Heer
Gräber des Zweiten Weltkrieges

Der Erinnerung einen Ort geben

Der Erinnerung einen Ort geben

Datum:
Ort:
Brandenburg
Lesedauer:
3 MIN

Es ist der 16. April 1945. In diesen Tagen bricht ein Inferno über das kleine märkische Dorf Lietzen herein. Die Feuerwalze rollt über Schützengräben und Stellungen der Seelower Höhen, kurz vor Berlin. In ihnen liegen deutsche Soldaten, meist sehr junge oder alte Männer, die in den letzten Kriegsjahren noch hastig eingezogen wurden. Im Kampf wird ihr Schicksal besiegelt.

Ein Soldat steht vor den Gräbern der gefallenen Soldaten und hält eine Rede.

Brigadegeneral Uwe Nerger hält die Trauerrede. Nach der Beisetzung unterzeichnet er eine Partnerschaftsurkunde mit dem Friedhof, um die gemeinsame Erinnerungsarbeit zu festigen.

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Allesamt werden sie in einem sinnlosen Krieg gegen die näherkommende sowjetische Streitmacht geopfert. Die traurige Bilanz: In weniger als 70 Stunden verlieren rund um Seelow 50.000 Menschen, sowjetische und deutsche Soldaten, ihr Leben. Heute, 76 Jahre später, ist von den damaligen Ereignissen nichts mehr zu sehen. Strahlender Sonnenschein beleuchtet die frühlingsgrüne märkische Hügellandschaft. Kein Schuss und kein Schrei sind mehr zu hören. Menschen fahren mit ihren Fahrzeugen auf der Landstraße an einer unauffälligen Kriegsgräberstätte vorbei. Kurz vor dem Ortseingang des brandenburgischen Dorfes Lietzen werden hier, am 16. April 2021, die sterblichen Überreste von 120 deutschen Kriegsgefallenen beigesetzt. Während der tobenden Schlacht wurden sie behelfsmäßig in den umliegenden Wäldern und an Wegen verscharrt. Nun erhalten sie endlich eine würdevolle Beisetzung.

Arbeit am Frieden geht weiter

Mehrere Soldaten stehen neben Zivilisten vor einer Reihe aufgestellter Blumenkränze, dahinter stehen kleine Särge.

Die Ehrengäste würdigen die Toten mit Worten des Gedenkens. Nach der Kranzniederlegung werden die Särge beigesetzt.

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Die Gefallenen werden unter der Anteilnahme weniger Gäste, darunter Lietzener Bürger, aber auch von Vertretern aus Politik und Militär, beigesetzt. „Es wurden noch längst nicht alle geborgen. Jährlich werden im Oderbruch die sterblichen Überreste, häufig mehrerer Hundert Gefallener, in Feldgräbern aufgefunden und von den Umbettern des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.eingetragener Verein und ihren autorisierten Helfern exhumiert“, erklärt Detlef Fritzsch, Mitglied des Bundesvorstandes des Volksbundes bei seiner Begrüßungsrede. Auch Brigadegeneral Uwe W. Nerger ist vor Ort. Er ist der Standortälteste am Kommando Heer in Strausberg, der obersten Führungseinrichtung des Heeres. Ungefähr fünfzig Kilometer ist das Kommando Heer von Lietzen entfernt. „Das Heer unterstützt im Zuge von Straßensammlungen. Heeresangehörige helfen dem Volksbund jährlich beim Erhalt von Kriegsgräberstätten. Unsere Soldatinnen und Soldaten helfen bei Umbettungen oder zeigen einfach nur Präsenz bei Trauerveranstaltungen, weil sie Anteil daran nehmen wollen, weil sie das Erinnern unterstützen. Ich rege alle Soldatinnen und Soldaten dazu an, sich aktiv mit der Geschichte Deutschlands auseinanderzusetzen und sie von allen Seiten kritisch zu beleuchten. Sie sollen aber auch erkennen, dass Geschichte immer weitergeht. Frieden ist nicht zum Nulltarif bestellbar, sondern es bedarf harter Arbeit, ihn zu erhalten“, so der General.

Würdevolle Beisetzung

Ein Zivilist in schwarzer Trauerkleidung legt die Särge in den Erdgraben.

Seite an Seite werden die sterblichen Überreste jedes gefundenen Soldaten beigesetzt

Bundeswehr/Maximilian Schulz

Die wenigsten Gäste werden an diesem Tag einen persönlichen Bezug zu den Gefallenen haben. Dennoch ist die Atmosphäre bei der Beerdigung andachtsvoll. Schließlich werden in diesem Moment 120 Menschen beigesetzt. Durch die Melodien der 42 Musiker vom Landespolizeiorchester Brandenburg, aber auch durch die würdevollen Worte der Redner ist aber eine gewisse Friedlichkeit, eine Zufriedenheit spürbar, diesen Menschen nach ihrem schrecklichen Schicksal einen letzten Ort der Ruhe gegeben zu haben. Hinter den Mitarbeitern und Unterstützern liegt harte Arbeit. Eine Einbettung, wie eine solche Beisetzung auf einer Kriegsgräberstätte genannt wird, ist die letzte Etappe des zeitintensiven Umbettungsprozesses, erklärt Diane Tempel-Bornett, Pressesprecherin des Volksbundes. Die Suche ist keineswegs einfach: „Es handelt sich häufig um Zufallsfunde. Aber wir untersuchen auch altes Kartenmaterial und Akten und wir wissen daher, wo Kämpfe stattgefunden haben.“ Die Arbeit geht weiter. Bereits in der kommenden Woche werden 80 sowjetische Soldaten, dieses Mal in Lebus, circa 10 Kilometer nördlich von Frankfurt (Oder), beigesetzt.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sucht, findet und birgt seit 100 Jahren die gefallenen Soldaten der Kriege und finanziert sich zu 70 Prozent aus Spenden. Jeder kann spenden, damit der Volksbund seine Aufgaben und Projekte finanzieren und umsetzen kann.

  • Musiker in Polizeiuniform spielen Musik auf einer Friedhofswiese, im Vordergrund ein christliches Kreuz aus Birkenholz.

    Für die Gefallenen spielen 42 Musiker des Landespolizeiorchesters Brandenburg

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Ein Pfarrer in schwarzem Talar wirft Erde über einen Sarg.

    Pfarrer Thomas Krüger aus Neuhardenberg hält die Andacht. Bereits sein Vater engagierte sich als Pfarrer für die Beisetzung Kriegsgefangener.

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Neben Steinkreuzen liegen 120 kleine graue Särge in Reihe auf der Wiese.

    Die engagierten Mitglieder des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.eingetragener Verein und ihre Helfer bargen rund um Lietzen 120 gefallene, deutsche Soldaten

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Ein Zivilist in grauem Mantel hat Papier in der Hand und hält vor einem Grab eine Rede.

    Detlef Fritzsch ist Mitglied des Bundesvorstandes des Volksbundes. Neben weiteren Ehrengästen hält er eine bewegende Abschiedsrede.

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Ein Soldat ordnet die Schleife eines Blumenkranzees, der auf einem Gestell steht.

    Zu Ehren der Gefallenen legt Brigadegeneral Uwe Nerger, stellvertretend für das Deutsche Heer, einen Kranz nieder

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Ein Soldat überreicht einem Zivilisten einen symbolischen Spendencheck auf dem Friedhof.

    Stellvertretend für die Soldaten, die dem Landeskommando Brandenburg unterstehen, überreicht Kommandeur Oberst Olaf Detlefsen den Erlös einer Sammelaktion an den gemeinnützigen Verein

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
  • Ein Zivilist in grauem Mantel spricht auf einem Friedhof.

    Oliver Breithaupt arbeitet für den Volksbund und ist Geschäftsführer des Landesverbandes Brandenburg. Er moderiert durch die würdevolle Veranstaltung.

    Bundeswehr/Maximilian Schulz
von Peter Müller

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