mongolische Soldaten ziehen an einem Seil.

Im Team geht es besser: Mit vereinten Kräften befestigen die mongolischen Soldaten einen doppelten Seilsteg.

Bundeswehr/Marco Dorow

Oberstabsgefreiter Julia Ulbrich ist im Terelj-Nationalpark die Hilfsausbilderin. Sie selbst war schon zweimal in Mali im Einsatz. Dennoch ist die Gebirgsausbildung in der Mongolei für sie etwas völlig Neues. „Die mongolischen Gegebenheiten sind für uns eine neue Erfahrung. Ob es die schroffen Felsen sind, die das Klettern insgesamt erschweren und das Klettermaterial schneller verschleißen lassen oder die starken und plötzlich auftretenden Winde, die einem jederzeit den Halt nehmen können. Wir lernen hier jeden Tag dazu.“ Aber auch die Ausbildung mit den Mongolen in einem fremden Land sei für die Soldatin ein Gewinn, bei dem sie sich auch persönlich weiterentwickle. „Es macht mir großen Spaß, mit den mongolischen Kameraden zusammenzuarbeiten. Sie sind hoch motiviert und sehr wissbegierig. Und auch nach dem Dienst trennen sich unsere Wege nicht. So organisieren wir beispielweise gemeinsame Events wie gestern erst. Da haben wir ein Volleyballturnier veranstaltet. Letztlich sind wir zuerst alles Kameraden, da ist die Nationalität egal.“ Das sieht auch der mongolische Hauptfeldwebel Tsogtsaikhan Nyamdavaa so. Er ist seit Beginn der Mission in die Ausbildung integriert: „Ich bin dankbar für die deutsche Gebirgsjägerexpertise. Wir haben ein erst junges Gebirgsjägerbataillon im Westen der Mongolei und wir brauchen diese Ausbildung. Wir lernen viel von den Kameraden, und trotz der Sprachbarriere sind wir am Berg alle ein Team. Da merkt man keine Unterschiede zwischen den deutschen und mongolischen Soldaten.“

Besondere Gesteinsarten

Ein mongolischer Soldat seilt sich auf felsigem Untergrund ab.

Hauptfeldwebel Tsogtsaikhan Nyamdavaa kennt sich gut aus mit den geographischen Gegebenheiten im Terelj-Nationalpark

Bundeswehr/Marco Dorow

Auch für den Zugführer und verantwortlichen Ausbilder, Stabsfeldwebel Sachse, ist die Ausbildung in der Mongolei eine Win-win-Situation: „Während wir unseren einheimischen Kameraden viel beibringen, gibt es einiges, was auch wir dazulernen. Zum Beispiel die Weiten, die man hier zurücklegen muss oder auch die Besonderheiten einiger Gesteinsarten. Hier gibt es eine Art Sandstein, der in Verbindung mit der UV-Strahlung und der Witterung unserer Kletterausrüstung sehr zusetzt und sie verschleißt. Auch das Bohren von Löchern für Haken wird durch diesen Typ erschwert. Das sind alles neue Erfahrungen, die wir auch mit nach Deutschland nehmen werden und von denen wir profitieren.“ Wie stark die binationale Gemeinschaft zusammensteht, merkt man beim Training zur Bergrettung. Hier müssen alle zusammenarbeiten. Ist ein Kamerad auf dem Berg verletzt, müssen alle an einem Strang ziehen, um den Verletzten sicher an den Fuß des Berges zu bekommen. Da wird im Notfall auch mal mit Händen und Füßen kommuniziert, wenn ein Sprachmittler nicht gleich zur Stelle ist. Bereits nach wenigen Tagen sind alle Beteiligten eine eingespielte Gemeinschaft.

Hochgebirge als nächster Schritt

Eine deutsche Soldatin sitzt auf der Spitze eines Berges.

Oberstabsgefreiter Julia Ulbrich ist bei der Gebirgsausbildung im Terelj-Nationalpark Hilfsausbilderin. Sie möchte gern im nächsten Jahr fürs Hochgebirge wiederkommen.

Bundeswehr/Marco Dorow

Was die Ausbildung ab 2023 angeht, sind sich alle einig. „Wir müssen im nächsten Jahr in das Hochgebirge gehen, um die Entwicklung beizubehalten“, sagt Sachse. „Bei uns im Westen der Mongolei haben wir das Altai-Gebirge. Das bietet beste Bedingungen für den nächsten Ausbildungsschritt. Dort haben wir auch Gletscher, die für Gebirgsjäger die größten Anstrengungen darstellen. Wir würden uns freuen, wenn wir bald in unserer Heimat ausbilden“, ergänzt Nyamdavaa. Besonders gefährlich sind tiefe Gletscherspalten, also spaltartige Öffnungen in der Gletscheroberfläche, die mit Schnee bedeckt sind und daher nicht gleich sichtbar. Entsprechend ist auch für die Kameraden des mongolischen Gebirgsjägerbataillons 331 eine Ausbildung in solchen Extremsituationen besonders wichtig.

Rettungskette geplant

Ein mongolischer Soldat fährt über eine Seilrutsche von einem zum nächsten Felsvorsprung.

Im Mittelgebirge des Terelj-Nationalparks im Osten Ulaanbaatars gibt es beste Voraussetzungen zur Seilrutschenausbildung. Im Hochgebirge im Westen der Mongolei werden andere Anforderungen vorherrschen.

Bundeswehr/Marco Dorow

Allerdings gibt es für diese Planungen noch einige Hindernisse, wie der Kommandeur des Bataillons aus Sagsai, Oberstleutnant Khorolgarav Zoljargal, weiß: „Unser örtliches Krankenhaus entspricht nicht den Standards, die für deutsche Soldaten vorgegeben sind. Wir planen derzeit eine Rettungskette, um bei möglichen Unfällen die Kameraden schnell via Lufttransport nach Ulaanbaatar bringen zu können. Dieser Plan muss aber zunächst von offizieller Seite beider Länder abgesegnet werden. Erst dann können wir die Ausbildung im Hochgebirge realisieren.“

Ob im Altai-Gebirge, in den Alpen oder doch wieder im Terelj-Nationalpark – am Ende ist allen Beteiligten klar, die Ausbildung muss weitergehen. „Wenn ich die Chance habe, möchte ich auch im nächsten Jahr wiederkommen“, bestätigt Hilfsausbilderin Ulbrich. „Wir haben einen Auftrag und diesen werden wir bis 2024 erfüllen“, verdeutlicht auch der Kontingentführer Oberstleutnant Schwegler. Und auch auf mongolischer Seite ist die Richtung vorgegeben: „Wir möchten ab 2024 selbst unsere Truppe ausbilden können, und dafür müssen wir gemeinsam und erfolgreich die Mission ,Gebirgsjägertruppe für die Mongolei‘ ins Ziel bringen“, betont Nyamdavaa.

Blick entlang einer unbefestigten Dorfstraße, an einem Hang stehen Häuser und eine Jurte.

Die Mongolei ist sehr dünn besiedelt. Auf dem Land leben nur noch etwa 20 Prozent der Menschen als Nomaden, 30 Prozent in den Zentren der Provinzen oder in kleinen Dörfern. Aber knapp 50 Prozent der Mongolen wohnen in der Hauptstadt.

Bundeswehr/Marco Dorow
von Maximilian Kohl

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