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Quadriga 2025

Teilübung Northern Coasts: Einsatz- und kampfbereit in der Ostsee

Übung
Datum:
Ort:
Ostsee
Lesedauer:
6 MIN

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Northern Coasts ist in diesem Jahr die Schwerpunktübung der Übungsserie Quadriga. Dabei geht es darum, den Ostseeraum zu schützen, die Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung weiterzuentwickeln und durch starke Präsenz im Seegebiet potenzielle Aggressoren abzuschrecken.

Zwei Kriegsschiffe und ein Patrouillenboot fahren auf hoher See

Bei Northern Coasts übt die Marine zusammen mit 13 Verbündeten, die Seewege in der Ostsee freizuhalten. Im Hintergrund: der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“, der USUnited States-Zerstörer „USSUnited States Ship Bulkeley“ und das litauische Patrouillenboot „Žemaitis“.

Bundeswehr/Serkan Heerer

Am Horizont zeichnen sich die Silhouetten von drei großen Transportschiffen und den sie begleitenden Kriegsschiffen ab. Mit konstanter Geschwindigkeit nähert sich die Korvette „Magdeburg“ dem Konvoi. Ihrer Besatzung und ihrem Kommandanten steht eine Premiere bevor.

„In diesem Jahr üben wir erstmalig die Eskorte und den Schutz von zivilen Handelsschiffen auf ihrem Weg von Deutschland in Richtung Baltikum“, sagt Fregattenkapitän Max Berger, der Kommandant der Korvette „Magdeburg“. Diese Aufgabe bündelt alle Herausforderungen der von der Deutschen Marine geführten Großübung Quadriga: Sie ist streitkräfteübergreifend, beteiligt alle übenden Nationen und trainiert zudem die zivil-militärische Zusammenarbeit.

Die Korvette „Magdeburg“ übernimmt gemeinsam mit ihrer Task Group 1 den Schutz des Konvois von einer anderen Task Group. Bei Northern Coasts üben die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner zwar gemeinsam, aber in nach Aufgaben eingeteilten Verbänden, den Task Groups. Zur Task Group 1 gehören neben der „Magdeburg“ der deutsche Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“, die beiden schwedischen Korvetten „Visby“ und „Helsingborg“, der USUnited States-amerikanische Zerstörer „USSUnited States Ship Bulkeley“ sowie das litauische Patrouillenboot „Žemaitis“. Angeführt wird die Task Group 1 von der dänischen Fregatte „Esbern Snare“.

Insgesamt nehmen in diesem Jahr 14 Nationen mit 40 Schiffen und Booten und rund 2.700 Soldatinnen und Soldaten an der Marineübung Northern Coasts teil. Bei dem Manöver werden realistische Bedrohungen zu Wasser, aus der Luft und von Land simuliert. In aufeinander aufbauenden Phasen führen die Schiffe und Boote gemeinsam immer komplexere maritime Operationen durch.

Das Unerwartete üben

In einer Situation, in der hybride Bedrohungen, elektronische Kriegsführung und gezielte Provokationen zunehmen und russische Kriegsschiffe permanent präsent sind, bereiten sich die Besatzungen der trainierenden Verbände auf alle Eventualitäten vor. Zwei Tage vor Übernahme der Eskorte üben die Schiffe und Boote um die deutsche Korvette den Umgang mit möglichen Angriffen von See – und die „Magdeburg“ agiert als Provokateurin.

Mit 24 Knoten rauscht sie auf den USUnited States-amerikanischen Zerstörer „USSUnited States Ship Bulkeley“ zu und dringt in dessen Sicherheitszone ein. Ursprünglich geplant war diese Übung mit einem Speedboot, doch dafür war der Seegang zu hoch. Bei der Annäherung eines kleinen Boots hätte der Zerstörer zunächst herausgefunden, ob es sich um einen verirrten Sportbootfahrer, einen neugierigen Touristen oder angreifende Terroristen handelt. Bei der Korvette warnt er sofort und droht mit Verteidigung seines Sicherheitsbereichs. Im Ernstfall würde er schießen.

Scharfer Schuss auf Luft- und Seeziele

Aufgereiht wie auf einer Perlenkette kreuzen fünf der Northern-Coasts-Teilnehmer bei der Schießübung zwischen der dänischen Insel Bornholm und dem schwedischen Festland. Den Anfang macht der USUnited States-amerikanische Zerstörer, ihm folgen die schwedischen Korvetten, danach die „Magdeburg“. Hinter ihr haben sich der deutsche Einsatzgruppenversorger und das litauische Patrouillenboot eingereiht.

Man hört das Hämmern der MGs der vorausfahrenden Schiffe, sieht Gischt aufspritzen und riecht den Pulverdampf. In der Backbord- und in der Steuerbordnock der „Magdeburg“ zielen die Schützen mit ihren 7,6-Millimeter-Maschinengewehren auf ausgebrachte Seeziele, ebenso auf beiden Seiten des Flugdecks. Diese Übung dient der Abwehr feindlicher Speedboote und als Training der sogenannten Force Protection, der Sicherungskräfte des Schiffs.

Bereits am Vortag gab es ein gemeinsames Schießen auf Luftziele, gezogen von einem Learjet. Dies ist eine typische Übung während der Force Integration, also in der Phase, in der sich ein multinationaler Marineverband zusammenfindet. „Die Herausforderung dabei ist, die Kommunikation mit den anderen Einheiten sicherzustellen, ein gegenseitiges Verständnis zu schaffen und sich als Kriegsschiffe, als Besatzungen und als Kommandanten so kennenzulernen, dass man in den weiteren Phasen die Reaktion der anderen einschätzen kann“, erläutert Berger.

Das gemeinsame Handeln wird auch bei einer weiteren Übung trainiert. Dabei schützt die Korvette „Magdeburg“ die Task Group 3, Minenjagdboote bei der Arbeit. Hier werden Angriffe aus der Luft eingespielt, sowohl mit Jets als auch mit Drohnen, und die „Magdeburg“ wehrt diese Angriffe ab.

  • Transportschiffe und Kriegsschiff fahren auf hoher See

    Zum ersten Mal übt die Deutsche Marine bei Northern Coasts mit ihren Partnern die Begleitung und den Schutz von zivilen Transportschiffen, die Personal und Material nach Litauen transportieren

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein Kriegsschiff fährt auf hoher See. Im Vordergrund ein Soldat im Speedboot.

    Blick aus dem Speedboot auf die Korvette „Magdeburg“. Das Speedboot wird ausgebracht, um Menschen und Material an und von Bord zu bringen – und bei „Person über Bord“-Manövern für deren Rettung.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein schwedisches Kriegsschiff fährt auf hoher See

    Vor der schwedischen Küste kreuzt die schwedische Korvette „Helsingborg“ gemeinsam mit dem deutschen Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“. Beide gehören, wie die „Magdeburg“, zur Task Group 1.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein Learjet fliegt über ein deutsches Kriegsschiff auf hoher See

    Ein Learjet simuliert einen Angriff, indem er in etwa 2.900 Metern Höhe ein Luftziel schleppt, auf das die Besatzungen schießen. Dieses besteht aus einer Art Luftsack, der aufzeichnet, ob und in welchem Bereich es Treffer gab.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Das Geschütz auf dem Vordeck eines Kriegsschiffs feuert Munition ab. Rauch liegt in der Luft.

    Mit ihrem Turm, dem 76-Millimeter-Hauptgeschütz, feuert die Korvette „Magdeburg“ auf See- und Luftziele

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Zwei Soldaten stehen nebeneinander und schauen durch Ferngläser aufs Meer hinaus

    Rund um die Uhr wachsam: Auf der Brücke der „Magdeburg“ wird das Geschehen permanent genau beobachtet. Angriffe können bei diesem Manöver jederzeit eingespielt werden, aus der Luft ebenso wie von See.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Zwei Personen in Feuerwehrbekleidung unter Deck eines Schiffes

    Während des Manövers wird auch das sogenannte „innere Gefecht“ geübt. Dabei geht es um Lagen, die die Sicherheit des Bootes und seiner Besatzung von innen bedrohen, zum Beispiel Feuer an Bord (im Bild).

    Bundeswehr/Serkan Heerer

Aufklären und Planen

Die Korvette „Magdeburg“ ist als Antisurface Warfare Commander für den gesamten Verband von Northern Coasts eingesetzt. „Das bedeutet, dass wir die Seeraumüberwachung und die Operationen über Wasser planen und koordinieren“, erklärt Berger. „In den verschiedenen Phasen von Northern Coasts steigert sich dies bis hin zur Bekämpfung von gegnerischen Kriegsschiffen. Wir sind einsatz- und kampfbereit, das heißt, wir sind voll ausgebildet, wir sind voll bewaffnet und aufmunitioniert.“

Eine Aufgabe der deutschen Korvette ist die Aufklärung. Während sie mit ihrer Task Group den Konvoi eskortiert, fällt der Brücke ein verdächtiger Frachter auf. Das Schiff hat sein Identifikationssystem AISAutomatic Information System (Automatic Identification System) ausgeschaltet, mit dem die Berufsschifffahrt ihre Positions- und Schiffsdaten übermitteln muss. In der Ostsee tauchen immer wieder Frachter der sogenannten russischen Schattenflotte ohne Datenübermittlung auf. Sie werden verdächtigt, die Unterwasser-Infrastruktur wie Datenkabel oder Pipelines zu beschädigen oder Spionage zu betreiben.

Den verdächtigen Tanker nimmt die deutsche Korvette genauer in Augenschein. Das Schiff gehört nicht zum Szenario von Northern Coasts, aber die „Magdeburg“ klärt ihn trotzdem auf und gibt ihre Erkenntnisse weiter ans Marinekommando. Außerdem meldet sie, dass ihr Verband fast pausenlos von einem russischen Aufklärungsschiff begleitet wird.

Schutzbedürftig: der Konvoi über die Ostsee

An Bord der zivilen Fähren befinden sich Truppen und Material, die über die Drehscheibe Deutschland an die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke transportiert werden. Ihr Schutz ist essenziell, denn die zivilen Transporter können sich selbst nicht gegen Angriffe verteidigen. Besonders verletzlich sind sie in Küstennähe. Dann sind neben der Marine noch weitere Kräfte gefragt.

„Wenn wir den Hafen verlassen, schützt uns das Heer von Land aus. Wenn wir in den Hafen fahren oder anlegen, haben Marineinfanterie und Heeresinfanteriekräfte die Hafenanlagen vorher gesichert“, nennt Berger Beispiele. Auch die Luftwaffe spielt bei der Eskorte und bei der Seekriegsführung eine Rolle. „Die Luftwaffe stellt uns den Schutz aus der Luft zur Verfügung und hält uns den Rücken frei“, so der Fregattenkapitän weiter. Im Informationsbereich und beim Datentransfer ist der Cyber- und Informationsraum gefragt, damit die Korvette kommunizieren kann. Die Zusammenarbeit mit anderen Teilstreitkräften ist ein wichtiger Anteil der Übungsserie Quadriga.

Auf See dominiert die internationale Kooperation zwischen den Marinen der Partnernationen. Hier geht es darum, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, gleiche Verfahren anzuwenden und zusätzlich klar und eindeutig mit den Kapitänen der zivilen Transportschiffe zu kommunizieren. Beide Seiten müssen die Kommunikation miteinander üben, denn sowohl für die zivilen Kapitäne als auch für die Marinekommandanten ist das Miteinander etwas Neues.

Im Konvoi fahren die Schiffe mit großen Abständen zueinander. Zum einen schreibt das Seerecht bestimmte Abstände vor, zum anderen können die Schiffe nur so agieren. Außerdem würde einem Angriff nicht sofort der gesamte Konvoi zum Opfer fallen – und die Waffen der Kriegsschiffe könnten optimal auf die Angreifer wirken und diese vernichten.

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Bei der Quadriga-Teilübung Northern Coasts trainiert die „Magdeburg“ knapp zwei Wochen lang Seite an Seite mit NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Partnern die Sicherung der Seewege in der Ostsee.

Militärische Stärke und politische Geschlossenheit

Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Übung Northern Coasts an Bedeutung gewonnen. Alle NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostseeanrainer und ihre Partner haben ein gemeinsames Interesse, die strategisch wichtige Ostseeregion zu sichern und zu verteidigen. Zugleich wird das aufeinander abgestimmte Vorgehen immer wichtiger, je komplexer die Aufgaben sind. Die praxisnahe Ausbildung der Besatzungen während des Manövers steigert die Reaktions- und Einsatzfähigkeit im Krisen- und Konfliktfall.

„Russische Kräfte sind momentan in der gesamten Ostsee unterwegs und natürlich auch in unserem Übungsgebiet“, sagt Berger. „Wir wissen ganz genau, was zu tun ist und können das Normale vom Unnormalen unterscheiden.“ Für den Kommandanten der „Magdeburg“ ist das Alltag: „Wir halten gewisse Abstände und agieren professionell und deeskalieren.“

Mit diesem Mindset begleitet die Militäreskorte die zivilen Schiffe sicher in den litauischen Zielhafen Klaipėda. „Grundsätzlich hat der Plan, den wir uns am Anfang gemacht haben, sehr gut funktioniert. Natürlich gibt es kleine Stellschrauben, die noch gedreht werden müssen, wo wir noch besser werden können, aber die Handelsschiffe sind sicher angekommen. Es gab keinerlei Zwischenfälle und wir haben unseren Auftrag erstklassig erfüllt“, fasst Berger zusammen.

von Barbara Gantenbein

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