Sie sind seit Mitte März der Kommandeur der deutschen Air Missile Defense Task Force bei NSATUNATO-Stab für Sicherheitsunterstützung und Ausbildung für die Ukraine, dem NATONorth Atlantic Treaty Organization Security Assistance and Training for Ukraine in Polen. Was macht diese Mission im Südosten Polens im Vergleich zu anderen Missionen und Einsätzen der Bundeswehr so besonders?

Die unmittelbare räumliche Nähe zum Kriegsgebiet in der Ukraine bei einem gleichzeitig bestehenden friedlichen Umfeld in Polen hebt diese Mission von anderen Einsätzen der Bundeswehr ab. Wir schützen einen wichtigen logistischen Knotenpunkt für die Unterstützung der Ukraine hier in Rzeszów gegen mögliche Bedrohungen aus der Luft. Das Einsatzkontingent erhält damit auf verschiedenen Ebenen Einblick in das Kriegsgeschehen jenseits der Grenze. Ob nun die Abwicklung der Transporte von Rüstungs- oder Hilfsgütern im Logistic Hub, die Verlegung von verletzten und verwundeten Soldaten sowie Geflüchteten über den Flughafen in andere Länder oder die Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und Dörfer – all dies geht nicht spurlos an meinen Soldatinnen und Soldaten vorbei. Es macht diesen Einsatz aber auch für jeden Einzelnen sinnstiftend und erfüllend.
Wie verlief für Sie der Start in diese Mission?

Der Missionsstart verlief vollkommen reibungslos. In einer Zeitspanne von circa 14 Tagen wurde nahezu das gesamte Kontingent durchgetauscht und der Luftverteidigungsauftrag bruchfrei übernommen. Dank guter Vorbereitung durch unsere Vorgänger sowie offenherzige und professionelle Partnernationen konnten wir uns schnell in das multinationale Umfeld integrieren. Besonders erwähnen möchte ich die polnische Gastnation, die uns von Anfang an hervorragend aufgenommen hat und uns tagtäglich unterstützt. Beeindruckt hat mich insbesondere die Dankbarkeit, die uns sowohl von ziviler als auch militärischer Seite für unseren Einsatz entgegengebracht wird. Das ist nicht selbstverständlich.
Wie haben Sie sich und ihre Einheit auf ihre Aufgaben in Polen vorbereitet?
Für alle Soldatinnen und Soldaten, also auch mich, beinhaltet dies klassische Anteile der Einsatzvorbereitung, wie die allgemein-militärische Ausbildung und Überprüfung der Ausrüstung, sowie spezifische Maßnahmen, die sich gezielt mit dem Missionsauftrag und den regionalen Gegebenheiten befassen. Besonders wichtig sind auch jeweils die persönliche Vorbereitung und Vorsorge. Ich möchte betonen, dass die Flugabwehrtruppe seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mehrfach an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke Partnernationen unterstützt hat und wir auch stark in die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland eingebunden sind. Daher haben meine Soldatinnen und Soldaten bereits viel Erfahrung sammeln können, sind aber auch belastet durch die Eindrücke und Abwesenheit von der Heimat. Umso wichtiger war es mir, mein Team schnellstmöglich aufzustellen, damit möglichst viel Zeit für die individuelle Vorbereitung blieb.

Mir persönlich hat in der Vorbereitung der enge Draht zu unserem Schwesterverband, der Flugabwehrraketengruppe 21, geholfen, die den Einsatz hier in Polen begonnen hat. Der ständige Austausch gab mir die Möglichkeit, mich früh mit meiner Rolle als Kontingentführer und möglichen Herausforderungen auseinanderzusetzen und meine Truppe frühzeitig und im Detail über Einsatzrahmenbedingungen zu informieren. Dadurch konnte ich auch zeitnah Fragen meiner Soldatinnen und Soldaten beantworten und mögliche Sorgen ausräumen oder zumindest mindern.
Um einen wirksamen Schutz des Luftraums über Rzeszów dauerhaft sicherstellen zu können, ist die Zusammenarbeit mit der Gastgeber-Nation und weiteren Partnern erforderlich. Wie gestaltet sich diese?

Zum Schutz des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftraums über Polen sind wir in die bestehende Architektur der integrierten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftverteidigung eingebunden. Das bedeutet, dass wir gemeinsam mit anderen luftgestützten und bodengebundenen Waffensystemen im Verbund agieren und den Luftraum schützen. In unserem Fall heißt das, beispielsweise mit Eurofightern aus Deutschland oder Großbritannien, F-16-Kampfflugzeugen aus Polen und dem Flugabwehrsystem Norwegian Advanced Surface-to-Air Missile System (NASAMSNorwegian Advanced Surface-to-Air Missile System) aus Norwegen zusammenzuarbeiten. Für uns ist das Routine, für diesen Fall üben und trainieren wir regelmäßig. Komplettiert wird diese Architekturdurch Fähigkeiten der USA zum Abfangen von Drohnen. Polen wiederum übernimmt unter dem Dach der NATONorth Atlantic Treaty Organization die Führung über diese verschiedenen Luftverteidigungskräfte mit einem Führungsgefechtsstand in Warschau. Die Zusammenarbeit verläuft auf allen Ebenen reibungslos und hochprofessionell.
Gab es für Sie bereits den einen besonderen Moment in dieser Mission?

Ehrlich gesagt – nein. Es sind einfach zu viele Eindrücke, die hervorstechen. Aber ein schöner Moment war sicherlich die gemeinsame Feier des Osterfestes am Ostersonntag. Wir kamen zunächst auf freiwilliger Basis für einen Feldgottesdienst zusammen und feierten dann anschließend bei einem Osterbrunch das Fest im Kreis der Kontingentangehörigen. Zumindest konnten dies all jene tun, die nicht durch den 24/7-Luftverteidigungsauftrag gebunden waren. Auch das Wetter spielte mit und so hatten alle trotz der Distanz zu ihren Lieben, Familien, Bekannten und Verwandten ein wenig Zeit, mal innezuhalten und zur Ruhe zu kommen. Ich habe viele zufriedene und lachende Gesichter gesehen und selbst gute Gespräche geführt.
Im Mai werden Sie und ihre Soldatinnen und Soldaten abgelöst. Was möchten Sie Ihrem Nachfolger und den Männern und Frauen der 3. Rotation auf jeden Fall mitgeben?

Ich hoffe, dass wir unseren Nachfolgern ein gut bestelltes Feld übergeben können, damit ihnen der Einstieg so leicht wie möglich gemacht wird. Ansonsten möchte ich ihnen mitgeben, dass dieser Einsatz in Polen in dreierlei Hinsicht wichtig ist: zuerst als Zeichen der Solidarität an unseren Bündnispartner Polen, den wir bei der Sicherung seines Luftraumes unterstützen. Zweitens als Zeichen der Abschreckung, da wir jederzeit in der Lage sind, NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territorium zu schützen. Und nicht zu vergessen, ein Zeichen der Unterstützung an die Ukraine, indem wir diesen wichtigen logistischen Knotenpunkt schützen.