Heer
Auf riskanter Fahrt

Mit dem Kampfpanzer unter Wasser

Mit dem Kampfpanzer unter Wasser

Datum:
Ort:
Bad Salzungen
Lesedauer:
8 MIN

Der Gefechtsdienst mit dem Kampfpanzer ist für die Soldatinnen und Soldaten des Panzerbataillons 393 aus Bad Frankenhausen absolute Routine. Diese Ausbildung ist jedoch auch für die erfahrenen Besatzungen nicht alltäglich: Auf dem Übungsplatz in Bad Salzungen trainieren sie erstmalig die Fahrt mit dem Leopard 2 A7V – durch ein Gewässer. Schafft der fast 64 Tonnen schwere Panzer die Fahrt unterhalb der Wasseroberfläche?

Ein nasser Panzer steht nach einer Durchquerung eines Gewässers am Ufer in der Sonne.

In Bad Salzungen üben Panzerbesatzungen aus dem Panzerbataillon 393 erstmalig die Unterwasserfahrt mit ihrem Kampfpanzer Leopard 2 A7V

Bundeswehr/Mario Bähr

Anspannung liegt in der Luft. Ein Kampfpanzer Leopard 2 A7V fährt aus der Deckung hangabwärts auf das Seeufer zu. Er hat an der Oberseite einen merkwürdig aussehenden Turm montiert, aus dem der Kommandant des Fahrzeuges blickt. Binnen Sekunden ist der Leopard im Wasser und kaum noch zu sehen. Wie funktioniert das? Hält der Panzer dicht?

Wir sind auf dem Übungsplatz bei Bad Salzungen. Heute fahren alle 25 Minuten Kampfpanzer durch einen Stausee, der von oben betrachtet aussieht, wie ein Flussabschnitt. Die Soldaten üben hier die Unterwasserfahrt mit ihrem Gefechtsfahrzeug. Sie wird in der taktischen Lage dann angewandt, wenn Pionierkräfte zum Übersetzen an einem bestimmten Ort im Gefecht nicht zur Verfügung stehen und die Durchfahrt aus eigenen Kräften möglich und taktisch nötig ist. Somit kann die Panzertruppe ihren Auftrag zeitnah fortsetzen.

Zurück in der Deckung. Hier beziehen die Panzerbesatzungen mit ihrem Gefechtsfahrzeug Stellung, sprich sie positionieren sich an einem gedeckten Ort im Unterholz in der Nähe des Stausees. Vorher haben sie eine Zusatzausstattung für die Unterwasserfahrt erhalten. Diese haben die Kampfpanzer nicht immer an Bord, sondern sie wird meist von den Unterstützungskräften für den Fall der Fälle mitgeführt. Dazu gehören unter anderem der Tauchschacht sowie Atemretter und Schwimmwesten für die Besatzungen. Atemretter werden auch Sauerstoffselbstretter genannt, kleine Atemschutzgeräte mit Drucksauerstoff.

Aufwendige Vorbereitung

Was man noch nicht erkennt: Bevor es mit dem Panzer ins Wasser geht, bedarf es der Vorbereitung, ohne die kein Leo ein Gewässer ab einer Tiefe von mehr als zwei Metern durchqueren kann. Und die braucht ihre Zeit. Die vier Soldaten auf dem Panzer gehen gemeinsam eine detaillierte Prüfliste nach Vorschrift durch. Sie beinhaltet alles, was mit der Unterwasserfahrt zu tun hat. Dazu gehört die Funktionsprüfung der zentralen hydraulischen Anlage, die den Panzer komplett abdichtet. Auch die Motorluftansaugung, die bei jedem Leopard 2 hinten auf der Wanne sitzt, funktioniert dann nicht mehr, damit der Motor kein Wasser zieht. Machen die Soldaten einen Fehler, kann es für die Besatzung gefährlich werden.

In dem Tauchschacht, der aussieht wie ein Turm, sitzt der Kommandant. Unterwasser ist der Schacht die einzige Verbindung des Panzerinnenraums mit der Luft. Die Besonderheit: Auch der Motor wird durch diesen Aufbau während der Fahrt mit Frischluft versorgt. Sein Durchzug ist auf dem Kommandantenplatz regelrecht zu spüren. Das Rohr ist aus Aluminium gefertigt, stabil, aber nicht „kugelsicher“ und nicht erweiterbar. Er wird während der Vorbereitung mit einem Drehmomentschlüssel festgezogen. Eine Sicherung verhindert dann, dass die Kommandantenluke versehentlich geschlossen wird und der 1.500 PS starke Motor die komplette Kampfraumluft binnen Sekunden leersaugt. Das ist die große Gefahr für die Besatzung. Der abrupte Sauerstoffmangel würde sofort zur Erstickung der Soldaten führen. Damit dies nicht geschieht, würde eine Sicherung den Motor im Ernstfall innerhalb einer Sekunde ausschalten.

Auch das Periskop, die sensible und präzise Optik des Panzers, wird mit einer Tauchkappe geschützt vor Dreck, Schmutz und Beschädigung, beispielsweise durch Treibgut. Die 120-mm-Bordkanone wird maximal nach oben geneigt. Sie und der Durchbruch für das Blenden-Maschinengewehr werden zusätzlich mit einer Kappe abgedichtet. Der Lüfter, der ansonsten den durch die MG-Schüsse entstandenen Feinstaub absaugt, wird geschlossen. Auch das Schutzgitter innen zwischen dem Kommandanten und dem Ladeschützen wird im Vorhinein ausgebaut, damit der Rettungsweg frei ist.

Zudem wird nach dem Anbringen des Tauchschachts geprüft, ob er fest sitzt. Sind alle Entwässerungsschrauben verschlossen? Funktionieren die Pumpen, die das Wasser, das eventuell eindringt, nach außen fördern? Wenn alles sitzt, bereitet sich die Besatzung vor und legt ihre Schutzausstattung an. Die Luken werden geschlossen. Sie sind abgedichtet und lassen kein Wasser rein. Dann ist die Besatzung bereit, durch das Gewässer zu fahren. 
Im Ernstfall dauert die Vorbereitung des Panzers rund 30 Minuten, wenn er seine Ausstattung schon dabeihat. „Nach zwei Wochen Ausbildung sitzt bei der Besatzung jeder Handgriff“, erklärt der Alpha-Zugführer der 3. Kompanie im Panzerbataillon 393, Oberleutnant Max A. Heute leitet er die Unterwasserfahrausbildung.

Wer nicht schwimmt, der rollt

Ein Panzer mit einem Turm steht auf einer grünen Wiese in der Sonne.

Während der Unterwasserfahrt hält der Kommandant im Tauchschacht die Verbindung mit der Besatzung im Panzer

Bundeswehr/Mario Bähr

Nicht jedes Gefechtsfahrzeug der Bundeswehr hat die Fähigkeit, unter Wasser zu fahren. Manche können nur durch flache Gewässer, wenige Dezimeter waten. Manche hingegen können sogar schwimmen. Gewisse Modelle des Transportpanzers Fuchs sind dazu in der Lage. Das kann der Leo nicht. Er wiegt fast 64 Tonnen und muss sich auf dem Grund des Gewässers bewegen. Nach dem Signal zur Durchfahrt geht es daher direkt nach unten Richtung Grund. Dann wird es plötzlich ziemlich ruhig. „Der Dicke“ hört auf zu grummeln und ist dann nicht mehr viel lauter als ein Segelboot.

Der Leopard 2 A7V kann bis zu vier Meter tiefe Gewässer durchqueren – auch bei Strömung. Der Stausee in Thüringen ist ein künstliches Gewässer mit festem Untergrund. Seine Tiefe beträgt reichlich drei Meter. Ist der Panzer einmal voll im Wasser, ist nicht mehr viel von ihm zu sehen, außer die Mündung der Bordkanone und der Tauchschacht mit dem Kommandanten. Bei vier Meter sind fast das gesamte Tauchrohr und die Bordkanone unter Wasser. Letztere ist dabei maximal hoch geneigt und arretiert. Zum einen wird damit verhindert, dass die Bordkanone bei einer steilen Ein- und/oder Ausfahrt den Gewässerboden oder/und die Uferzone berührt und damit beschädigt wird. Und zum anderen ist die Bordkanone hoch aufgestellt, damit die Panzerbesatzung bei einem Notfall mehr Platz hat, den Panzer schnell zu verlassen (ausbooten genannt), weil der innere Teil der Kanone nicht mehr so in den Innenraum hineinragt.
Volle Konzentration wird vom Kraftfahrer verlangt. Er muss den Motor auf einer bestimmten Drehzahl in einem festgelegten Gang halten, um sich im schlammigen Untergrund des Flussbetts nicht festzufahren. Die Ketten müssen konstant drehen, der Panzer darf nicht stehenbleiben. Während der Fahrt hat der Kraftfahrer keine Sicht nach draußen. Er muss sich blind auf die Anweisungen des Kommandanten verlassen können, der den Kraftfahrer mit Informationen durch den Blick ins Gelände versorgt.

Das macht die Besatzung im Notfall

Das Ausbooten ist für die Besatzung im Notfall die einzige Möglichkeit, den Panzer rasch, aber geordnet und ruhig zu verlassen, um nicht zu ertrinken. Die Sicherheitsvorkehrungen sind gerade in der Ausbildung sehr hoch. Sämtliche Abläufe werden in der Vorausbildung gedrillt. Jeder Soldat, der auf dem Leopard 2 dient, muss sie vor einer solchen Fahrt durch ein Gewässer sicher beherrschen. Beispielsweise müssen die Soldaten im Training mit verbundenen Augen einen Weg aus dem Inneren des Kampfpanzers finden. Die gesamte Besatzung schafft es, binnen 50 Sekunden das Fahrzeug zu verlassen. Damit erhält jeder von ihnen auch selbst die Sicherheit und das Vertrauen in sich, seine Kameraden und in das Fahrzeug. Das Ziel ist immer, dass im Notfall alles so funktioniert, wie geübt.
Komplikationen sind extrem selten. Unerwartet kann zum Beispiel der tiefe Schlamm zu einer noch tieferen Fahrt führen. Bei starker Strömung besteht die Gefahr, gerade bei weichem Untergrund, dass der Panzer umkippt.

Was tun, wenn der Panzer sich binnen kürzester Zeit mit Wasser füllt? Dann wird es dunkel. Denn das Flusswasser ist nicht klar, sondern braun gefärbt durch Schlamm. Der Innenraum füllt sich rasch. Jetzt handeln die Soldaten nach einem festen Notverfahren. Zunächst verlässt der Kommandant den Tauchschacht. Er muss als erster raus, um für die anderen Platz zu machen. Ladeschütze, Richtschütze und zuletzt Kraftfahrer, der ganz unten und vorn in der Wanne sitzt, müssen die Wanne über den Panzerturm durch den Tauchschacht verlassen.
Der vorbereitete Atemretter wird innerhalb von Sekunden angelegt. Währenddessen hat sich das Innere des Panzers komplett mit Wasser gefüllt. Damit ist der Druck ausgeglichen und die Soldaten müssen sich jetzt den Weg durch das Innere des Panzers bahnen. Dabei atmen sie durch den Atemretter, eine Art Blasebalg, der die ausgeatmete Luft mit Sauerstoff anreichert und das Atmen unter Wasser bis zu 90 Minuten ermöglicht. Die Soldaten dürfen dabei keine Panik bekommen, sondern müssen sich Schritt für Schritt auf den Weg nach draußen bahnen.

Vertrauen in sich und die Technik

Ein Soldat mit Sprechsatz steht wie in einer Tonne.

Nur der Panzerkommandant im Tauchschacht kann während der Gewässerfahrt etwas sehen. Er ist per Funk mit der Besatzung im Inneren des Panzers verbunden.

Bundeswehr/Lena Schiehandl

Das Ausbooten, also Aussteigen, ist auch in der Ausbildung eine Herausforderung. Beispielsweise der richtige Umgang mit dem Atemregler oder Atemretter. Das lernen die Soldaten während einer erweiterten Schwimmausbildung mit Prüfung. Hier müssen sie zeigen, dass sie die Abläufe ohne Stress beherrschen. Am Anfang haben viele Soldaten vor der Situation Respekt, besonders wenn der Panzer unter Wasser mal nicht ganz dicht ist und wenige Tropfen eindringen. Aber spätestens, wenn das Atmen mit dem Atemretter und das Ausbooten mehrfach geübt wurde, hat sich das gelegt. Die Besatzungen kennen ihren Panzer schließlich in- und auswendig. Durch diese Ausbildung wächst nochmal das Vertrauen in die Technik und sich selbst.

Sobald der Panzer das Gewässer verlässt, geht er zügig in die nächstgelegene Deckung und die Besatzung stellt wieder die volle Gefechtsbereitschaft her. Nicht mal eine Minute dauert die Durchfahrt des circa 100 Meter breiten Gewässers. Der Organisationsaufwand für eine Woche Ausbildung, die parallel zu den diesjährigen Übungen als Schnelle Eingreiftruppe der NATO (VJTFVery High Readiness Joint Task Force -Übungen) läuft, ist hingegen enorm und zeitaufwendig. „Für uns ist diese Übung dennoch eine gute Abwechslung zum normalen Gefechtsdienst. Wir kommen auf diese Weise wieder zu den Basics zurück und vermitteln unser Wissen sowohl den neuen Kameraden als auch den erfahrenen, die damit die Möglichkeit erhalten, ihr Wissen und Können aufzufrischen und auszubauen“, erklärt ein. Diese Sicherheit wird zusätzlich vor Ort durch die Pioniertruppe mit dem Bergepanzer und durch regionale Unterstützungskräfte verstärkt. So wurde die Übung durch Polizeitaucher und durch Rettungskräfte der verbandsinternen Wasserwachtgruppe des Deutschen Roten Kreuzes in Südthüringen unterstützt.

Unterwasserfahrt mit dem Leopard 2 A7V

  • Ein Panzer fährt bei Sonne auf einem Weg, obenauf ist quer festgezurrt der Tauchschacht.

    Kurz vor der Unterwasserfahrt trägt der Leopard 2 seine Zusatzausstattung mit in die Deckung

    Bundeswehr/Mario Bähr
  • Auf einem Panzer in einem Wald stehen drei Soldaten und bringen ein Rohr auf einer Luke an.

    Der Tauchschacht wird erst kurz vor der Unterwasserfahrt in der Deckung an dem Panzer angebracht

    Bundeswehr/Mario Bähr
  • Auf einem Panzer im Wald stehen vier Soldaten und legen Schwimmwesten und Atemgeräte an.

    Neben dem Atemretter legen die Besatzungsmitglieder vor der Unterwasserfahrt eine Schwimmweste an

    Bundeswehr/Mario Bähr
  • Ein Panzer fährt durch ein tiefes Gewässer. Das Endstück der Kanone und ein Turm sind zu sehen.

    Bis zu vier Meter tiefe Gewässer kann der Kampfpanzer Leopard 2 selbstständig mit der Zusatzausstattung überwinden

    Bundeswehr/Mario Bähr
von Peter Müller

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