Marine
Erklärstück

Hydrographie für U-Boot-Jäger

Hydrographie für U-Boot-Jäger

Datum:
Ort:
Rostock
Lesedauer:
4 MIN

Komplexe Umweltbedingungen schaffen unter Wasser ein Gefechtsfeld, das sich ständig ändert. U-Boot-Abwehr muss also flexibel sein und dreidimensional denken.

Ein grauer Hubschrauber fliegt über den Aufbauten eines grauen Kriegsschiffs in See.

U-Jagd-Hubschrauber wie der Sea Lynx geben Fregatten für die U-Boot-Abwehr große Reichweite und merkliche Eindringtiefe in die Wassersäule

Bundeswehr/Christian Galski

Wer auf eine Landkarte schaut, für den ist die See eine blau gefärbte Fläche. Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich aber für U-Boote und U-Boot-Abwehr ein komplexer, dreidimensionaler Raum. Nicht überall können Schiffe und Unterseeboote sich frei bewegen, und auch unter Wasser gibt es gute Verstecke.

Große Überwasserschiffe zum Beispiel müssen genau auf die Zehn- oder sogar Zwanzig-Meter-Tiefenlinie schauen, um teils noch weit vor einer Küste nicht auf Grund zu laufen. Mittelgroße U-Boote wie die vom Typ 212A der Deutschen Marine brauchen ebenso mindestens zwanzig Meter Wassertiefe, um überhaupt tauchen zu können. Für Seeleute liegt die Grenze zum Land also auf einer ganz anderen Linie als etwa für Strandbesucher die Grenze zum Meer. Das gilt besonders zum Beispiel für Nord- und Ostsee, die ohnehin flach und von Gezeiten geprägt sind.

Je tiefer das Wasser wird, umso besser ist das natürlich für U-Boote – während größere Wassertiefen für Schiffe ebenso natürlich keine Rolle mehr spielen. Dafür bleiben letztere Niederschlag, Wind und Wellen ausgesetzt, während erstere solche Umwelteinflüsse untertauchen können. Auch sind Strömungen im tiefen Wasser andere als direkt an der Oberfläche.

Die Wassersäule reicht von warm bis kalt

Eine Soldatin erklärt etwas und zeigt dabei auf eine digitale Wetterkarte.

Wetterbriefing im Stabsraum einer Fregatte. Die Meteorologen der Marine müssen nicht nur das tägliche Wetter über, sondern auch unter Wasser briefen.

Bundeswehr/Marcus Mohr

Die Beschaffenheit von tiefem Wasser ist von mehreren Faktoren bestimmt, die die sogenannte Wassersäule von der Oberfläche bis zum Meeresboden in unterschiedliche Schichten aufteilen. Temperatur, Salzgehalt und Druck ändern sich. Sie beeinflussen die Reichweite von Sonargeräten erheblich – egal welche Aktionsradien die Sonarsignale hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften selbst haben.

Oberflächenwasser wird vor allem im Sommer, bei viel Sonneneinstrahlung, relativ warm; das tiefere und damit kältere Wasser variiert in seiner Temperatur weniger stark über das Jahr. Auch nimmt die Menge an Meersalz im tieferen Wasser zu. 

Ab einer bestimmten Tiefe, die sich von Tag zu Tag ändern kann, sinkt die Temperatur deutlich. Genau auf dieser Tiefe entsteht dann eine Sprungschicht, die wie ein horizontaler Vorhang alle Geräusche – je nach Perspektive darunter oder darüber – abdämpft, manchmal auch ganz verschluckt. Auch aktive Sonarsignale können die Sprungschicht nur schlecht oder gar nicht durchdringen. Unter dieser Schicht können sich U-Boote deshalb vor Schiffen oder Bordhubschraubern ziemlich sicher fühlen – solange diese nicht Sonarsensoren haben, die tief genug abtauchen können. 

Wetter unter Wasser

Die genaue Tiefe der Sprungschicht in der Wassersäule schwankt zwischen wenigen Dutzend und bis zu rund zweihundert Metern. Für viele Meeresgebiete weltweit gibt es sogar hydrographische Vorhersagen, geliefert von Militärmeteorologen: Das tägliche Sonarwetter ist eine von vielen relevanten Informationen für die U-Boot-Abwehr. Sind die Umweltbedingungen entsprechend, können sich, bedingt durch Temperatur, Druck und Salzgehalt, auch mehrere Sprungschichten bilden.

Eine Infografik

Schallkanäle unter Wasser sind natürliche Daten-Highways. Sie entstehen in der Regel zwischen zwei sogenannten Sprungschichten, manchmal auch direkt unter der Wasseroberfläche.

Bundeswehr

Unter günstigen Bedingungen entsteht zwischen diesen Schichten – oder einer Sprungschicht und der Wasseroberfläche – sogar ein sogenannter Schallkanal: Zwischen beiden Ebenen reflektieren dann Geräusche oder Sonarimpulse immer wieder und erhalten damit eine mehrfache Reichweite dessen, die sie ohne die Sprungschichten nicht hätten. Schall hallt hier über Dutzende von Seemeilen weiter. Ein gutes, tieffrequentes Schleppsonar kann dann selbst ein langsam fahrendes U-Boot auf große, sichere Distanz entdecken. Aber nur, wenn es sich im Schallkanal befindet.

Moderne Unterseeboote nutzen – je nach ihrer maximalen Tauchtiefe – daneben auch die Topographie des Meeresbodens für sich aus. Exakt vermessene Seekarten erlauben es ihnen, sicher durch Schluchten und Berge unter Wasser zu navigieren. Auch wenn das in Realität nie so dramatisch knapp ist wie im Actionthriller „Jagd auf Roter Oktober“. 

Norwegens U-Boote fahren wie die „Roter Oktober“

Norwegische U-Boot-Fahrer zum Beispiel kennen die zerfurchte Unterwasserlandschaft vor ihrer steilen heimatlichen Küste sehr gut. Und nutzen das aus. Bereits mitten in den Fjorden gehen sie auf Tiefe und sind für Beobachter verschwunden. Ab mehreren hundert Metern Tiefe ist aber auch für moderne Unterseeboote Schluss. Amerikanische Jagd-U-Boote der Virginia-Klasse etwa haben angeblich eine maximal sichere Tauchtiefe von bis zu 500 Metern.

Wird auf der anderen Seite des Spektrums das Wasser wieder flacher, wird die Lage für die U-Boot-Abwehr nicht einfacher. Sandiger Meeresboden kann Geräusche verschlucken, felsiger Boden erzeugt viele Echos und damit falsche Kontakte. Auch können moderne Schleppsonare aufgrund fehlender Wassertiefe nicht ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten. 

Auf der Plus-Seite für U-Boot-Jäger aber: Ihre Beute kann nicht mehr tief abtauchen, sondern kann sich fast wie ein Überwasserschiff nur noch horizontal bewegen. Und auch U-Boot-Sonare verlieren ihre oft überlegene Reichweite, allein weil es keine Sprungschichten mehr gibt.

Die Distanzen, über die sich potentielle Gegner entdecken können, sind im flachen Wasser also deutlich kleiner als im offenen Ozean. Das macht die Anti-Submarine Warfare in Gebieten wie Ostsee, Nordsee oder Ärmelkanal gefährlicher. Und tödlicher.

von Marcus Mohr  E-Mail schreiben

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