Luftwaffe
Interview

Kommodore Oberst Björn Andersen: „Enorme Herausforderung und tolle Erfahrung“

Kommodore Oberst Björn Andersen: „Enorme Herausforderung und tolle Erfahrung“

Datum:
Ort:
Australien
Lesedauer:
6 MIN

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Ende Juni geht es los. Dann starten fünf Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ im Zuge der Übungsserie Pacific Skies 24 zunächst in Richtung Alaska. Nach dortigen Übungsflügen geht es weiter zu Übungen in Australien und Indien. Längst laufen im Geschwader die Vorbereitungen. Zugleich ist die Vorfreude groß, weiß Kommodore Oberst Björn Andersen zu berichten.

Ein Kampfjetpilot steht unter einem Eurofighter

Oberst Björn Andersen führt als Kommodore das Taktische Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“, welches sich mit fünf Eurofightern an der Übung Pitch Black in Australien und Tarang Shakti in Indien beteiligt

Bundeswehr/Sebastian Thomas

Herr Oberst, welche Bedeutung hat die Teilnahme an Pacific Skies 24 für den Verband?

Das Taktische Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ wird während Pacific Skies 24 sowohl an der Übung Pitch Black 24 in Australien als auch an der Übung Tarang Shakti teilnehmen, die sich unmittelbar in Indien anschließt. Für uns ist das gesamte Vorhaben der zentrale Schwerpunkt im Jahr 2024. Als Verband erhoffen wir uns von der Übung einen großen Erfahrungsaufbau hinsichtlich strategischer Verlegungen, multinationaler Zusammenarbeit und gemeinsamen Operationen mit Kampfflugzeugen der fünften Generation – etwa im Zusammenspiel von F-35, F-22 und Eurofighter. Ebenso werden wir aber auch beispielsweise gemeinsam mit Flugzeugen russischer Bauart wie den indischen SU 30 üben. Zu diesen Erfahrungen auf der fliegerischen Seite kommen die organisatorischen, planerischen und logistischen Faktoren für den Flugbetrieb auf der anderen Seite der Welt. All das bedeutet eine enorme Herausforderung für Mensch und Material und eine tolle Erfahrung zugleich.

Stichwort planerischer Aufwand: Was hat Ihr S-3-Personal in den vergangenen Monaten besonders auf Trab gehalten?

Gerade für meine Verlegezelle ist die Logistik über lange Strecken natürlich eine besondere Herausforderung. Wir planen die Übung seit Mitte 2023, denn die weiten Distanzen erfordern auch zeitlich lange Vorlaufzeiten. Das erste Material geht Anfang März aufs Schiff, all das muss entsprechend vorbereitet werden. Eine ganz spezielle Herausforderung sind die australischen Vorgaben zur „Biological Security“, welche die Umwelt und Tierwelt vor Schädlingen und Krankheiten schützen soll. Hierzu wird eigens ein australischer BioSec-Inspektor im Verband alle Materialpakete kontrollieren und abnehmen, bevor sie auf die Reise gehen.

Mit wie vielen Maschinen und Personal werden Sie verlegen?

Wir werden in Australien und Indien mit fünf Eurofightern vor Ort sein. Insgesamt wird die Bundeswehr mit etwa 200 Personen an der Übung Pitch Black teilnehmen, davon etwa drei Viertel aus meinem Verband. Mit Vor- und Nachbereitung sind bei Pitch Black und Tarang Shakti insgesamt mehr als die Hälfte des Verbandes an der Übung in irgendeiner Weise beteiligt. Ich werde die Eurofighter in Australien in Empfang nehmen, vor Ort auch fliegen und mit den Eurofightern nach Indien verlegen, um dort ebenfalls bei der Übung mitzufliegen.

Bleibt die Erfüllung Ihres QRAQuick Reaction Alert-Auftrags (Quick Reaction Alert) in der Heimat gewährleistet?

Auf jeden Fall! Die Sicherstellung der Alarmrotte hat immer oberste Priorität, sie wird auch während der Übung gewährleistet sein. Auch das zeigen wir ja mit Pacific Skies 24: Die Luftwaffe kann sowohl ihre Aufträge in Deutschland und Europa erfüllen als auch zugleich im Indopazifik präsent sein.

Was sind die großen Herausforderungen bei einer Verlegung über lange Strecken?

Zum einen bewegen wir uns in einer Region, in der wir nicht so häufig fliegen. Eine Rolle spielen dabei eine andere Luftraumstruktur, fremde Landeplätze und andere Wetterbedingungen mit hohen Temperaturen. Die größte Herausforderung sind die langen Flugzeiten. Über acht Stunden konzentriert zu bleiben und zwischendurch Luftbetankungen durchzuführen, verlangt den Piloten ein besonders hohes Maß an Kondition ab, während sie zugleich der Ermüdung begegnen müssen.

Gibt es Methoden zur Vorbereitung?

Das Thema Ermüdung werden wir in den vorbereitenden Unterrichten mit unseren Fliegerärzten besonders aufgreifen. Und dann gibt es natürlich Methoden wie Konzentrationsübungen, Spiele oder Musik, welche die Konzentration hochhalten – natürlich unter Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen.

Wie gelangen übriges Personal und Material nach Australien?

Der Großteil der Verlegung des Personals wird mit Maschinen der Luftwaffe stattfinden, etwa der A400M. Das Material wiederum wird hauptsächlich im Schiffstransport verlegt.

Welche Erwartungen hegen Sie hinsichtlich des Erfahrungsaustauschs mit den Partnern?

Es beginnt damit, dass wir gemeinsam mit den Partnern aus Frankreich mit vier Rafale und aus Spanien mit vier Eurofightern die gesamte Verlegung bestreiten. Beide Nationen sind zudem mit insgesamt fünf A400M, zusätzlich zu den mindestens vier deutschen A400M, und mehreren Tankflugzeugen beteiligt. Diese Form der Interoperabilität ermöglicht nicht zuletzt unserem technischen Personal einen großen Lerneffekt. Dazu gehört, dass die Spanier einen wesentlich geringeren Anteil an Technikpersonal mitnehmen und wir ihre Maschinen weitgehend mitbetreuen. Damit verfestigen wir Synergieeffekte, die wir gemeinsam mit Spanien bereits im vergangenen Jahr beim NATONorth Atlantic Treaty Organization-Air Policing im Baltikum nutzen konnten. Insofern profitieren wir auch davon, dass viele der handelnden Personen einander inzwischen kennen und mit den jeweiligen Abläufen bei den Partnern vertraut sind. Das schafft eine stabile Vertrauensbasis, die wir mit dieser Übung weiter ausbauen können. Insgesamt stärken wir mit dieser Übung militärische Partnerschaften in der Region und fördern gegenseitiges Vertrauen und Respekt.

Wie kann eine Übung wie Pitch Black zur Ausprägung der Interoperabilität von Nutzen sein? 

Multinationale Übungen bedeuten andere Sprachen, andere Luftfahrzeuge, andere Routinen. Zudem können wir bei dieser Übung in sogenannten COMAOs (verbundene Luftkriegsoperationen), großen Formationen von teilweise 40 bis 50 Flugzeugen oder mehr, bei Tag und Nacht, fliegen. Das können wir im Grundbetrieb in Deutschland in dieser Form nicht üben und ist daher sehr wichtig für uns. Das Ganze zusätzlich in fremden Regionen und bei ungewohntem Klima zu trainieren, ist aus unserer Sicht eine hervorragende Übung.

Doch auch außerhalb der einzelnen Missionen befinden sich die Teilnehmernationen in einem permanenten Austausch, was die Übung umso wertvoller macht. Wir demonstrieren hier auch gemeinsam mit unseren Partnern, dass wir in der Lage sind, einen logistischen und operationellen Einsatz dieser Größenordnung mit unseren Ressourcen und Fähigkeiten durchzuführen - ohne dabei unsere Aufgaben in Europa zu vernachlässigen.

Welche Situation erwartet Sie in fliegerischer Hinsicht in Australien? 

Die Übung findet rund um Darwin im Norden Australiens statt. Einer der großen Vorteile ist die Dimension des dünn besiedelten Übungsraums von der Größe Norddeutschlands, in dem wir in beliebigen Höhen frei fliegen können. Das eröffnet Möglichkeiten, die wir in Deutschland nicht haben.

Über welche Rollen und Missionen sprechen wir?

Wir werden hauptsächlich in den Rollen DCA (Defensive Counter-Air) und OCA (Offensive Counter-Air) eingesetzt sein. Damit üben wir den Schutz eines eigenen Gebietes bzw. den Schutz eigener Luftfahrzeuge bei Luftangriffen auf Ziele in gegnerischem Gebiet. Hinzu kommen sowohl Szenarien, in denen wir Luft-Boden-Einsätze und damit die Mehrrollenbefähigung des Eurofighters trainieren, als auch Einsätze, in denen wir als Feinddarstellung, sogenannte Red Air, eingesetzt werden.

Zur Person

Oberst Björn Andersen (43) wurde in Stuttgart geboren und begann im Jahr 2000 seine Offizierausbildung bei der Luftwaffe. Dem Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr München folgten die fliegerische Ausbildung und die Schulung am Waffensystem Tornado. Nach Verwendungen als Flugzeugführer, Ordonnanzoffizier und Einsatzoffizier absolvierte Andersen den Generalstabslehrgang und bekleidete Funktionen im Bundesverteidigungsministerium, etwa als Stellvertretender Adjutant des Generalinspekteurs der Bundeswehr. Seit Februar 2023 ist er Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“. Andersen ist verheiratet und hat zwei Kinder.

von Rüdiger Franz

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