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„Der Indopazifik ist für uns eine Region von höchster Bedeutung“

„Der Indopazifik ist für uns eine Region von höchster Bedeutung“

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
5 MIN

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, über das Thema der Studienphase des LGAN 2021.

Fregatte Bayern in Japan

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, spricht anlässlich des Hafenbesuchs der Fregatte F 217 Bayern in Tokio/Japan im Rahmen des Indo-Pacific Deployments 2021

Deutsche Botschaft Tokio

Der Indo-Pazifik hat an Relevanz gewonnen, die Leitlinien Indo-Pazifik werden  mit Leben gefüllt: Gerade hat die Luftwaffe dort eines der größten Projekte ihrer Geschichte beendet. Bei „Rapid Pacific 2022“ wurden mehrere Einzelvorhaben zu einem Gesamtkomplex zusammengefasst, insgesamt waren 250 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Deutsche Kampfflugzeuge sind erstmals dorthin entsendet worden. Mit dem A400M wurde der Erdball zum ersten Mal komplett umrundet: über 46.000 Kilometer in 64 Flugstunden – weltweite Einsatzbereitschaft. Mehrere Aufgaben wurden gleichzeitig erfolgreich übernommen: mit unseren NATO-Verbündeten die Ostflanke des Bündnisses schützen und mit unseren Wertepartnern in Asien und Australien gemeinsam üben. Welche Bedeutung hat die Region für uns? Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, geht im Interview auf diese Region ein und erläutert, warum sich der LGAN 2021 aus verschiedenen Perspektiven damit auseinandersetzt. 

 Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, im Gespräch

General Eberhard Zorn im Gespräch mit den Lehrgangsteilnehmenden des LGAN

Bundeswehr/Katharina Roggmann

Herr General, der Lehrgang Generalstabs- und Admiralstabsdienst National (LGAN) befasst sich mit dem Indo-Pazifik. Wie ist der Fokus auf dieses Thema entstanden? 

General Eberhard Zorn: Vom Ministerium bis zur Führungsakademie machen sich jedes Mal viele Menschen Gedanken darüber, was der LGAN in seinen zwei Jahren in meinem Auftrag näher untersuchen soll. Dabei geht es um Fernsicht, um strategische Relevanz. Gerade weil die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht in das operative Tagesgeschäft eingebunden sind, haben sie den Kopf frei für strategische Themen. Und genau das wollen wir nutzen. Angesichts des russischen Angriffskriegs liegt unser Fokus im Moment auf Europa, besonders auf der NATO-Ostflanke. Dennoch ist der indopazifische Raum für uns eine Region von sehr hoher Bedeutung.

War das vor zwei Jahren schon klar, als Sie das Thema für die Studienphase des LGAN 2021 festlegten? 

Zorn: Klar war auf jeden Fall: Mit dem sukzessiven Aufstieg Asiens verschieben sich die politischen und ökonomischen Gewichte zunehmend in den indopazifischen Raum. Hier konkurrieren strategische Projektionen und verflechten sich globale Wertschöpfungsketten. Deshalb war das Thema vor zwei Jahren wichtig, und deshalb ist es heute noch genauso wichtig. Die Region ist von wesentlicher Bedeutung für die Gestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert. 

Welches sind die größten Konflikte im Indo-Pazifik? 

Zorn: Das Gesamtgefüge der Region ist angesichts erheblicher Machtverschiebungen und wachsender Differenzen in Bewegung. Zurückliegende Konflikte wirken sich bis heute auf die Stabilität aus. Es gibt viele umstrittene Grenzverläufe, ungelöste Gebietsfragen an Land und auf See, Netzwerke des internationalen Terrorismus, religiöse Spannungen, innere und grenzüberschreitende Konflikte mit Flüchtlingsbewegungen, eine wachsende Ausnutzung von Grauzonen, gerade im Cyber- und Informationsraum, Piraterie und Kriminalität. Der Raum ist institutionell und normativ wenig durchdrungen und von stark zunehmenden Rüstungsdynamiken geprägt. Diese an sich bereits schwierige Gemengelage wird durch die sich immer weiter zuspitzende ideologische, politische, wirtschaftliche, aber auch militärische Rivalität zwischen den USA und China überlagert. 

Übung Rapid Pacific in Japan

Eurofighter während der Übung Rapid Pacific 2022

Bundeswehr/Christian Timmig

Welche Rolle kann Deutschland militärisch überhaupt im indopazifischen Raum spielen? 

Zorn: Mit den 2020 herausgegebenen „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ hat Deutschland seine Interessen in der Region definiert und Maßnahmen skizziert, um diesen Nachdruck zu verleihen. Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr unterstützen diese strategischen Ziele der Bundesregierung insbesondere mit militärischer Präsenz in der Region und mit einer intensiveren Zusammenarbeit bei gemeinsamen Übungen und Ausbildungen. Von August 2021 bis Februar 2022 war unsere Fregatte BAYERN im Seegebiet zwischen dem Horn von Afrika, Australien und Japan unterwegs. Die Mission lautete in erster Linie: „Flagge zeigen“ – und das ist uns auch gelungen. Unsere Marine demonstrierte mit ihrer Präsenz im indo-pazifischen Raum, dass sie ein verlässliches, weltweit einsetzbares sicherheitspolitisches Instrument ist.  Von der starken Signalwirkung dieses Engagements auf unsere Wertepartner in der Region konnte ich mich unter anderem in Japan persönlich überzeugen. 

Nach der Marine war nun auch die Luftwaffe im Indo-Pazifik präsent: Mitte August hat sie sechs Eurofighter, vier Transportflugzeuge A400M und drei Tankflugzeuge A330 nach Australien verlegt. Was war das Ziel von „Rapid Pacific“?

Zorn: Die Luftwaffe hat hier bewiesen, dass sie in der Lage ist, Kampfeinheiten schnell und über große Entfernungen zu verlegen: In diesem Fall ist sie in weniger als 24 Stunden von Deutschland nach Asien geflogen, das ist eine bemerkenswerte Leistung. Auch die Luftwaffe demonstrierte ihre Einsatzbereitschaft und ihre Interoperabilität mit Wertepartnern in der Region. Sie nahm mit 250 Soldatinnen und Soldaten in Australien beispielsweise an zwei internationalen Übungen teil. Bei der Luftkampfübung „Pitch Black“ übten unsere Eurofighter mit internationalen Partnern in größeren Formationen Luftangriffe und Verteidigung. Bei der multinationalen Seekampfübung „Kakadu“ ging es um den Schutz von Schiffen aus der Luft. Vor der Rückverlegung nach Deutschland übte unsere Luftwaffe noch gemeinsam mit der Singapur Air Force und besuchte Verbündete in Japan und Südkorea. Diese beiden Kurzbesuche dienten ebenfalls der Vertiefung der Beziehungen zu den dortigen Wertepartnern. 

Wenn 2024 die Marine wieder Richtung Indo-Pazifik aufbricht, was ist dann für 2023 geplant? 

Zorn: Fest steht: Wir werden unser militärisches Engagement im Indo-Pazifik fortsetzen – mit dem Ziel, dort Stabilität, Sicherheit und Wohlstand zu fördern und für unsere Interessen einzutreten. Wir wollen ein verlässlicher Partner in der Region bleiben und unserer Verantwortung für völkerrechtliche Prinzipien wie territoriale Integrität und Freiheit gerecht werden. 2023 werden wir deswegen auch erstmals mit dem Heer an der Übung „Talisman Sabre“ in Australien teilnehmen. Übrigens wurde auch die Luftwaffe bei ihrem jetzigen Besuch eingeladen, 2024 wiederzukommen. 

Was immer der LGAN für ein mögliches stärkeres Engagement Deutschlands im Indo-Pazifik vorschlagen mag: Kann die Bundeswehr im Angesicht aktueller Verpflichtungen und Kräftebindungen in Europa überhaupt einen stärkeren Beitrag im indopazifischen Raum leisten? Oder geht es nicht eher um eine „Arbeitsteilung“ mit den USA: Wir kümmern uns stärker um Europa und ihr übernehmt den Indo-Pazifik? 
Zorn: Es ist richtig, dass wir uns im Augenblick alle darauf konzentrieren müssen, unsere Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung zu stärken. Es war bisher die größte Stärke der NATO, dass Europa und die USA sich in Krisen aufeinander abstützen konnten und zusammenstanden. Deswegen werden wir auch in Zukunft Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Ich habe aber auch oben ausgeführt, dass schon ein kleiner Beitrag im indo-pazifischen Raum eine große Wirkung erzielen kann.

Brauchen wir vielleicht eine eigene „NATO“ für den Indo-Pazifik? 

Zorn: Das steht derzeit nicht auf der Agenda.

von Simone Meyer  E-Mail schreiben

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