Chefsache im Delitzscher Rathaus: die Bundeswehr

Chefsache im Delitzscher Rathaus: die Bundeswehr

Datum:
Ort:
Dresden
Lesedauer:
4 MIN

Drei Wochen im Jahr leistet Fregattenkapitän Dr. Manfred Wilde Dienst als Reservist und Direktor des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden. Den Rest des Jahres verbringt er im Rathaus: Seit 2008 ist Wilde Oberbürgermeister der sächsischen Stadt Delitzsch. Enge Verbindungen zur Unteroffizierschule des Heeres sind Teil des Amtes.

Ein Mann in Marineuniform auf einem Metallbalkon mit Blick über Dresden

Fregattenkapitän Dr. Manfred Wilde im sogenannten Keil des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr.

Bundeswehr/Sabrina Kleinekort

Oberbürgermeister leitet als Reservist Militärhistorisches Museum

„Mein Reservistendienst hier in Dresden hat mit meiner Arbeit als Oberbürgermeister einer sächsischen Stadt viel gemein“, erzählt Wilde. „Arbeitsgespräche mit den einzelnen Fachbereichen, Entscheidungen treffen, Dienstreiseanträge genehmigen, Zahlungsanweisungen unterschreiben, Absprachen mit der vorgesetzten Dienststelle, dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften in Potsdam, treffen, das sind unter anderem meine Aufgaben.“ Für zwei Wochen hat Fregattenkapitän Dr. Manfred Wilde im August das Büro des Direktors des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden bezogen. Als Reservist im Dienstgrad eines Fregattenkapitäns vertritt er den militärischen Leiter während seines Urlaubs.

Seit 2010 übt Wilde im Museum im Schnitt drei Wochen pro Jahr. „Dieses Museum, ein historisches Leitmuseum in Deutschland, das ist ja schon etwas Besonderes“, schwärmt er. Für den 59-Jährigen ist sein Dienst als Reservist der vielzitierte Blick über den Tellerrand: „Durch meine Zeit in der Truppe kann ich meinem Team in der Stadtverwaltung und den Bürgern Delitzschs ein Verständnis für die Belange der Bundeswehr vermitteln, Distanz überbrücken helfen und als lebender Zeitzeuge fungieren“, beschreibt er seine Motivation. Dass er den Kommandeur der Unteroffizierschule des Heeres (USH) in Delitzsch als Reservist persönlich durch die Ausstellung im Militärhistorischen Museum führt, ist da Ehrensache.

7.000 Lehrgangsteilnehmende jährlich in Delitzsch

Als Oberbürgermeister von Delitzsch, einer kleinen 25.000-Einwohner-Stadt in Nordsachsen, telefoniert Wilde wöchentlich mit der Führung „seiner“ Bundeswehr-Dienststelle vor Ort, der Unteroffizierschule des Heeres. An der Schule in der Feldwebel-Boldt-Kaserne im Norden Delitzschs werden die Feldwebel und Feldwebelanwärter des Heeres ausgebildet. Neben dem rund 540köpfigen Stammpersonal durchlaufen fast 7.000 Lehrgangsteilnehmer jährlich die Ausbildungsangebote der USH. „Ich begrüße jede Lehrgangsgruppe persönlich, das ist mir ein besonderes Anliegen. Denn die Bundeswehr in der Feldwebel-Boldt-Kaserne ist ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft in Delitzsch. Und jeder, der mit einem guten Gefühl aus unserer Stadt abreist, nimmt das als Multiplikator mit und erzählt es weiter“, sagt Wilde. Außerdem organisiert die Stadt für Lehrgangsteilnehmer und Lehrgangsteilnehmerinnen kurzfristig bei Bedarf Kita- und Hortplätze für Kinder und vermittelt für ausscheidende Soldaten und Soldatinnen Arbeitsplätze in regionalen Firmen und Betrieben.

Interesse für Militärgeschichte der Marine im 19. Jahrhundert

Um den Soldatinnen und Soldaten ihren Lehrgangsort näherzubringen, hat Wilde militärhistorische Stadtführungen initiiert: „Delitzsch hat eine mittelalterliche Wehranlage. Militärgeschichte können wir so am Originalschauplatz vermitteln, was gibt es Besseres?“ Dr. Wilde ist promovierter Militärhistoriker und Museumswissenschaftler. Er hat an der TUTechnische Universität Chemnitz zu Rittergütern promoviert und über Zauberei und Hexenprozesse habilitiert. Sein persönliches Interesse gilt jedoch der Militärgeschichte der Marine im 19. Jahrhundert. Genau schaut er auch auf die Transformationsprozesse der Bundeswehr, die deutsche Bündnispolitik, Energiepatenschaften und die vielfältigen Zukunftsfragen der Streitkräfte. In den 1980er Jahren diente Fregattenkapitän Dr. Wilde als Zeitsoldat bei der Marine der Nationalen Volksarmee der DDR und war auf Minensuch- und Räumschiffen eingesetzt. Auf die Bundeswehr und den Dienst als Reservist wurde er 2009 bei einer Übung für zivile Führungskräfte im niedersächsischen Munster aufmerksam.

Ein Mann in Marineuniform vor einem historischen Schiffsmodell

Fregattenkapitän Dr. Wilde vor einem historischen Schiffsmodell im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.

Bundeswehr/Sabrina Kleinekort

Fregattenkapitän Dr. Wilde macht sich für seine Garnison auch in verschiedenen Gremien stark: Er vertritt den Freistaat Sachsen im Arbeitskreis Garnisonsstädte beim Deutschen Städte- und Gemeindetag und ist Mitglied im Hauptausschuss des Deutschen Städtetages. Und auch in seiner Freizeit ist Wilde in Sachen Militär unterwegs: Er hat ein Buch über die Geschichte der Unteroffizierschule mitherausgegeben und zweimal am Nijmwegen-Marsch in den Niederlanden teilgenommen.

Sammeln, Bewahren und Ausstellen als Hobby

Vor seinem Amt als Oberbürgermeister hatte Wilde zehn Jahre lang das Museum im Barockschloss Delitzsch geleitet. „Sammeln, Bewahren und Ausstellen, das interessiert mich, das ist mein Steckenpferd, deshalb bin ich auch so gern hier im Militärhistorischen Museum.“ Wilde verfolgt die Entwicklungsschritte des Museums genau: „Dazu gehören Einblicke in die Planung der Außenstelle des Museums in Berlin-Gatow und Anregungen zu Fragen der Digitalisierung, Schaffung von Hotspots und virtuellen Rundgängen. Das sind wichtige Meilensteine, die ich helfe voranzutreiben.“

Bei all diesem Engagement für die Bundeswehr darf sich auch die Unteroffizierschule des Heeres der Unterstützung ihres Oberbürgermeisters gewiss sein. In den nächsten Jahren sollen eine neue Truppenküche, eine Erweiterung der Standortschießanlage und sechs neue Unterkunftsgebäude entstehen. An den Planungsbesprechungen nimmt der Oberbürgermeister dabei oft persönlich teil. Der verantwortliche Wirtschaftsförderer in der Delitzscher Stadtverwaltung ist gleichzeitig Bundeswehr-Beauftragter.

von Cornelia Riedel