Zwischen Lernen und Kinderbetreuung – Seminarteilnehmer berichtet
Zwischen Lernen und Kinderbetreuung – Seminarteilnehmer berichtet
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 4 MIN
Wenn Major René Fröhlich in diesen Tagen an einem Seminar an der Führungsakademie der Bundeswehr teilnimmt, dann trägt er weder seine Uniform, noch nimmt er dafür Platz im Hörsaal. Vielmehr schnappt er sich seinen Laptop und sucht sich einen ruhigen Raum in seiner Dreizimmerwohnung. Der 34-Jährige gehört zu den Lehrgangsteilnehmenden des Generalstabs- und Admiralstabsdienstes National (LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National), die erstmals von zu Hause aus ein Onlineseminar besuchen können.
„Wir beschäftigen uns gerade mit militärhistorischen Beispielen“, erklärt Fröhlich. Am Ende sollen die Lehrgangsteilnehmenden Rückschlüsse daraus ziehen – was ist in vergangenen Kriegen gut, was ist eher schlecht gelaufen. So geht es in den ersten Tagen vor allem darum, die in einer Lernplattform bereitgestellten Dokumente zu lesen und durchzuarbeiten. In regelmäßig stattfindenden Videokonferenzen tauschen sich Dozenten und Lehrgangsteilnehmende darüber aus. „Ich kann mir die Zeit relativ gut einteilen. Wann ich die Quellen lese, ist egal. Wichtig ist nur, dass ich es tue“, sagt der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National-Teilnehmer, der nun seinen Tagesablauf nach den Videokonferenzen ausrichtet. Doch alles ist nicht planbar: „Ich habe eine zweijährige Tochter. Sie möchte natürlich auch unterhalten und beschäftigt werden. Das ist manchmal schon eine Herausforderung.“
Private Geräte kommen zum Einsatz
Dass das Fernlernen dennoch machbar ist, beweist Fröhlich jeden Tag. Da in der Wohnung kein Platz für ein Arbeitszimmer ist, nutzt er für Videokonferenzen häufig das Schlafzimmer. Der Grund: „Den Raum kann ich abschließen. Ohne abschließbaren Raum wäre es schwierig. Denn meine Tochter möchte auch gern dabei sein und gucken was der Papa macht“, sagt er. Wenn er über Fallbeispiele diskutiert, kümmert sich seine Frau derweil um das gemeinsame Kind – und hält ihm den Rücken frei. Doch nicht bei jedem Lehrgangsteilnehmenden ist das so umsetzbar. So komme es auch schon mal vor, dass bei Diskussionsrunden Kinder im Hintergrund spielen. „Ich finde es nicht schlimm. Das gehört nun mal auch dazu. Jeder muss schauen, wie er die Betreuung regeln kann.“ Flexibel ist Fröhlich vor allem bei der Nutzung seiner privaten Geräte: Mit dem Laptop nimmt er an den Konferenzen teil, das Smartphone kommt zum Einsatz, wenn Nachrichten untereinander ausgetauscht werden müssen und zum Lesen greift er auf sein Tablet zurück. Auch wenn das Fernlernen viele Vorteile mit sich bringt, werden im heimischen Umfeld nun auch die Nachteile sichtbar: Die Dozenten und Lehrgangsteilnehmenden nutzen vor allem private Accounts und Dienste, um untereinander zu kommunizieren. „Das ist schade, aber natürlich ist es nicht möglich, einen großen Apparat wie die Bundeswehr in ein paar Tagen oder Wochen umzustellen“, sagt Major Fröhlich.
Diskussionsrunden verändern sich
Einige Elemente des Onlineseminars sind vergleichbar mit dem Präsenzunterricht an der Akademie, andere hingegen unterscheiden sich. So spiele es keine Rolle, ob die Dokumente im Hörsaal oder am Wohnzimmertisch gelesen werden. Doch wenn es um Interaktion geht, sieht das Ganze schon anders aus. „Ich bin ein großer Fan der Digitalisierung, aber man darf die soziale Komponente nicht vernachlässigen. Die physische Präsenz des Gesprächspartners und die damit verbundene bessere Wahrnehmung nonverbaler Kommunikation sind unersetzlich.“ Zumal beim Videochat Bild und Ton auch ausgeschaltet werden können. „Das kann ich vor Ort nicht“, sagt Major Fröhlich mit einem Lachen. Nach dem Seminar einfach mal ein fünfminütiges Pausengespräch mit dem Dozenten auf dem Gang führen – sich Feedback einholen – ist nicht mehr so einfach umsetzbar. Dazu kommen Verbindungsabrisse oder Störungen, die es nicht immer möglich machen, sich durchgehend auszutauschen und zusammenzuarbeiten. „Es fehlt die Konfrontation, das aneinander reiben, um neue Erkenntnisse zu bekommen. Das klappt mit den digitalen Medien aus meiner Sicht nicht so gut, wie es im Präsenzunterricht klappen würde.“ So habe Fröhlich den Eindruck, dass digital weniger und anders diskutiert wird. Einzelne Lehrgangsteilnehmende hatten anfangs noch Berührungsängste mit dem neuen Vorgehen, andere mussten sich erst mit der Technik vertraut machen.
Nicht jeder Inhalt kann besprochen werden
Zudem werden die Diskussionsrunden kleiner, da ein gesamter Hörsaal mit 110 Teilnehmenden per Videokonferenz schlecht abgebildet werden kann. „Man muss anders diskutieren, man muss sich da eine gewisse Disziplin aneignen und das Ganze dauert erstmal länger und ist ruhiger, weil die Emotionen fehlen. Das kann gut sein, muss aber nicht immer gut sein. Es hat alles Vor- und Nachteile.“ Beim Pilotprojekt sind die Regeln klar definiert: Ein Diskussionsleiter stellt eine Frage oder wirft eine These in den Raum. Wer etwas dazu sagen möchte, macht auf sich aufmerksam – meist über die „Melden“-Funktion, die direkt im Programm abrufbar ist. Nicht jeder Inhalt kann per Videokonferenz besprochen werden. Das ist auch der große Unterschied zu anderen Hochschulen oder Einrichtungen: „Wir haben beim Militär gewisse Einstufungsgrade und damit sind auch spezielle Absicherungsmaßnahmen verbunden. Konkret heißt es: Wir können derzeit nur offene Inhalte besprechen.“ Auch wenn Corona einen erheblichen Einfluss auf die derzeitige Lernsituation hat, wünscht sich Major Fröhlich, dass das Fernlernen nach der Pandemie noch weiter ausgebaut wird. Denn schließlich zeigen die vergangenen Wochen: „Einige Lehrinhalte können sich durchaus im individuellen Lernen angeeignet werden.“ Und das wiederum würde ganz gewiss auch seiner kleinen Tochter gefallen.