Heer
Zwei intensive Wochen

Grenadiere ohne Panzer – Wegbereiter des Bataillons

Grenadiere ohne Panzer – Wegbereiter des Bataillons

Datum:
Ort:
Munster
Lesedauer:
3 MIN

Gut vier Stunden nach Mitternacht kommt die Alarmierung per Telefon. Irreguläre Kräfte haben über Nacht Straßensperren errichtet, mit einem Angriff ist jederzeit zu rechnen. Nur 20 Minuten später sind die Kampfausrüstungen verladen, direkt nach der Befehlsausgabe ist die Marschbereitschaft hergestellt. Der Aufklärungs- und Verbindungszug (AV-Zug) rückt aus. Die Soldaten sollen die Verfügungsräume für weitere Kräfte erkunden und sichern.

Eine Gruppe Soldaten im Kampfanzug marschiert durch einen Wald.

Zu Fuß statt fahrend: Die Soldaten des Aufklärungs- und Verbindungszuges müssen das schnell verinnerlichen

Bundeswehr/Jan Drescher

Es ist die jährlich laufende Bataillonsübung des nicht-aktiven Panzergrenadierbataillons 908. Mit zwei Kompanien üben sowohl Grenadiere als auch – und das als Novum – gleichzeitig Unterstützungskräfte. Die Panzergrenadiere betreten damit Neuland. Die Ausbildung zum Aufklärungs- und Verbindungssoldaten (AV-Soldaten) bedeutet vor allem für die bereits länger gedienten Reservisten von 908 eine Umstellung. Ohne Schützenpanzer, mit leichter Kopfbedeckung, dem Buschhut anstatt mit Helm, und nur mit leichter Bewaffnung gehen die AV-Soldaten vor.

Aktive Fernspähfeldwebel aus der Truppe bilden die Kameraden in den zwei Wochen aus. Um in nur 14 Tagen die Abschlussübung zu bestehen, werden die Soldaten zunächst theoretisch weitergebildet. Es geht darum, wie sie sich im Gelände orientieren, Verbindungen halten, ausweichen und dem Feinddruck standhalten. Es folgen Trockenübungen, Drills, Übungsdurchgänge. Alles stets unter der Prämisse: sehen, ohne gesehen zu werden. 

Alle sind hoch motiviert

Zwei Soldaten stehen mit dem Gewehr in der Vorhalte links und rechts eines Waldweges.

Einweiser der Aufklärungs- und Verbindungszüge nehmen beim Beziehen des Verfügungsraumes die Folgekräfte auf

Bundeswehr/Jan Drescher

„Für mich ist das hier wie nach Hause kommen“, schwärmt ein Reservist und ehemaliger Scharfschütze: „Da 908 derzeit keine Scharfschützentrupps hat, ist das hier die beste Möglichkeit, meine Fähigkeiten einzubringen“, sagt er. Gern hätte er mehr erzählt, doch der Ausbilder des Zuges ruft den nächsten Durchgang auf. „Ausweichdrills“ heißen nicht ohne Grund so. Erst was wirklich beherrscht wird, sitzt im Ernstfall auch. Unter Feinddruck geordnet und nicht überhastet zu handeln, bedarf steter Übung. So sieht das auch ein junger Medizinstudent aus Witten: „Natürlich muss das hier fordernd sein. Nur wenn wir unseren Auftrag erfolgreich ausführen, können unsere anderen Kompanien effizient und sicher eingesetzt werden. Eigentlich müsste es noch viel komplexer werden“, erklärt der Fahnenjunker. Der Wunsch des Witteners soll sich schon wenige Tage darauf erfüllen.

Bei einem vermeintlichen Routinespähauftrag fallen Schüsse und Explosionen sind hinter den Soldaten zu hören – der Feind hat ihre Fahrzeuge gefunden und zerstört. Jetzt heißt es für die Reservisten, kühlen Kopf bewahren und den Gegner bekämpfen. Sie müssen zurück zu den eigenen Kräften, die 18 Kilometer entfernt sind und das bei Nacht und unter Feinddruck. Nach mehrmaligem Ausweichschießen mit feindlichen Kräften erreichen sie müde und mit wenig Munition die eigene Aufnahmelinie. Ein letztes Mal konzentrieren: Was war noch gleich der Flashcode für die Aufnahme? Dann ist es geschafft. Der Zugführer zieht sein Resümee und schickt die Soldaten zum Ruhen. Nur kurz, denn die nächsten Aufträge stehen an.

Kurze Ruhezeiten

Ein aufgebauter Rastplatz aus Zeltbahnen und Tarnfächern.

In einem schnell eingerichteten Platz der Gruppe finden die Aufklärungssoldaten ein wenig Schlaf, bevor es weitergeht

Bundeswehr/Jan Drescher

Und wieder knistert es im Funkgerät: ein neuer Spähauftrag. Die Truppführer sammeln sich zur Befehlsausgabe, die Kraftfahrer fahren die Fahrzeuge auf. Eine Brücke muss auf Gangbarkeit geprüft werden. Zwei Trupps nähern sich der Brücke, die feindfrei scheint. Dann entdeckt einer der Soldaten Drähte – die Brücke ist zur Sprengung vorbereitet, ein Räumkommando muss her. Bis zum Eintreffen der Unterstützung sichern die Trupps die Brücke. Doch schon wieder läuft ein Auftrag ein: Nach einem Feuergefecht sind feindliche Kräfte ausgewichen, die Spähtrupps müssen die Fühlung zum Gegner wiederherstellen. Das Wissen um die Lage des Gegners darf nicht verlorengehen. Kaum steht die neue Sicherung der Brücke, geht es los – zum nächsten Aufklärungsziel. Eine Aufgabe folgt der anderen. In der Übung gehen die Reservisten bis an ihre Grenzen.

Koordiniertes Ausweichen

Soldaten knien im offenen Wald beim Ausweichschießen.

Der Aufklärungs- und Verbindungszug läuft auf Feind auf. Jetzt müssen die Soldaten schnell handeln und Feuerüberlegenheit herstellen.

Bundeswehr/Jan Drescher

Plötzlich Maschinengewehrfeuer. Einer der Spähtrupps ist auf eine feindliche Stellung aufgelaufen. Zeitgleich wird auch der zweite Spähtrupp angeschossen. Jetzt muss das Ausweichen unter Feinddruck funktionieren. Und die letzten Tage zeigen ihre Wirkung. Routiniert bauen die Soldaten Feuerüberlegenheit auf, die Trupps weichen aus, lösen sich vom Feind. Über Funk geben sie Lagemeldungen ab. Der Befehl zum Ausweichen kommt, präzise.

„Wie Sie gemerkt haben, haben Sie in den letzten zwei Wochen viel gelernt“, schließt der Zugführer diesen Ausbildungsabschnitt ab: „Doch Sie befinden sich erst am Anfang dieser Ausbildung. Vergessen Sie das nicht und kommen Sie wieder.“

Die Reservistendienstleistenden freuen sich bereits jetzt auf die nächsten Übungen auf ihrem Weg zum begehrten Ausbildungsprädikat Aufklärungssoldat Panzergrenadiere.

von Jan Drescher

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