Führen in der Pandemie #002 – Zeit der Macher

Führen in der Pandemie #002 – Zeit der Macher

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
6 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Tausende Freiwillige, hunderte Einsätze, viele „Helfende Hände“ – die Bundeswehr ist in der Corona-Pandemie im Amtshilfeeinsatz. Vor allem zusätzliches Personal wird allen Ortens benötigt – wie führen und erleben dies die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten?

Ein türkisfarbenes Virus bildet das Logo der Serie "Führen in der Pandemie". Daneben steht der Text "#002 Zeit der Macher".

Führen in der Pandemie – Die Serie! Wir präsentieren Ihnen Aspekte guter Führung in Krisenzeiten.

Bundeswehr / Hunold / Glaser / Getty Images / BlackJack3D

Der Einsatz ist bereits über eine Woche her. In einem Besprechungsraum des Aufklärungsbataillons 7 im westfälischen Ahlen sitzen zwei entspannte Soldaten. Feldwebel Jannis Siemer (23) und Hauptgefreiter Mats Staufenbiel (21) freuen sich auf ihr verdientes Wochenende. Das gold-schwarze Wappen ihrer Einheit prangt im Hintergrund. Die Aufklärer haben zwei Wochen lang im Corona-Behandlungszentrum in Bottrop unterstützt. Die beiden jungen Soldaten haben sich in der Amtshilfe für einen reibungslosen und sicheren Ablauf für Patientinnen und Patienten und das Personal im Behandlungszentrum eingesetzt.

Feldwebel Jannis Siemer (li) und Hauptgefreiter Mats#de Staufenbiel (re) betrachten auf einer Wiese ein Dokument

Feldwebel Jannis Siemer (li) und Hauptgefreiter Mats Staufenbiel (re) übernahmen Verantwortung im Behandlungszentrum Bottrop

Bundeswehr

Flexibilität, Vertrauen und Verantwortung – die Bausteine des Erfolgs

„Es hat mich gefreut, einen Beitrag leisten zu können“, beschreibt Siemer seine ersten Gedanken, als er von seinem Zugführer den Auftrag zum Amtshilfeeinsatz bekam. Zustimmend nickend ergänzt Staufenbiel: „Für mich war das auch eine absolut neue Erfahrung. Wenn man mich fragen würde, ob ich das nochmal machen möchte, dann sage ich definitiv ‚ja‘. […] Der Beitrag für die Gesellschaft verschafft mir ein gutes Gewissen. Das fühlt sich gut an.“

Der Amtshilfeeinsatz in Bottrop war das Ergebnis nur eines von weit über 670 Amtshilfeanträgen (Stand: 26.06.2020) an die Bundeswehr. Bereits Mitte Mai 2020 wurden mehr als doppelt so viele Amtshilfeersuchen gestellt als im gesamten Vorjahr. Mit den „Helfenden Händen“ stellte die Bundeswehr über 15.000 Soldatinnen und Soldaten zum Abruf in der Corona-Krise bereit. Das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr übernimmt dabei eine zentrale Rolle in der Führung und Organisation der Unterstützungsleistung der Bundeswehr. Dessen Kommandeur, Generalmajor Carsten Breuer, beschreibt die Reaktion der Antragsteller auf die Leistung der Bundeswehr: „Alle finden es außergewöhnlich und bemerkenswert, wie schnell und zielgerichtet wir helfen können. […] ‚Helfende Hände‘ werden im Moment besonders gebraucht!“

Zwei Soldaten mit Maske warten in einem abgesperrten Bereich auf die nächsten Patienten in einem vorfahrenden Auto

Dialog auf Distanz – der Austausch im Behandlungszentrum Bottrop findet zunächst via Handy statt

Bundeswehr

Soldatinnen und Soldaten müssen in kürzester Zeit unterschiedlichen Rollen gerecht werden. Gerade noch in der Spezialgrundausbildung bei der Aufklärungstruppe eingesetzt und kurze Zeit später bereits als Helfer in einem Corona-Behandlungszentrum tätig. Dieser schnelle und flexible Wechsel der Aufgaben bedingt ein verantwortungs- und vertrauensvolles Führungsprinzip. Das „Führen mit Auftrag“ hat einen herausgehobenen Stellenwert in der Führungskultur der Bundeswehr und trug auch in Bottrop einmal mehr zum praktischen Erfolg bei. „Uns Soldaten zeichnet aus, dass wir koordinieren und für einen geregelten Ablauf sorgen können und dort ansprechbar sind, wo wir gefragt werden.“ beschreibt Siemer die Situation. Mannschaftssoldat Staufenbiel ergänzt: „Ich denke, dass unsere Organisation dazu beigetragen hat, dass alles hier vor Ort gut funktioniert hat“.

Interkulturelle Kompetenz als Türöffner

In Sachsen-Anhalt machte Oberleutnant Hendric Petersohn ähnliche Erfahrungen. Der 30-Jährige unterstütze mit seinem Zug in einer Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZASt) in Halberstadt. Die circa 550 Bewohnerinnen und Bewohner der Aufnahmestelle wurden alle zwei Tage auf das Virus getestet. Der Zugführer aus dem in Havelberg stationierten Panzerpionierbataillon 803 hielt mit seinem Personal den Sanitätskräften vor Ort den Rücken frei. Die Pioniere kontrollierten die Ausweise der Bewohnerinnen und Bewohnen und glichen diese mit vorgefertigten Listen ab, beschrifteten die Auswertebögen und Proben und organisierten den gekühlten Transport in das Uniklinikum Magdeburg zur weiteren Auswertung: „Wir haben uns in der Durchführung des Auftrages als recht effektiv erwiesen und konnten uns dennoch gut auf die Besonderheiten unserer Umwelt einstellen. Daher hatten wir bei der Durchführung unseres Auftrages kaum Schwierigkeiten und kamen auch mit weiteren Akteuren wie Sprachmittlern, Sozialarbeitern oder dem Wachschutz zu einem angenehmen Arbeitsklima.“

Der effiziente Einsatz seiner Ressourcen zur bestmöglichen Auftragserfüllung – mit seinem militärischen Führungsverständnis gab der Pionier seinen Soldatinnen und Soldaten einerseits alle nötigen Informationen und den Handlungsrahmen vor. Andererseits schuf er die Voraussetzungen für die erfolgreiche Erfüllung aller Aufgaben: „Die Soldaten wurden auf acht Teams aufgeteilt und räumlich unabhängig voneinander im Quarantänebereich eingesetzt. Ich habe alles koordiniert. Dazu gehörte die Führung eines klaren Lagebildes, die Versorgung der Teile mit benötigtem Material wie Probenröhrchen, Desinfektionsmittel, Schutzausrüstung, aber auch die Überwachung der Einhaltung der Schutzmaßnahmen.“

Strukturiertes Handeln, unbekannte Situationen meistern und auf verschiedene Bedürfnisse eingehen – als eine Grundlage des Erfolges bewertet Generalmajor Breuer das Prinzip „Führen mit Auftrag“ in einem modernen Szenario:

Wir müssen lernen, mit dem Ungenauen zu leben, es zu akzeptieren. Dann kommt es vor allem darauf an, seinen Frauen und Männern zu vertrauen.“

Die Beziehung zu den Bewohnern der ZASt hatte Oberleutnant Petersohn dabei als einen Teil der Auftragserfüllung ebenso im Blick. Aufgrund eines Engpasses bei Schutzbrillen trugen die Vorgänger der Havelberger Pioniere ihre Schießbrillen mit dunkel gefärbten Gläsern. Petersohn bemerkte erste Ressentiments gegenüber seinem Personal: „Es war deutlich zu erkennen, dass dies das Vertrauen zwischen Soldaten und Bewohnern störte – anhand dieser Erkenntnis entschied ich mich, meinen Soldaten ausschließlich das Tragen von klaren Gläsern zu befehlen.“

Anpacken, aber sanft

Die Gefühlswelt der Menschen, die die Corona-Testzentren in Saarlouis und Saarbrücken besucht haben, war zunächst ähnlich angespannt. „Vielen, gerade den älteren Menschen, merkte man die Verunsicherung an. Ich konnte aber auch wahrnehmen, dass der Einsatz der Bundeswehr positiv aufgenommen wurde“, schildert Nicolas Bubel seine Eindrücke. Der 32-jährige Hauptfeldwebel aus der Stabs- und Fernmeldekompanie der Luftlandbrigade 1 war in beiden Testzentren als militärischer Leitender eingesetzt. Stabsfeldwebel Sascha Kaufmann aus derselben Einheit verdeutlicht die Wichtigkeit der Empathie: „Die Menschen vor Ort waren teilweise eingeschüchtert, da nicht genau bekannt war, wie die Probenentnahme durchgeführt wird.“ Die Truppe hat sich bemüht, mit diesen Emotionen umzugehen; sie wurden in den saarländischen Testzentren immer wieder in die Führungsentscheidungen einbezogen. Im Testzentrum Saarbrücken wurde an Stellen ohne Infektionsrisiko ohne Schutzkleidung gearbeitet – so vermittelte man den Menschen ein subjektiv besseres Gefühl.

Hauptfeldwebel Bubel steht auf dem Gelände des Testzentrums in Saarlouis

Hauptfeldwebel Nicolas Bubel – eben noch Führungsunterstützer und als nächstes militärischer Leitender einer Abstrichstelle

Bundeswehr / Dillschneider

Einsatz für die Gesellschaft

„Letztlich sind es die ‚Helfenden Hände‘ vor Ort, die die Auswirkungen spüren: der Panzergrenadier, der plötzlich im Pflegeheim hilft. Die Soldaten der Marine, die für Risikogruppen Einkäufe erledigen. Oder Kameraden der Luftwaffe, die im Gesundheitsamt unterstützen. Der Großteil der Soldaten muss derzeit etwas tun, was vorher anders ablief,“ überblickt Generalmajor Breuer die Gesamtlage. „Das klingt nicht nach etwas Großem. Aber unsere Soldaten machen mit ihrem Handeln vielfach den entscheidenden Unterschied. Nicht selten haben sie dadurch in den letzten Monaten Leben gerettet.“

Stabsfeldwebel Kaufmann, Hauptfeldwebel Bubel und die Angehörigen der Luftlandebrigade 1, Oberleutnant Petersohn und seine Soldatinnen und Soldaten der 3. Kompanie des Panzerpionierbataillons 803 sowie die Ahlener Aufklärer Feldwebel Siemer und Hauptgefreiter Staufenbiel – alle haben ihren ganz individuellen praktischen Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet und gemeinsam zum Erfolg der Bundeswehr beigetragen.

Stabsfeldwebel Kaufmann ist angetreten anlässlich des Besuchs der Verteidigungsministerin

Corona-Testzentrum Saarbrücken: Stabsfeldwebel Sascha Kaufmann war für den Ablauf und die Koordination mit den militärischen und zivilen Stellen zuständig

Bundeswehr / Schlichter

Pionier Petersohn fasst seine Gefühlswelt nach dem Einsatz in der Amtshilfe sehr positiv zusammen: „Es ist ein sehr angenehmes Gefühl, während einer Situation, welche die gesamte Gesellschaft beschäftigt und nachhaltig beeinträchtigt, mit seinem Handeln knappe Ressourcen zu entlasten und eine Personallücke zu füllen,... 

...dies gibt einem nicht zuletzt auch die Bestätigung des eigenen Eides, seinem Land zu dienen!“

von Thomas Martin

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.