Stürmender Greif – Fallschirmjäger in der Landezone
Stürmender Greif – Fallschirmjäger in der Landezone
- Datum:
- Ort:
- Celle-Wietzenbruch
- Lesedauer:
- 5 MIN
Mit dem Fallschirmsprung startet der Einsatz. In mehreren Wellen setzen zwei Transportflugzeuge vom Typ Airbus A400M Fallschirmjäger ab. Die Übung Stürmender Greif läuft. Soldatinnen und Soldaten aus dem niedersächsischen Seedorf trainieren im Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit in Celle militärische Luftlandeoperationen.
Die Luft vor dem Hangar II des Heeresflugplatzes Celle verliert bereits das letzte bisschen Morgenkühle, Fallschirmjäger machen sich bereit. Ein weiterer anstrengender Tag der Übung Stürmender Greif liegt vor ihnen. Die Sprunggepäcke mit den leuchtend roten Aufziehleinen tragen die Soldaten dicht am Körper. Kurz darauf verschwinden alle im Laderaum der beiden riesigen Transportflugzeuge. Die Triebwerke dröhnen und der Geruch von Kerosin liegt in der Luft.
Die Mission
Für einige der Fallschirmjäger liegt ihr erster Fallschirmsprung nur wenige Wochen zurück. Jetzt springen sie taktisch in einer realen Gefechtsübung. Bei der Übung Stürmender Greif springen die Soldaten über einem festen Zielpunkt ab. Sicher am Schirm gelandet, sammeln sie sich und müssen sofort in den Angriff übergehen. Währenddessen setzen die Transportflugzeuge in weiteren Wellen immer mehr Kameradinnen und Kameraden in der Landezone ab. Am Boden gibt es verschiedene Ziele und jeden Tag bekommt eine andere Kompanie einen sich ändernden Auftrag. Die heiße Junisonne macht dabei jeden Kilometer und jedes Kilogramm Extragewicht für die Männer und Frauen sofort spürbar. Körperliche Fitness, Willenskraft und Durchhaltevermögen sind von allen gefordert.
Ausbildung und Übung
Oberst Jörn Rohmann ist der Kommandeur des Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit in Celle. Er freue sich, mit seinem Team die Übung zu unterstützen, sagt er. Aus Celle kam neben der infrastrukturellen Unterstützung auch das Leitungspersonal für diese Gefechtsübung. „Die Zusammenarbeit mit der Truppe aus dem Fallschirmjägerregiment 31 ist in gewohnter Weise sehr effizient“, betont er. Das gesamte Leitungspersonal und der voll funktionsfähige Flugplatz sind dieses Mal gefragt. Der Stürmende Greif ist nicht nur organisatorisch fordernd, an der Übung sind insgesamt über 700 Soldatinnen und Soldaten beteiligt.
Von der Übung in den Ernstfall
„Die Übung gliedert sich in einen planerischen sowie einen praktischen Anteil“, erklärt Rohmann. „Auch in kriegerischen Konflikten, in denen hauptsächlich konventionelle ‚Freund-Feind-Kategorien‘ zum Tragen kommen, haben sich die eigenen Kräfte noch anderen vielschichtigen Herausforderungen zu stellen. Die Truppe muss ein breites Spektrum an Fähigkeiten mitbringen, das über die Kernfähigkeit des Kampfes hinausgeht“, so der Oberst. Dies könne nicht erst in einem realen Einsatz erprobt und geübt werden, sondern müsse in ausgefeilten Übungslagen durchexerziert werden.
Szenario in einem fiktiven Land
Obsidia ist der Name für eine militärisch angelegte Lage, auf der diese Übung basiert. Alle an der Mission beteiligten Soldaten haben damit das gleiche Ziel vor Augen und handeln nach gleichen Absichten: In einem Teil des fiktiven Landes Obsidia haben sich Unruhen gehäuft. Das Land zerbrach infolgedessen. Die Unruhen im inländischen Grenzgebiet schwelten weiter. Nach einer UNUnited Nations-Resolution und gebilligtem Mandat folgte der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Einsatz unter deutscher Führung. Diese Operation hat jedoch wenig mit Brunnenbohren oder Lebensmittelverteilung zu tun. Es geht um die Stabilität und die Zukunft eines Landes, um die Sicherheit von Leib und Leben der Zivilbevölkerung. Wie auch im realen Leben in zahlreichen Ländern der Erde ist die Bevölkerung sehr heterogen zusammengesetzt und längst nicht alle Ethnien und Bewohner wollen das Gleiche.
Die Lage am Boden ist nicht immer klar
Zu den Akteuren gehören nicht nur offen feindlich oder freundlich agierende Streitkräfte. Zivilbevölkerung, Polizeikräfte, Milizen oder Anwohner mit jeweils eigenen Interessen und Bedürfnissen wurden schon während der Planung, aber auch später in der Lage vor Ort, mitberücksichtigt. Im Szenario spitzte sich die Lage permanent zu und Unruheherde zeichnen sich ab. Ab genau diesem Moment beginnt für die Soldaten des Fallschirmjägerregiments 31 die Lage. Ab diesem Moment leben und agieren sie de facto im Szenario, in dieser Situation erreichen sie ihre Landezone.
Intensive Vorbereitungen und mehrere parallel laufende Planungsphasen im Gefechtsstand in Celle prägen die erste Woche. Welche Aufklärungsergebnisse liegen bereits vor, wo ist der Schwerpunkt anzusetzen, was steht zur Verfügung und was muss damit unter welchen Bedingungen erreicht werden? Raumordnung, Luft-Boden-Integration, möglicher Einsatz der Reserven und Koordination von Waffenwirkung und Lufttransportraum sind Fragen, die geklärt werden. Immer wieder werden Arbeitsergebnisse, Erkenntnisse und Lageänderungen zusammengeführt, ausgewertet und besprochen, Pläne entwickelt und optimiert, bis schließlich der stellvertretende Regimentskommandeur seinen Entschluss zur Operationsführung formuliert.
Alleinstellungsmerkmal der Fallschirmjägertruppe
Oberstleutnant Mirko Bindewald, der stellvertretende Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 31, unterstreicht, dass die Luftlandeoperationen im Fallschirmsprungeinsatz ein Alleinstellungsmerkmal der Fallschirmjägertruppe sind. „Diese Einsatzform ist komplex. Sie ermöglicht es, zu jeder Zeit und an jeden Ort der Welt schnell und überraschend eigene Kräfte zu projizieren.“ Das könne etwa die Voraussetzungen für Folgeoperationen weiterer Kräfte schaffen. Denkbare Szenarien seien das Nehmen und Halten von Schlüsselgelände und kritischer Infrastruktur, wie beispielsweise von Flugplätzen oder Brückenübergängen.
„Für diese Einsatzform bedarf es des Zusammenspiels vieler Akteure und Fähigkeiten, minutiös aufeinander abgestimmt, synchronisiert und schnell. Meistens ist dabei die Lage unklar und es gibt immer kritische Momente in der Gesamtoperation“, so Bindewald.
… und immer multinational
Der vorbereitenden Gefechtsstandarbeit folgt unmittelbar das Gefecht und der taktische Fallschirmsprungdienst in verschiedenen Situationen. Dass mehrere Kompanien als Verband üben, ist nicht die einzige Besonderheit der Übung Stürmender Greif. Oberstleutnant Sven S. hat den Übungsdurchgang in Celle koordiniert. Er betont ein weiteres Novum: Dass zwei Airbus A400M nahezu simultan in einem taktischen Fallschirmsprungeinsatz Fallschirmjäger absetzen, auch das habe es so in der Bundeswehr noch nicht gegeben.
Neben der Gefechtsübung nutzt das Fallschirmjägerregiment 31 die Übung, um Fallschirmspringer aus Großbritannien, Dänemark und den Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Fallschirm abzusetzen. Insgesamt erfolgen über 800 Absetzungen mit dem Airbus A400M und dem kleineren Transportflugzeug Skytruck M28.
Anstrengung, die sich lohnt
„Die Komplexität von Luftlandeoperationen im Fallschirmsprungeinsatz haben wir bei der Übung Stürmender Greif unter hervorragenden Rahmenbedingungen am Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit geübt. Wir haben neue Verfahren mit dem A400M erprobt und uns somit in unserer Kernfähigkeit weiter verbessert. Die Übung war ein voller Erfolg und schafft gute Voraussetzungen für folgende Übungs-, Ausbildungs- und Einsatzaufgaben“, resümiert Oberstleutnant Bindewald für die Seedorfer Fallschirmjäger.
Auch in Celle wird ein positives Fazit der Übung gezogen: Bereits vorhandenes Können wurde gefestigt und bestätigt. Was nicht in Gänze beherrscht wurde, registrierte die Leitung und wertete es aus. Die Seedorfer Fallschirmjäger haben sich in jeder Hinsicht der fordernden Übung gestellt und die taktischen Ziele erreicht, betont Oberst Rohmann. Auf den Punkt gebracht: Die Übung war erfolgreich, die Anstrengungen haben sich gelohnt.