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Landes- und Bündnisverteidigung

Gesundheitswesen: Versorgung im Verteidigungsfall

Käme es zu einem militärischen Konflikt an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke, wären die Kriegsauswirkungen auch im Gesundheitssystem spürbar. Planungen von Bundeswehr und Bundesregierung sehen vor, dass neben zivilen Erkrankten auch Soldatinnen und Soldaten in Deutschland medizinisch behandelt werden. Der Sanitätsdienst ist dabei auf zivile Partner angewiesen.

Militärfahrzeug im Gelände

Bundeswehr/Marco Dorow

Bei der Verteidigung Deutschlands und seiner Verbündeten kommen besondere Herausforderungen auf das Land zu – auch im Gesundheitssektor. Seine zentrale Lage in Europa würde Deutschland bei einem Angriff auf die Verbündeten in Osteuropa zur Drehscheibe werden lassen: Einerseits würden Truppen und Versorgungsgüter von West nach Ost durchs Land verlegt werden. Umgekehrt kämen verwundete Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und alliierter Streitkräfte nach Deutschland. Die Szenarien der Bundeswehr gehen von 300 bis 1.000 Patientinnen und Patienten aus  – davon ein Drittel intensivpflichtig – die pro Tag von Osten nach Deutschland kommen könnten. Sie müssten in deutschen Krankenhäusern behandelt werden, da die medizinische Versorgung im unmittelbaren Konfliktgebiet stark eingeschränkt wäre. 

Mehr Bedarf aber sinkende medizinische Kapazitäten

Der Bündnisfall würde also bedeuten, dass eine große Anzahl an Personen dringend medizinische Hilfe in Deutschland benötigt. Diese Aufgabe kann der Sanitätsdienst der Bundeswehr, bezogen auf die militärischen Verwundeten, nicht ohne die Unterstützung ziviler Träger aus dem Gesundheitssektor stemmen. Dies gilt umso mehr,  weil gleichzeitig ein großer Teil des Personals des Sanitätsdienstes in einem solchen Szenario in Frontnähe auf dem Staatsgebiet der Verbündeten eingesetzt würde. Denn dort gälte es, Verwundete best- und schnellstmöglich zu versorgen, um Leben zu retten und Kampfkraft zu erhalten.

Das bedeutet auch, dass die Versorgungsleistungen durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr hierzulande eingeschränkt wären. Betroffen wären zum Beispiel die fünf Bundeswehrkrankenhäuser, die derzeit fest in die medizinische Versorgung vor Ort eingebunden sind. Ihre Leistungen würden Bürgerinnen und Bürgern in geringerem Maße zur Verfügung stehen als bisher. Aber auch die Zahl der Truppenärztinnen- und ärzte, quasi der Hausarztpraxen für Soldatinnen und Soldaten, die in Deutschland tätig sind, würde sinken. Das bedeutet, dass die Truppe auch bei regulären Erkrankungen stärker auf das zivile Gesundheitswesen angewiesen wäre.

Um mit diesen Mehrbelastungen umzugehen, ist es notwendig, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr mit allen Akteuren des deutschen Gesundheitswesens in einen fest etablierten Austausch tritt. Mit den Behörden der Länder und des Bundes, mit Kliniken und mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, mit Apotheken, der Pharmaindustrie und weiteren Partnern im Gesundheitswesen gilt es, sich jetzt gemeinsam auf diese Aufgaben vorzubereiten.

Verschiedene Phasen bergen verschiedene Herausforderungen

Ein Angriff auf Verbündete oder auf Deutschland beginnt nicht mit dem Grenzübertritt feindlicher Truppen. Ein offener Konflikt wird meist lang geplant und vorbereitet. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization und somit auch die Bundeswehr müssten ebenfalls Vorbereitungen treffen. Je näher ein Angriff rückt, desto schwieriger wird es also, eine umfassende Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, dass auch das Gesundheitssystem in Deutschland bereits vor Beginn eines möglichen Krieges darauf vorbereitet sein muss. Im Bündnis- und Verteidigungsfall werden die Herausforderungen größer, die Patientinnen und Patienten mehr und die Versorgungslage enger.

Eine Grafik, die zeigt, wie die Anforderungen an das Gesundheitssystem bei Krieg steigen

Bereits im Vorfeld einer kriegerischen Auseinandersetzung könnten sich Konfliktphasen definieren lassen. Für das Gesundheitssystem gilt: Mit jeder Phase steigen die Anforderungen an die Gesundheitsversorgung.

Bundeswehr/Nathalie Poulheim

Allgemein:
Hybride Aktionen eines Aggressors (Desinformationskampagnen, vereinzelte Durchführung von Spionageaktivitäten, Cyberattacken, Sabotageakte und Anschläge auf kritische Infrastrukturen) zeigen eine erste Entwicklung in Richtung Krise und wirken sich vereinzelt auf die Gesundheitsversorgung aus.

Auswirkungen auf das Gesundheitswesen:
Bereits in der Vorbereitung eines kriegerischen Angriffs können feindliche Akteure auf medizinische Einrichtungen in Deutschland und in verbündeten Nationen einwirken. Hackerangriffe, Anschläge und Sabotageaktionen können kritische Infrastruktur, Behörden und Verwaltungen schädigen. Patientendaten können gezielt abgegriffen werden, um Patientinnen und Patienten zu schaden. Langfristiges Ziel ist es, unsere Reaktion auf einen Angriff zu schwächen. Ein weiterer Effekt hybrider Aktivitäten ist, dass das Vertrauen in das Gesundheitssystem erodiert. Alle Akteure im Gesundheitssystem müssen in dieser Phase bereits besonders wachsam sein, um die medizinische Versorgung sicherzustellen und Patientinnen und Patienten und ihre Daten zu schützen.

Allgemein:
Steht ein Angriff auf ein Land oder ein Bündnis unmittelbar bevor, zeigt sich das meist daran, dass feindliche Truppenansammlungen an der Grenze zunehmen. Zur Vorbereitung eines Angriffs ist es notwendig, Personal und Material zusammenzuführen, damit diese gemeinsam eingesetzt werden können. Als Reaktion käme es in diesem Szenario zu einem Aufmarsch von NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kräften an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke zur Abschreckung. Hybride Aktionen nehmen zu, die Aktionen werden aggressiver und offener. In dieser Phase können Angriffe auf Patientendaten, Infrastruktur und ITInformationstechnik-Systeme wie auch zum Beispiel Satelliten zunehmen. Es kommt zu ersten Fluchtbewegungen.

Auswirkungen auf das Gesundheitswesen: 
Zusammen mit einigen verletzten oder erkrankten Soldatinnen und Soldaten erreichen diese Geflüchteten das zivile ambulante und klinische System. Militärisches Personal, das im Rahmen einer Nebentätigkeit oder Ehrenamt im zivilen Gesundheitswesen tätig war, steht nicht mehr zur Verfügung. Allerdings verzeichnet sich ein starker Trend in der Bevölkerung, sich zu engagieren. Der Bedarf an Blutprodukten und die Nachfrage nach Arzneimitteln und Impfstoffen steigt.

Allgemein:
Wenn ein NATONorth Atlantic Treaty Organization- oder EUEuropäische Union-Verbündeter angegriffen wird, tritt der Bündnisfall ein. Fluchtbewegungen werden sich verstärken. Die Bundeswehr ist wahrscheinlich in Kampfhandlungen verwickelt und es kommt vereinzelt zu Raketeneinschlägen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Fluchtbewegungen innerhalb Deutschlands nehmen massiv zu. 

Auswirkungen auf das Gesundheitswesen: 
Hybride Kriegsführung führt zu ITInformationstechnik-Ausfällen in medizinischen Behandlungseinrichtungen und Rettungsdienst mit Auswirkungen auf die Patientenverteilung und -versorgung. Truppenbewegungen und Logistik in Richtung des Einsatzgebietes und der Rücktransport von etwa 300 bis 1.000 verletzen und erkrankten Soldaten und Soldatinnen belasten die Infrastruktur. Klinische und ambulante Versorgungskapazitäten werden verstärkt beansprucht, erste Anpassungen des Versorgungssystem (Frühentlassung, Reduzierung elektiver Maßnahmen) erfolgen.

Allgemein: 
Greift ein anderes Land deutsches Bundesgebiet unmittelbar an, verschärfen sich die in Phase 3 beschriebenen Bedingungen weiter. Gemäß fiktiver Bundeswehr-Szenarien gelingt im während des Symposiums genutzten Szenario den gegnerischen Truppen ein regional begrenzter Durchbruch bis auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und die Besetzung von zwei Landkreisen.

Auswirkungen auf das Gesundheitswesen:
Vielerorts ist das Gesundheitspersonal überlastet. Engpässe bei der Blutversorgung werden mit Warmblutspenden überbrückt. Strom, Betriebsstoffe, Medikamente und medizinische Versorgungsgüter werden nicht immer verfügbar sein. Hilfsbereite Bürger und Bürgerinnen unterstützen in Behandlungseinrichtungen, müssen jedoch zunächst angelernt werden. Gleichzeitig steigt die Anzahl der zu behandelnden verwundeten Personen weiter. Medizinisches Personal muss sich darauf einstellen, in solchen Situationen mehr improvisieren zu müssen und knappe Ressourcen anders zu verteilen, um möglichst vielen Menschen helfen zu können. 

Gesundheitswesen fit machen

Der Wehrmedizinische Berater des Verteidigungsministers und Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdiensts, Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, hat sich auf die Fahne geschrieben, Verantwortungsträger im deutschen Gesundheitssystem zusammenzubringen, um die Resilienz in Krisen und im Krieg zu stärken. Hier erfahren Sie, welche Meilensteine auf diesem Weg passiert werden. Im Bericht zum „Symposium Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung“ können Sie die Ergebnisse dieser Auftaktveranstaltung nachlesen.

Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung

Hier gibt es den offiziellen Bericht zum Symposium aus dem Juni 2025. Er fasst die Ergebnisse der Veranstaltung mit 200 Fachleuten zusammen.

Zum Download Gesundheitsversorgung in der Landesverteidigung PDF, barrierefrei, 13,6 MB
Mehrere Soldaten und Feuerwehrleute während einer Übung bei der Verwundetenversorgung.
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