
Innovation und Ausrüstung
70 Jahre – 70 Fakten
70 Jahre – 70 Fakten
Leopard 2 A4, 2 A6 oder auch 2 A7. Jede Nummer steht für einen speziellen Rüststand des Kampfpanzers. Je höher die Zahl, desto neuer die Ausführung. Dabei können Jahrzehnte an Entwicklung zwischen den Stufen liegen.
Egal ob Panzer oder Schutzwesten. Die Tauglichkeit von Wehrmaterial wird an den Wehrtechnischen Dienststellen der Bundeswehr überprüft. Auch Forschung findet hier statt.
Jedes Rüstungsprojekt, dass teurer ist als 25 Millionen Euro, unterliegt dem Parlamentsvorbehalt und muss vom Bundestag genehmigt werden.
Besonders in Zeiten von Krise und Krieg haben Streitkräfte einen großen Bedarf, die Ausrüstung der eigenen Soldatinnen und Soldaten zu verbessern. Das Ziel dabei ist klar: den eigenen Schutz zu erhöhen und den Feind möglichst wirkungsvoll zu bekämpfen. Damit die Soldatinnen und Soldaten bestmöglich ausgerüstet sind, gibt es in der Bundeswehr verschiedene Stellen, die Innovationen im Rüstungssektor beobachten und diese auf ihre Tauglichkeit testen. Was im Endeffekt gebraucht wird, hängt von der Bedrohungslage und dem Auftrag der Truppe ab.
Was tun, wenn die Startbahnen zerstört sind und die eigenen Kampfflugzeuge nicht zum Gegenangriff starten können? Diese Frage stellten sich Planer der Bundeswehr zu Beginn der 1960er-Jahre, als die Fähigkeit zum nuklearen Gegenschlag im Falle eines sowjetischen Angriffs zum Kern der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Strategie der massiven Vergeltung gehörte. Eine Lösung: das Kampflugzeug aus dem Stand in den Himmel zu schießen. Gesagt, getan. 1966 blickte der ausgewählte Testpilot im bayerischen Lechfeld aus dem Cockpit eines F-104G Starfighters in den blauen Himmel. Der Jet war auf einem Gestell im Winkel von 20 Grad aufgestellt und trug am Rumpf einen Raketenmotor. Gemeinsam mit dem Triebwerk des Flugzeugs beförderte der Booster das Luftfahrzeug in den Himmel und wurde anschließend abgeworfen. Der Starfighter-Pilot wäre nun in der Lage gewesen, auch ohne Startbahn seine Waffen ins Ziel zu bringen.
Aufgrund des Wechsels der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Strategie im Jahr 1967/68, weg vom Konzept der massiven Vergeltung, hin zur flexiblen Antwort, wurde das Testprogramm um den Raketenstart für Starfighter nicht weiterverfolgt.
Welche Ausrüstung braucht die Bundeswehr? Die Antwort hängt von dem Auftrag ab, den die Bundesregierung ihr erteilt. So wurde zur Zeit der Auslandseinsätze anderes Wehrmaterial benötigt, als es beispielsweise heute der Fall ist. Spätestens seit 2022 ist die Bundeswehr nicht mehr auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet, sondern widmet sich mit aller Kraft ihrem Kernauftrag: der Landes- und Bündnisverteidigung. Der potenzielle Feind besteht nicht mehr aus leichtbewaffneten Kräften, die aus dem Hinterhalt agieren, sondern aus konventionellen Streitkräften, die aus dem vollen Arsenal der Rüstungsindustrie und staatlicher Ressourcen schöpfen. Deshalb wird nun viel Geld investiert, um die Bundeswehr gegenüber einem staatlichen Akteur verteidigungsfähig zu machen, namentlich Russland. Dazu gehört zum Beispiel der Kauf neuer Kampf- und Schützenpanzer, die Stärkung der Luftverteidigung oder die Entwicklung weitreichender Lenkflugkörper. Gute Ausrüstung für die Truppe ist ein wesentlicher Baustein für wirksame Abschreckung.
Leopard 2 A4 oder Leopard 2 A8? Was zunächst nach einem geringfügigen Unterschied klingt, bedeutet eine Weiterentwicklung von etwa 50 Jahren. 1979 als Nachfolger des Leopard 1 in das Heer eingeführt, wurde der Leopard 2 in der Version A4 über die Jahrzehnte ständig modernisiert. Eine bessere Waffenanlage, höherer Panzerschutz oder leistungsfähigere Optiken – kaum etwas im Leopard 2 wurde über die Zeit nicht modernisiert und den neuen Gegebenheiten angepasst. Während die Truppe derzeit den Leopard 2 A7 A1 erprobt, ist die Version 2 A8 bereits bei der Industrie bestellt. Ab 2027 soll sie dann den Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung stehen. Das A im Namen der Leoparden steht übrigens für „Ausführung“ und dient der Unterscheidung der verschiedenen Rüststände. Auch bei anderen Fahrzeugen, etwa dem Schützenpanzer Marder oder dem Transportpanzer Fuchs, wird die gleiche Kategorisierung genutzt.
Wie wird das Gefecht der Zukunft aussehen? Welche Ausrüstung brauchen die Soldatinnen und Soldaten, um bestehen zu können? Welche technischen Neuerungen werden maßgeblich sein? Mit solchen Fragen befassen sich die Expertinnen und Experten im Planungsamt der Bundeswehr. Hier wird die Zukunft der Streitkräfte geplant, damit die Bundeswehr immer ihren Auftrag erfüllen kann. Um Trends abzusehen, werden Erkenntnisse aus Wissenschaft und Industrie, Erfahrungen aus Einsätzen und Übungen sowie Impulse aus NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union analysiert. Verbunden mit den politisch-strategischen Vorgaben entsteht so eine Blaupause für die Bundeswehr der Zukunft. Dort, wo der Ist-Zustand nicht mit dem übereinstimmt, was zukünftig von Nöten ist, müssen dann beispielsweise Rüstungsprojekte eingeleitet werden, um die Truppe zu ertüchtigen.
Die Uniform soll warm und trocken halten. Aber auch ihre Tarnwirkung ist wichtig, damit die Soldatinnen und Soldaten im Gelände erst möglichst spät zu erkennen sind. Der erste Feldanzug der Bundeswehr von 1955 war in einer Abwandlung des noch aus Reichswehrzeiten stammenden Splittertarns M31 gehalten. 1959 wurde die sogenannte Filzlaus eingeführt. Ihren Namen erhielt der unbeliebte gelb-olive Kampfanzug aufgrund seines kratzenden und knisternden Innenstoffs. Daher wurde bereits Mitte der 1960er-Jahre die Truppe in den „Feldanzug olivfarben“ gekleidet, dessen Moleskinstoff deutlich angenehmer zu tragen war. Der Feldanzug in Fünffarb-„Flecktarn“ wurde zu Beginn der 90er-Jahre an die Truppe ausgeliefert. Bis heute prägt dieses Tarndruckmuster das Bild von deutschen Soldatinnen und Soldaten. Dies wird sich in den kommenden Jahren allerdings wandeln, denn zukünftig wird die Uniform der Truppe in Multitarn gehalten sein. Ein Tarnmuster für jede Umgebung, ob Wald, Wüste oder im bebautem Umfeld.
Wie bekommt die Truppe neue Panzer oder Fregatten? Die Einkäufer der Bundeswehr sitzen im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Die Verantwortung dabei ist enorm. Zum einen ist die Truppe auf den schnellen Zulauf von funktionierendem Material angewiesen. Zum anderen geht es bei manchen Projekten um mehrere Milliarden Euro. Ausgangspunkt jedes Projekts ist ein Bedarf der Truppe, damit diese ihren Auftrag erfüllen kann. Anschließend wird überlegt, wie dieser Bedarf zu decken ist. Gibt es ein solches Produkt bereits am Markt oder braucht es eine Neuentwicklung? Dann werden Angebote aus der Wirtschaft eingeholt, wobei jedes Projekt, das ein Volumen von mehr als 25 Millionen Euro hat, erst von den Abgeordneten im Bundestag genehmigt werden muss. Nachdem beispielsweise eine neue Fregatte gebaut wurde, wird geprüft, ob sie die vereinbarten Fähigkeiten erbringt. Falls ja, kann sie der Truppe zur Nutzung übergeben werden.
Der Krieg in der Ukraine hat die technische Entwicklung im Bereich der fliegenden unbemannten Systeme, gemeinhin Drohnen genannt, extrem beschleunigt. Auch für die Bundeswehr besteht Handlungsdruck. Denn diese Entwicklung zu verpassen, hieße, keine glaubwürdige Abschreckung gegenüber möglichen Aggressoren aufbauen zu können. Daher wurden bereits viele Erprobungen durchgeführt, Systeme zur Drohnenabwehr und eigene unbemannte Systeme zur Bekämpfung des Gegners gekauft sowie die wehrtechnische Forschung in diesem Bereich intensiviert. Die Abstimmung mit der Truppe ist eng, damit diese möglichst früh im Beschaffungsprozess eingebunden wird und die neuen Systeme testen kann. Denn nur wenn neue Technologien auch taktisch sinnvoll eingesetzt werden, bieten sie auf dem Gefechtsfeld tatsächlich einen Vorteil.
Tropische Hitze, Eiseskälte oder feindlicher Beschuss? Militärische Ausrüstung muss immer und überall funktionieren. Entsprechend sind die Ansprüche hoch und nicht mit zivilen Anforderungen zu vergleichen. Deshalb gibt es insgesamt sechs Wehrtechnische Dienststellen der Bundeswehr. Hier wird erprobt und geforscht – vom Funkgerät bis zum Transportflugzeug wird alles getestet. Erfüllt das Produkt die vereinbarten Anforderungen? Ist es gut genug für die Bundeswehr? Falls nicht, muss der Hersteller nacharbeiten oder es wird ein Alternativprodukt ausgewählt. Das führt zwar zu einem längeren Beschaffungsprozess, gewährleistet aber, dass die Truppe tatsächlich das Material erhält, das zur Erfüllung des Auftrags geeignet ist.
Die Bundeswehr verteidigt im Ernstfall Seite an Seite mit ihren Alliierten das Bündnisgebiet. Das funktioniert am besten, wenn die Ausrüstung der nationalen Streitkräfte miteinander harmoniert oder noch besser, die gleichen Systeme verwendet werden. Nutzen zwei oder mehr Nationen das gleiche System, ergeben sich viele Möglichkeiten, um Ressourcen zu bündeln. Dann können bereits Entwicklungskosten geteilt und beim Einkauf eine größere Stückzahl beschafft werden. Das senkt den Preis eines einzelnen Systems. Die Ausbildung am System, aber auch dessen Wartung kann gemeinsam erfolgen, was ebenfalls Geld spart. Auf dem Gefechtsfeld ergibt sich zudem der Vorteil, dass die Versorgung sowohl mit Munition als auch mit Ersatzteilen gemeinsam sichergestellt werden kann. Beispiele für solche Kooperationen sind die Beschaffung der U-Boote 212 CDCommon Design mit Norwegen, das Ausbildungszentrum für das Luftverteidigungssystem IRIS-T SLMInfra-Red Imaging System–Tail/Thrust Vector-Controlled, Surface-Launched Medium Range für die ESSIEuropean Sky Shield Initiative-Nutzernationen oder auch die gemeinsame Entwicklung eines weitreichenden Lenkflugkörpers im Rahmen von ELSAeinsatzlandspezifische Ausbildung durch mehrere europäische Staaten.
Die Bundeswehr hat spezielle Anforderungen an Materialien. Ob die Werkstoffe den militärischen Forderungen genügen, überprüfen die Expertinnen und Experten des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk- und Betriebsstoffe (WiWeb) in Erding. Zudem wird am WiWeb beständig daran geforscht, leistungsfähigere Materialien zu entwickeln. Außer mit Werkstoffen beschäftigen sich die Fachleute zudem mit Betriebsstoffen, Textilien und Chemikalien. Konkret bedeutet das, dass am WiWeb unter anderem erforscht wird, welche Materialien zur Verbesserung von Panzerschutz geeignet sind oder, von der anderen Seite gedacht, wie man Panzerungen besser durchschlagen könnte. Ein weiteres Beispiel ist das Forschungsfeld „Ausrüstung Soldat“, in dem Tarn- und Täuschverfahren entwickelt werden, um die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besser vor den Augen des Feindes zu verbergen.