Werftzyklus und mehr

Das Marinearsenal: Instandsetzung für die Flotte

Für die deutschen Seestreitkräfte wird ein Wartungs- und Reparaturbetrieb für Kriegsschiffe beim Marinearsenal betrieben. Als Teil des nachgeordneten Bereichs des „Ausrüstungsamtes“ (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) verfügt das Marinearsenal an drei Standorten an der Küste über eine entsprechende Werftinfrastruktur – und ein enormes Spektrum an Aufgaben.

Das Heck eines grauen Schiffs in einem Dock; zu sehen sind die beiden Schiffspropeller und das Ruder.

Warum müssen Marineschiffe regelmäßig zur Instandsetzung?

Marineschiffe haben regelmäßig Liegezeiten in einer Werft. Ein erster Grund dafür ist allen Autofahrerinnen und -fahrern bekannt: Auch ein Fahrzeug muss regelmäßig zum TÜV und einer Sicherheitsinspektion unterzogen werden. Marineschiffe unterliegen allerdings nicht nur einer technischen Prüfung. Es muss nicht nur alles funktionieren, sondern auch den Vorschriften für die Sicherheit im Seeverkehr entsprechen.

Auch über eine Nutzungsdauer von meist dreißig Jahren müssen die Schiffe immer auf dem möglichst neuesten Stand der militärischen Technik bleiben. Selbst wenn zum Beispiel das Seeraumüberwachungsradar noch einwandfrei funktioniert – gibt es nicht inzwischen andere Radarsysteme, die besser sind? Es geht dann darum, Veraltetes zu beseitigen und wenn möglich, die Kampfkraft des Marineschiffs noch zu steigern. Das sorgt dafür, dass die Schiffe auch Jahrzehnte nach ihrer Indienststellung bestmöglich bereit für Einsätze unter den aktuellen militärischen Rahmenbedingungen sind.

In der Theorie sind immer ein Drittel aller Marineschiffe einer Klasse in der Werft und ein Drittel in der Ausbildung ihrer Besatzungen gebunden. Das verbleibende Drittel ist inklusive der Besatzungen voll einsatzbereit.

Umgangssprachlich in der Flotte heißt diese Drittelung „Werftzyklus“, fachlich genauer Nutzungszyklus. Gerade in Friedenszeiten ist das normal, in Krise und Konflikt ist der Bedarf an voll einsatzbereiten Marineschiffen natürlich größer. Wichtigste Voraussetzung ist, dass genügend Kapazitäten für die Wartung und Instandhaltung aller Schiffe der Flotte vorhanden sind. Im Idealfall sind dadurch auch zwei Drittel der Flotte technisch voll einsatzfähig.

Wann genau und für wie lange Schiffe und Boote einer Klasse gewartet werden müssen, orientiert sich an einer klassenspezifischen Zeitplanung, der sogenannten Betriebs- und Erhaltungsperioden-Norm. Diese ergibt sich grundsätzlich aus den Vorgaben für alle im Schiffsrumpf verbauten Anlagen. Dort ist zum Beispiel dokumentiert, nach wie vielen Betriebsstunden ein Antriebsdieselmotor überprüft oder nach wie vielen Schüssen das Rohr eines Schiffsgeschützes ausgetauscht werden muss.

Eine Fregatte der Klasse 123 etwa hat eine große Werftliegezeit von rund einem Jahr und steht danach 21 Monate für Ausbildung und Einsatz zur Verfügung. Anschließend reicht eine kleine Werftliegezeit von nur drei Monaten aus, um wieder zwei Jahre fahren zu können. Erst danach steht wieder ein langer Werftaufenthalt an.

Ein Dock dient entweder zum Bau von Schiffen oder der Reparatur von sonst unter Wasser liegenden Teilen eines Schiffsrumpfs. Es gibt zwei Grundformen: Ein Trockendock ist ein am Ufer gebautes großes Becken, das sich mit Hilfe eines Tores absperren und anschließend leerpumpen lässt. Ein Schwimmdock hingegen ist eine Plattform auf dem Wasser. Sie kann ebenfalls mittels Pumpen abgesenkt und zum Trockenstellen eines Schiffs wieder angehoben werden.

In einem großen, grauen Kasten auf einer Wasseroberfläche liegt ein graues Kriegsschiff trocken.

Die Fregatte „Hamburg“ im Wilhelmshavener Schwimmdock

Bundeswehr


Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Arten. Ein Schwimmdock hat eine begrenzte Hebekraft, kann also Schiffe nur bis zur Größe einer bestimmten Wasserverdrängung aufnehmen. Die Aufnahmekapazität eines Trockendocks ist dagegen nur von seinen physischen Ausmaßen bestimmt. Nicht zuletzt: Auch ein Schwimmdock muss regelmäßig zur Wartung eingedockt werden.

Daneben gibt es noch andere Möglichkeiten, ein Schiff trockenzustellen, wie zum Beispiel durch Schiffslifte oder sogenannten Slip-Anlagen. Die Bundeswehr beziehungsweise das Marinearsenal hat solche Anlagen nicht, wohl aber die Werftindustrie.

Das Angebot an Docks ist kleiner als die Nachfrage 

Für alle gilt: Die Verfügbarkeit dieser teils sehr großen Anlagen ist begrenzt, vor allem wenn sie bereits für zivile oder militärische Neubauten belegt sind. So gibt es in Deutschland nur wenige zivile Werften mit Docks, die einen Einsatzgruppenversorger der Berlin-Klasse mit seinen über 170 Metern Länge aufnehmen könnten.

Die Bundeswehr verfügt am Marinearsenal-Standort Wilhelmshaven über ein Schwimmdock mit 6.000 Tonnen Kapazität, also für Fregatten bis zur Größe der Sachsen-Klasse. Am Standort Rostock kommt ein 320 Meter langes Trockendock hinzu, in das auch noch größere Schiffe als die der Sachsen- oder der Berlin-Klasse passen.

Eine Infografik

Die Theorie ist die Faustregel: Ein Drittel der Flotte liegt in der Werft, zwei Drittel sind technisch voll einsatzbereit. Die Praxis ist unter anderem wegen spezifischer Bedürfnisse jedes Schiffstyps komplizierter.

Bundeswehr

Impressionen aus Wilhelmshaven

Welche Arten von Liegezeiten in einer Werft gibt es?

Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Werftliegezeiten für Marineschiffe: planmäßige und außerplanmäßige.

Die planmäßigen sind die schiffsklassenbezogenen, vorgeschriebenen Zeiträume zur Wartung während der gesamten Nutzungsdauer eines Schiffs. Einer der wichtigsten Aspekte dabei ist, dass dafür das Schiff „trockengestellt“ werden muss, also grundsätzlich in ein Dock kommt. Denn nur so lässt sich sicher überprüfen, ob es auch keine Schäden unter Wasser gibt. Das wird in der Regel immer mit einer Teilliegezeit an einem der Standorte des Marinearsenals verknüpft.

Für diese planmäßigen Liegezeiten bauen die Fachleute des Marinearsenals dann Waffen, Antennen und sonstige militärische Anlagen des Schiffes aus. Anschließend kann es in eine zivile Werft oder in die Werftanlagen des Arsenals gehen. Währenddessen wird das militärische Gerät in eigenen Werkstätten gewartet, bevor es zum Ende der gesamten Liegezeit wieder eingebaut wird – ein Alleinstellungsmerkmal des Marinearsenals.

Unfälle können sich auf den Nutzungszyklus der ganzen Flotte auswirken

Außerplanmäßige Werftliegezeiten sind erforderlich bei größeren Störungen beziehungsweise Schäden. Hatte ein Marineschiff zum Beispiel eine Kollision oder eine Grundberührung, kann das nicht nur den Rumpf, sondern auch die Schiffspropeller oder bei Fregatten das Bugsonar beschädigen. Das Schiff muss dann so schnell wie möglich in ein Dock.

Ohne Unterwasserschäden reicht eine Reparatur an einer Pier des Arsenals. Je nach Dringlichkeit können solche außerplanmäßigen Werftzeiten auch im Ausland nötig sein, besonders dann, wenn das Schiff ohne Reparatur nicht mehr nach Deutschland gelangen würde. Ziel ist, das Schiff wieder so einsatzbereit wie zuvor zu machen.

Die Dauer solcher außerplanmäßigen Liegezeiten – und damit der ungeplante Ausfall eines einsatzbereiten Schiffes – hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wie groß ist der Schaden? Gibt es, wenn nötig, ausreichend Ersatzteile? Mit welcher Wartezeit muss gerechnet werden, wenn Werften durch planmäßige Wartungen oder Neubauten gerade nicht zur Verfügung stehen?

An der Wartung und Reparatur von Kriegsschiffen sind hunderte Menschen beteiligt. Das fängt schon bei der Besatzung selbst an, die kleinere Reparaturen bereits unterwegs in See oder in einem Hafen vornehmen kann. Dabei helfen ihr zum Beispiel Systemunterstützungsgruppen in ihren Geschwadern oder das Marineunterstützungskommando, das für den reibungslosen Betrieb aller unterschiedlicher Anlagen und Geräte in der Flotte verantwortlich ist.

Geht ein Marineschiff in eine geplante Werftliegezeit, wird es durch die Besatzung oder eine sogenannte Werftgruppe betreut. Letztere setzt sich aus den erfahrenen Technikern der Flotte für die jeweilige Schiffsklasse zusammen. Die Besatzung des Schiffs hat zuvor den Wartungs- und Reparaturbedarf formuliert und ihn an das Marineunterstützungskommando übergeben, das ihn zur Umsetzung an das Marinearsenal weiterleitet.

Zwei Personen in leuchtend-orangenen Arbeitsjacken stehen vor einem großen, grauen, kastenförmigen Raketenstarter.

Wichtigste Voraussetzung dafür, dass auch zivile Subunternehmer Kriegsschiffe warten können, ist, zuvor alle militärischen Systeme abzubauen. Hier nimmt das Marinearsenal den RAMRolling Airframe Missile-Flugabwehrraketen-Starter vom Vorschiff einer Korvette ab.

Bundeswehr/Susanne Krause-Weers


Das Marinearsenal nimmt zwei Grundaufgaben wahr: Einerseits steuert es die Instandhaltung der Schiffe und Boote auf Managementebene und vergibt Aufträge an zivile Werften und andere Unternehmen. Andererseits kann es, neben der Wartung der militärischen Anlagen, auch selbst eine ganze Anzahl der übrigen praktischen Arbeiten mit der eigenen Infrastruktur in Wilhelmshaven, Kiel und Rostock übernehmen.

Arbeiten, die die Angehörigen des Marinearsenals nicht selbst erledigen können, vergibt die Behörde als öffentlicher Auftraggeber an die Industrie. Abhängig von den vielen, unterschiedlichen Reparaturaufgaben, die bei solch einem komplexen Waffensystem wie einem Kriegsschiff anfallen, können dabei Vergaben kleinerer Einzelaufträge bis hin zu einer kompletten Werftliegezeit für ein Marineschiff notwendig werden. Je nach Umfang sind dann das Marinearsenal oder eine zivile Werft Generalunternehmer für ein „Gesamtpaket“ mit einer Vielzahl von Unterauftragnehmern.

Impressionen aus Kiel und Warnemünde

Welche Standorte hat das Marinearsenal?

Hauptstandort des Marinearsenals ist Wilhelmshaven mit rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dessen sogenannter Bauhafen in Wilhelmshaven hat eine Größe von rund 175.000 Quadratmetern. Hier liegt auch das einzig verbliebene Schwimmdock der Bundeswehr mit 6.000 Tonnen Hebefähigkeit. In der Regel ist es von einer der Fregatten der Einsatzflottille 2 belegt.

In Rostock-Warnemünde verfügt das Marinearsenal unter anderem über ein 320 Meter langes, überdachtes Trockendock für die Schiffe und Boote der Flotte. Rund 500 Mitarbeitende gehören zu diesem Standort.

Eine dritte größere Außenstelle liegt in Kiel mit über 200 Angehörigen. Die Fachleute hier arbeiten zum Beispiel in einer Sehrohr- und der Sonarwerkstatt, die vor allem für die U-Boote und die Minenjagdboote der Einsatzflottille 1 da sind.

Die Bundeswehr hat im Sommer 2022 den in Rostock-Warnemünde befindlichen Teils der ehemaligen MV Werften übernommen. Dringend benötigte Infrastruktur steht dem Marinearsenal damit genauso zur Verfügung wie die Expertise der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Bundeswehr hat damit Instandhaltungs- und Dock-Kapazitäten erhalten, die ihr zuvor im Bereich der Ostsee fehlten. Das stärkt auch die nationale Sicherheitsvorsorge beziehungsweise den deutschen Beitrag zur Bündnisverteidigung gerade an der Nordostflanke der NATO.

Eine sehr große, leere Industriehalle von innen.

Standortvorteil: Das Marinearsenal Warnowwerft verfügt über ein 320 Meter langes Trockendock, mit einem 80 Meter langen und 85 Meter hohen Dach. Hier ist Platz auch für die größten Schiffe der Marine.

Bundeswehr/Susanne Krause-Weers


Der neue Standort in Rostock-Warnemünde unterstützt und entlastet mit seinen besonderen Fähigkeiten und Kapazitäten die anderen Standorte des Marinearsenals. So haben vor allem die Korvetten mit ihrem Heimatstützpunkt Warnemünde einen großen Wartungs- und Reparaturbetrieb gleich „nebenan“ auf der anderen Warnowseite.

„Marinearsenal“ ist in Deutschland im Grunde ein Traditionsname für eine staatliche Marinewerft.

Der Begriff Arsenal selbst stammt ursprünglich aus dem Arabischen und bedeutete so viel wie „Werkstatt“. Diesen Begriff übernahm im 12. Jahrhundert das historisch erste Arsenal einer Marine weltweit: das der Republik Venedig. Den Namen trägt der historische Gebäudekomplex in der Lagunenstadt noch heute.

Das Marinearsenal der Bundeswehr besteht seit 1957. Es hat seinen Hauptsitz auf dem Gelände vorheriger deutscher Marinewerften in Wilhelmshaven – angefangen von der Königlich-Preußischen ab 1869.

Veröffentlicht am: 12.04.2023, zuletzt aktualisiert am: 12.04.2023     
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