Navigation Warfare: Eine Seemeile zwischen freier Fahrt und Navigationskrieg
Navigation Warfare: Eine Seemeile zwischen freier Fahrt und Navigationskrieg
- Datum:
- Ort:
- Bonn
- Lesedauer:
- 3 MIN
Moderne Logistik, Flugverkehr, militärische Operationen und unbemannte Systeme sind heute auf digitale Positionsdaten angewiesen. Auch Mobilfunknetze nutzen die Bewegungsdaten. Doch dieses globale Datennetz ist verletzlich – wie die Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine zeigen. Das steckt hinter Navigation Warfare.
Mitten in einer sternklaren Nacht meldet das GPSGlobal Positioning System eines Marineschiffs plötzlich, das Boot befinde sich mehrere Seemeilen weiter draußen auf See – obwohl es tatsächlich ruhig und sicher auf Kurs bleibt. Kein Sturm, keine Wellen, kein technischer Defekt. Der erfahrene Wachoffizier verlässt sich nicht allein auf die Elektronik. Er prüft die Position mit Kreuzpeilung und Radar und stellt fest, dass das Schiff unverändert dort ist, wo es sein soll. In solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig nautisches Handwerk und traditionelle Methoden neben moderner Technik bleiben – gerade, wenn digitale Systeme versagen oder manipuliert werden.
Der Krieg der Navigationsdaten
Was wie ein technischer Fehler erscheint, ist in Wahrheit gezielte Manipulation: Das Schiff ist Opfer eines sogenannten GPSGlobal Positioning System-Spoofings geworden. Dabei senden Angreifer gefälschte Positionsdaten, die die echten Signale der Navigationssatelliten überlagern und so die Navigation und Kommunikation gezielt stören. Solche Angriffe zeigen, wie verletzlich moderne Navigationssysteme im digitalen Zeitalter sind – und wie sehr sie in den Fokus moderner Konflikte gerückt sind.
Navigation Warfare – so wird dieser Bereich der elektromagnetischen Kriegsführung genannt. Er umfasst die Beeinflussung, Störung, Verfälschung oder das Unterbinden der Signale der Positionssatellitensysteme (GNSSGlobales Navigationssatellitensystem). Die bekanntesten Netze sind die globalen Navigationssatellitensysteme GPSGlobal Positioning System (USA), GLONASS (Russland), Galileo (EUEuropäische Union) und Beidou (China).
Zehn Kilometer im (N)irgendwo
Ein Blick auf die Front in der Ostukraine zeigt, welches Ausmaß eine Manipulation der Navigationssignale annehmen kann. Kilometerweit können dort in beiden Richtungen der Frontlinie keine verlässlichen Positionsdaten empfangen werden. Die Signale sind gestört (GPSGlobal Positioning System-Degrading), gefälscht (GPSGlobal Positioning System-Spoofing) oder komplett blockiert (GPSGlobal Positioning System-Jamming). Alle diese Maßnahmen haben das Ziel, Aufklärung, den Einsatz von Lenkwaffen und die Steuerung und Kommunikation von Drohnen zu erschweren. Das Ergebnis ist ein mehrere Kilometer breiter Streifen, in dem kein Navigationsgerät funktioniert.
Heute greifen viele Systeme auf satellitengestützte Navigationsdaten zurück: im Flugverkehr, zu Land, im Weltraum und auf See. Jede Störung der Übertragung von Positionsdaten betrifft nicht nur militärische Einsätze, sondern auch die Sicherheit des zivilen Verkehrs. Die gesamte Logistikkette ist betroffen. Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei verlassen sich ebenso auf Satellitennavigation wie Mobilfunknetze, die GPSGlobal Positioning System und andere Systeme zur Organisation der Funkzellen nutzen.
Navigation Warfare: Der wachsenden Bedrohung begegnen
Gegenmaßnahmen gegen Angriffe auf satellitengestützte Navigation sind heute mehr als nur der Rückgriff auf Karte und Kompass oder Astronavigation. Der Bedarf an resilienten Navigationssystemen ist auch bei der Bundeswehr erheblich gestiegen. Trägheitsnavigation erlebt eine Renaissance und wird neben modernen Technologien wie der Quantennavigation in neuen Navigationsgeräten eingesetzt. Ziel ist es, eines der gefährlichsten Szenarien der Kriegsführung mit gefälschten Standortdaten zu verhindern: GPSGlobal Positioning System-Spoofing – wie es der Marinesoldat während seiner Seewache erlebt hat.
Daneben setzt die Bundeswehr unter anderem auf eine Kombination aus fortschrittlicher Antennentechnik, verschlüsselten und multifrequenten Signalsystemen, adaptiver Signalverarbeitung und organisatorischer Einbindung in multinationale Verteidigungsstrukturen. Die Entwicklung bleibt angesichts der dynamischen und ständig veränderten Bedrohungslage eine Daueraufgabe. Neue Systeme werden laufend in die Bundeswehr eingeführt. Von störungsresistenten (CRP-)Antennen bis zur geländeabhängigen Navigation, der Terrainfollowing Navigation, des Marschflugkörpers TAURUS NEONew Engine Option wird die Resilienz der Bundeswehr stetig ausgebaut.
Und wenn nichts anderes mehr geht, kann die Bundeswehr auf die bewährten Methoden der analogen Navigation zurückgreifen. Ein Soldat oder eine Soldatin mit Karte und Kompass kann ebenso navigieren wie ein Marineschiff anhand der klassischen Seekarte. Nicht umsonst sind solche Navigationsmethoden nach wie vor grundlegender Bestandteil der Ausbildung. Andere Streitkräfte haben diese Fähigkeiten in den letzten Jahren verloren und müssen sie nun mühsam wieder aufbauen. Es sind Kompetenzen, die die Bundeswehr nie abgelegt hat – sie müssen nur regelmäßig trainiert und vertieft werden. Sowohl im Feld als auch auf See lohnt es sich, Karte und Kompass wieder rauszuholen und ihren verlässlichen Einsatz zu üben.