Vom Anfang bis zur Gegenwart

70 Jahre Bundeswehr: sieben Geschichten aus sieben Dekaden

Die Bundeswehr feiert dieses Jahr den 70. Jahrestag ihrer Gründung. Am 12. November 1955 erhielten die ersten Soldaten der neuen Streitkräfte ihre Ernennungsurkunden – nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seither verteidigt die Bundeswehr als Armee der Demokratie die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Kampfpanzer Leopard 1 fährt an zusehenden Soldaten auf einer Asphaltierten Straße vorbei.

Armee im Wandel der Zeit

Die Bundeswehr wurde von Anfang an als Parlamentsarmee angelegt, die nur auf Beschluss des Bundestags aktiv wird. An ihre Soldatinnen und Soldaten wird der Anspruch gestellt, ihren Dienst beim Militär als „Staatsbürger in Uniform“ zu versehen und ihre Befehle im Sinne des Konzepts der Inneren Führung auf den Prüfstand ihres Gewissens zu stellen.

Das nationalsozialistische Deutschland hatte sich im Zweiten Weltkrieg grauenhafter Kriegsverbrechen schuldig gemacht, an denen auch Soldaten beteiligt waren. Deshalb suchte die Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung die Wiederannäherung an die internationale Staatengemeinschaft – sowohl politisch, als auch militärisch. Die Aufnahme in die NATONorth Atlantic Treaty Organization, ebenfalls 1955, markierte einen großen Schritt auf diesem Weg. Seitdem streitet die Bundeswehr an der Seite ihrer Alliierten für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Viel ist passiert seit der Gründung der Bundeswehr. Blicken Sie mit uns auf sieben Dekaden Geschichte zurück – und damit auch auf die Ereignisse und Persönlichkeiten, die die Streitkräfte in diesen Jahrzehnten prägten: von der Pionierarbeit eines Theodor Blank in den 1950er-Jahren bis zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit 2022, der für Deutschland und die Bundeswehr fast alles veränderte.

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  • Theodor Blank schaut lächelnd für eine Portraitaufnahme in die Kamera.
    1955

    Blank für die Bundeswehr

    Theodor Blank (1905-1972) gilt gemeinhin als Gründervater der Bundeswehr. Der konservative Gewerkschaftspolitiker baute in den 1950er-Jahren einen Vorläufer des Verteidigungsministeriums auf, der auch nach ihm benannt wurde: Seine „Dienststelle des Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ – kurz Amt Blank – schaffte die Voraussetzungen für den Neuaufbau der westdeutschen Streitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg.

    Blank hatte eigentlich Arbeitsminister im ersten Kabinett von Kanzler Konrad Adenauer werden sollen. Zugunsten eines Parteikollegen verzichtet er aber auf den Ministerposten. Stattdessen ernannte ihn Adenauer 1950 zum Sicherheitsbeauftragten der Regierung. Blank sollte die Gründung gänzlich neuer Streitkräfte und deren Wiederbewaffnung vorbereiten.

    Das war im besetzten Nachkriegsdeutschland mit seiner traumatisierten Gesellschaft hoch umstritten. Die Alliierten hatten ursprünglich eine dauerhafte Demilitarisierung Deutschlands geplant. Nach Beginn des Kalten Kriegs wurden aber Verbündete und Truppen zur Verteidigung Westeuropas gegen den sowjetischen Expansionsdrang gebraucht. Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1954 mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge, die das Besatzungsstatut aufhoben, wieder in die internationale Staatengemeinschaft aufgenommen.

    Das wiederum öffnete auch den Weg für einen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Beitritt. Blank konzipierte die Bundeswehr als Parlamentsarmee, die der ständigen Kontrolle der demokratisch gewählten Volksvertretenden unterliegt. Auch das soldatische Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ hat seinen Ursprung im Amt Blank, in der damals auch Adolf Heusinger arbeitete. Heusinger sollte 1957 der erste Generalinspekteur der Bundeswehr werden.

    Blank wurde folgerichtig am 7. Juni 1955 zum ersten Verteidigungsminister der jungen Bundesrepublik ernannt. Im November 1955 begrüßte er die ersten freiwilligen Soldaten in der Bundeswehr. Ein Jahr später trat er als Verteidigungsminister zurück und wurde doch noch Arbeitsminister. Als solcher gestaltete Blank bis 1965 die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft mit. Sein Mandat als Abgeordneter des Bundestags legte er erst wenige Wochen vor seinem Tod am 14. Mai 1972 nieder. Theodor Blank hatte dem Parlament seit 1949 ununterbrochen angehört.

  • Helmut Schmidt raucht eine Zigarette
    1969

    DER MANN MIT DER ZIGARETTE

    Er war Hanseat durch und durch und hatte als solcher immer einen trockenen Spruch auf den Lippen: Nur wenige Persönlichkeiten haben die Geschicke Nachkriegsdeutschlands stärker geprägt als Helmut Schmidt (1918-2015). Zeit genug dafür hatte er: Obwohl Schmidt fast nie ohne seine geliebten Menthol-Glimmstängel zu sehen war, erfreute er sich bis ins hohe Alter einer soliden Gesundheit.

    In den fast 97 Jahren seines Lebens überlebte Schmidt einen Weltkrieg, führte seine Heimatstadt Hamburg durch eine Jahrhundertflut, vertrat Deutschland in Europa und bekleidete mehrere Ministerposten, bevor er seine Karriere als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland krönte. Auch nach seiner Kanzlerschaft blieb Schmidt ein Faktor: zum Beispiel als Mitherausgeber der „Zeit“ oder vielgefragter Zeitzeuge.

    Als Verteidigungsminister amtierte Schmidt von 1969 bis 1972 unter Bundeskanzler Willy Brandt. Es war eine Zeit der Wiederannäherung zwischen den Machtblöcken im Kalten Krieg. Während Brandt für seine Verdienste um die Aussöhnung zwischen West und Ost den Friedensnobelpreis erhielt, machte sich sein Verteidigungsminister um die Akademisierung des Offiziersberufs verdient: Auf Schmidts Initiative wurde die Gründung der Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München in Angriff genommen.

    Seine Idee war, den Führungskräften der Streitkräfte neben der militärischen auch eine wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen, um das gesellschaftspolitische Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ schon zu Beginn der Dienstzeit im Offizierkorps zu verankern. Das Studium sollte den Offizieren zudem die Rückkehr ins zivile Berufsleben erleichtern, denn die meisten von ihnen sind – damals wie heute – Soldaten auf Zeit und verlassen die Bundeswehr in der Regel nach zwölf bis 19 Jahren.

    Als die neuen Universitäten 1973 ihren Betrieb aufnahmen, war Schmidt schon ins Finanzministerium gewechselt. Doch sein Vermächtnis blieb: Die allermeisten Offiziere der Bundeswehr sind heute nicht nur Soldatinnen oder Soldaten, sondern zum Beispiel auch Pädagogen, Ingenieurinnen oder Mediziner. Das Andenken an Helmut Schmidt wird bis heute in Würden gehalten: Noch zu seinen Lebzeiten wurde die Bundeswehruniversität in seiner Heimatstadt nach ihrem Gründer benannt. Die Hochschule der Bundeswehr in Hamburg heißt seit 2003 Helmut-Schmidt-Universität oder kurz HSU.

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