Jahresbilanz: Schiffbau in Deutschland 2024
Jahresbilanz: Schiffbau in Deutschland 2024
- Datum:
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- Hamburg
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Die weltweit gute Lage des Schiffbaus ist auch in Deutschland spürbar. 2024 haben deutsche Werften neue Aufträge im Wert von 10,7 Milliarden Euro bekommen – mehr als die vorangegangenen vier Jahre zusammen. Auch der Marineschiffbau boomt. Dieser spielt eine große Rolle für deutsche Schiffbauer, da er ein Drittel des Umsatzes deutscher Werften ausmacht.
Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSMVerband für Schiffbau und Meerestechnik) berichtet in seinem Jahresbericht von einem positiven Jahr 2024. Vor allem der hohe Eingang neuer Aufträge lässt auf ein Wachstum in den kommenden Jahren hoffen. 2024 wurden im Gegensatz zu 2023 mit 14 Schiffen zwar 36 Prozent weniger Schiffe bestellt, aber mit einem Gesamtvolumen von 982.000 Bruttoraumzahl (BRZBruttoraumzahl) sind diese zusammen mehr als fünfmal so groß wie im Vorjahr. Dieser Unterschied wird auch ersichtlich, wenn man die
Die Anzahl der 2024 fertiggestellten Schiffe in Deutschland war mit elf Neubauten auf demselben Stand wie 2023. Dabei waren diese Schiffe mit 242.000 BRZBruttoraumzahl etwa 22 Prozent kleiner, dafür aber mit 414.000 CGTCompensated Gross Ton im Gegensatz zu den 351.000 CGTCompensated Gross Ton aus 2023 aufwendiger im Bau. Der Wert der Neubauten aus 2024 belief sich auf fast 2,8 Milliarden Euro.
Laufende Aufträge steigen das erste Mal seit 2018
Der Auftragsbestand ist nach Anzahl der Schiffe auf 36 und damit um über 20 Prozent gesunken, jedoch im Wert um fast sieben Milliarden Euro auf 16,3 Milliarden Euro gestiegen. Das ist die erste Steigerung bei den laufenden Aufträgen seit dem letzten Höhepunkt 2018 mit Aufträgen im Wert von über 20 Milliarden Euro. Bei der Größe der Schiffe gab es eine Steigerung um über 45 Prozent auf 1,3 Milliarden BRZBruttoraumzahl. Auch die gewichtete Bruttoraumzahl der laufenden Aufträge ist um fast 55 Prozent auf 1,8 Millionen CGTCompensated Gross Ton gestiegen.
Neben dem Bau neuer Schiffe gehören auch Umbauten, Reparaturen, Instandhaltungen und die generelle Wartung von Schiffen zu den Aufträgen deutscher Werften. Diese haben 2024 insgesamt einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro ausgemacht. Das sind fast vier Prozent weniger als noch 2023. Bei den Beschäftigtenzahlen der Schiffbaubetriebe gab es dafür eine Steigerung um zwei Prozent auf 17.095 Personen im Jahresdurchschnitt. Der VSMVerband für Schiffbau und Meerestechnik schätzt zudem, dass über 200.000 Beschäftigte in der gesamten maritimen Zulieferindustrie arbeiten.
Marineschiffbau ist ein Schwerpunkt
Der Bau von Marineschiffen ist seit 2020 nationale Schlüsseltechnologie und damit wichtiger Bestandteil zur Sicherstellung der maritimen Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit. Dazu gehören auch, wie im Strategiepapier „Kurs Marine“ festgehalten, Instandsetzungskapazitäten für die aktive Flotte und Produktionskapazitäten für neue Marineschiffe. Für die Erweiterung der Kapazitäten zur Instandhaltung hatte die Bundeswehr im Jahr 2023 die Warnow-Werft in Rostock-Warnemünde als Marinearsenal übernommen. So kann der Hauptstandort des Marinearsenals in Wilhelmshaven entlastet werden.
Die Produktionskapazitäten für Neubauten fallen auf zivile Werften zurück. Für den im „Kurs Marine“ beschriebenen Zielbestand ab 2035 sind sechs Fregatten der Klasse F126, fünf Korvetten der Klasse K130, sechs U-Boote U212 CDCommon Design, drei Flottendienstboote A424 und zwei Betriebsstofftanker A702 bereits bestellt. Bis auf die Fregatten sind alle Aufträge an deutsche Werften gegangen, wobei einzelne Abschnitte der Schiffe teils in unterschiedlichen Werften gebaut werden. Zusätzlich sind im Zuge der Modernisierung der Flotte weitere Schiffe, Boote und unbemannte Systeme in Planung. Auch hier könnten deutsche Werften wie in der Vergangenheit mehrheitlich den Zuschlag bekommen.
Die neue U-Boot-Klasse U212 CDCommon Design ist dabei ein Gemeinschaftsprojekt von Norwegen und Deutschland. Die Abkürzung CDCommon Design steht für Common Design und bedeutet, dass beide Länder bereits beim Entwurf des neuen U-Boots zusammengearbeitet haben. Norwegen hat vier Boote dieser Klasse bestellt und Deutschland zunächst zwei. Ende 2024 erhielt die Bundeswehr die Freigabe für die Bestellung von vier weiteren U212 CDCommon Design. Gebaut werden die U-Boote in Deutschland, die Instandhaltung soll in einer norwegischen Werft stattfinden. Zusätzlich sollen Wartung, Ersatzteilversorgung und Ausbildung bilateral erfolgen.
Deutsche Werften sind zudem am Bau von Marineschiffen für die Streitkräfte aus Bulgarien, Australien, Türkei, Ägypten, Brasilien und Italien beteiligt. Insgesamt macht der Bau von Marineschiffen ein Drittel des gesamten Umsatzes der deutschen Schiffbauindustrie aus. Der Ausbau der Kapazitäten im deutschen Marineschiffbau ist ein Gewinn für die Landes- und Bündnisverteidigung. Denn mehr Kapazitäten bedeutet, dass mehr Schiffe gleichzeitig gebaut werden können.
Maritime Souveränität rückt stärker in den Fokus
Neben dem Marineschiffbau sind die deutschen Werften spezialisiert auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen, Großyachten, Behördenfahrzeugen und anderen spezialisierten Schiffen. Handelsschiffe werden kaum noch in Deutschland und auch kaum noch in Europa gebaut. Daher ist es wichtig, vorhandene Kapazitäten zu halten und wenn möglich auszubauen.
Sowohl Deutschland und als auch die EUEuropäische Union sehen daher Handlungsbedarf im Schiffbau. Im Juni 2023 hatte der Bundestag einem Antrag zur maritimen Wirtschaft mit dem Titel „Maritime Souveränität in der Zeitenwende“ angenommen. Demnach gehörten Resilienz und Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Finanzierung, die sozial-ökologische Transformation und die maritime Infrastruktur zur maritimen Souveränität. Zusätzlich soll die Finanzierung großer Projekte für die vielfach mittelständischen Unternehmen der maritimen Industrie in Deutschland vereinfacht werden.
Dies beinhalte auch die Fertigung von Konverterplattformen für die Offshore-Energieerzeugung. Deutsche Werften bemühen sich hier um Aufträge. Die Großprojekte haben Werte ab zwei Milliarden Euro. Bei Vergabe an deutsche Werften könnten Werftkapazitäten nicht nur gehalten, sondern sogar ausgebaut werden. Der VSMVerband für Schiffbau und Meerestechnik betonte zudem im Mai 2025, dass es auch wieder möglich sein müsse, Handelsschiffe für Europa in Europa zu bauen. Dazu müsste die EUEuropäische Union die Werftkapazitäten ausbauen. Klar sei, dass die vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichten, um die maritime Souveränität Deutschlands und Europas zu gewährleisten.
Nachhaltiges Recyclen von Schiffen in Deutschland
Deutsche Werften sind bereits dabei, ihre Produktpaletten auszuweiten. In Emden gibt es seit 2025 wieder eine Abwrackwerft in Deutschland, in der Schiffe nachhaltig recycelt werden können. Die gewonnenen Rohstoffe verbleiben in Deutschland und können so in den Materialkreislauf zurückfließen. Die meisten Reeder nutzen weiterhin billige Abwrackwerften in Pakistan, Bangladesch, Indien und China, die unter schlechten Umwelt- und Sicherheitsbedingungen Schiffe abwracken.
Im Juni 2025 ist ein Übereinkommen der International Maritime Organization (IMOInternational Maritime Organization) zum sicheren und umweltgerechten Recycling von Schiffen in Kraft getreten. In der EUEuropäische Union gilt ein Teil der Regeln durch eine EUEuropäische Union-Verordnung bereits seit 2019. Demnach dürfen Schiffe unter EUEuropäische Union-Flagge nur in EUEuropäische Union-zertifizierten Abwrackwerften verschrottet werden. Das Übereinkommen und die EUEuropäische Union-Verordnung haben nun auch Abwrackwerften in Indien und Bangladesch zum Überarbeiten ihrer Praktiken verleitet. Das Übereinkommen der IMOInternational Maritime Organization könnte auch die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Abwrackwerften stärken. Die Emdener Werft sieht sich jedoch nicht in direktem Wettbewerb mit den asiatischen Konkurrenten, sondern eher als Anlaufstelle für Behördenschiffe, küstennahe Reedereien und Havaristen.