Seit einigen Tagen geistern Meldungen durch die Presse, dass sich die erstmals im August 2020 in Peru aufgetretene Lambda-Variante auch bis nach Spanien, Großbritannien und Deutschland ausgebreitet hätte. Auch wird gemutmaßt, dass bei der Variante die verfügbaren Impfstoffe nicht wirken würden. Oberstarzt Professor Dr. Roman Wölfel, Leiter des Institutes für Mikrobiologie der Bundeswehr, bringt für uns Licht ins Dunkel.
Die Lambda-Variante des SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 schlug vor kurzem hohe Wellen in der Presse. Oberstarzt Professor Dr. Roman Wölfel, Leiter des Institutes für Mikrobiologie der Bundeswehr ordnet diese Informationen für uns ein.
pixabay/Gerd Altmann
vonProfessor Dr. Roman Wölfel, Michael Tomelzik
8 Fragen an Oberstarzt Professor Dr. Roman Wölfel
Leiter des Institutes für Mikrobiologie der Bundeswehr
Bundeswehr
Herr Professor Wölfel, wie viele nachgewiesene Fälle der Lambda-Variante gab es bisher in Deutschland und Europa?
In Deutschland spielt die Lambda-Variante nur eine sehr untergeordnete Rolle. Bisher sind bei der bundesweiten Genomüberwachung nur etwa 100 Lambda-Fälle entdeckt worden, davon allein 63 in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der Erbgutanalysen wissen wir, dass es sich dabei mindestens elfmal um Einschleppungen aus Süd- und Nordamerika handelt. In den übrigen Ländern Europas sind die Fallzahlen für Lambda vergleichbar gering.
Die WHOWorld Health Organizationhat im Juni berichtet, dass die zuerst in Lateinamerika aufgetretene Corona-Variante Lambda schwieriger durch das Immunsystem zu bekämpfen sei und so zu schwereren Verläufen führen könnte. Gibt es dazu schon Erkenntnisse?
Belastbare Studien brauchen Zeit und zu den Eigenschaften der Lambda-Virusvariante gibt bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen. Diese beschränken sich aber vorrangig auf Beobachtungen, wie sich das Virus im Labor in Zellkultur verhält. Verlässliche und vergleichbare Daten zum Verlauf einer Lambda-Infektion bei Menschen fehlen noch. Das liegt auch daran, dass sich Lambda weder regional noch international so sehr verbreitet hat, wie zunächst befürchtet wurde. Je geringer der Anteil dieser Variante an den Infizierten ist, desto schwieriger wird es aber auch, vergleichbare Patientendaten zu sammeln.
Aktuell beträgt der Anteil von Lambda nur etwa 1 Prozent der Infektionen weltweit und 5 Prozent der Infektionen in Südamerika - mit derzeit stark rückläufigem Trend. Auch in Peru, wo Lambda sich im Juni als vorherrschenden Variante etablieren konnte, wird sie aktuell wieder zunehmend von der Gamma-Variante verdrängt.
Interessanterweise scheint die starke Ausbreitung von Lambda in Peru wenig mit einer Resistenz dieser Variante gegen Impfantikörper zu tun zu haben: Nur knapp 10 Prozent der Bevölkerung in Peru sind bislang überhaupt geimpft. Lambda kann hier also kaum einen Vorteil für sich nutzen. Die hohe Sterblichkeitsrate in Peru ist aus meiner Sicht eher durch eine Überlastung des dortigen Gesundheitssystems bedingt.
In welcher Weise hat sich das Spike-Protein verändert um diese eventuelle Entwicklung herbei zu führen?
Das Spike-Protein ist der Schlüssel mit dem das Coronavirus in menschliche Zellen eindringt. Da es diesen Schlüssel an seiner Außenseite trägt, ist das Spike-Protein aber auch das wichtigste Erkennungsmerkmal für unser Immunsystem. Die Lambda-Variante hat Mutationen in verschiedenen Bereichen des Spike-Proteins. Eine dieser Mutationen, die L452Q genannt wird, kann im Labor die Virusinfektion von Zellkulturen verstärken. Dieser leicht veränderte Schlüssel passt also offenbar besser und erleichtert den Eintritt in die Zelle. Der Infektionsprozess im menschlichen Körper ist jedoch um einiges komplexer. Es gibt viel mehr Einflussfaktoren als bei der Infektion von Zellkulturen im Labor. Will man die wirkliche Bedeutung einer neuen Virusvariante bewerten, muss man ihre tatsächliche Ausbreitung in der Bevölkerung beobachten. Und da zeigten bisher nur die Alpha- und danach die Deltavariante die Fähigkeit, sich weltweit durchzusetzen und andere Varianten zu verdrängen.
Erste Studien haben angeblich ergeben, dass die Lambda-Variante möglicherweise gegen die gängigen Impfstoffe resistent sein könnte. Ist da etwas dran?
Bei vielen neuen Varianten von SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 wurde immer wieder über eine vermutete Resistenz gegen Impfantikörper berichtet. Dabei entsteht leicht der Eindruck, eine neue Variante würde komplett immun gegen die bestehenden Antikörper sein. Das ist so aber nicht richtig.
Um die Bedeutung von Mutationen und Antikörpern besser zu verstehen, hilft vielleicht folgendes Bild: Stellen sie sich das Spike-Protein wie einen Baum vor und die Antikörper wie Vögel. Das Immunsystem bildet eine Vielzahl unterschiedlicher Antikörper gegen verschiedene Bereiche des Spike-Proteins, also einen Schwarm verschiedener Vogelarten, die an unterschiedlichen Zweigen des Baumes Platz nehmen. Jeder Vogel bevorzugt anhand seiner Größe und Vorlieben und der Ausbildung des Geästs unterschiedliche Plätze. Mutationen des Spike-Proteins, also des Baums, verändern dieses Bild: Einzelne Äste können plötzlich wegfallen, andere ändern ihre Form. Die Vögel, die bislang dort gerne saßen, finden keinen Platz mehr an ihrer Lieblingsstelle.
Einzelne Antikörper finden ihre Zielstruktur nicht mehr und können nicht mehr binden. Die Immunantwort wird dadurch aber nicht wirkungslos, denn obwohl manche Antikörper eine wichtigere Rolle spielen als andere, wird der Ausfall eines oder mehrerer Antikörper durch den Rest des Schwarms kompensiert. Wir nennen das die Plastizität des Immunsystems.
Alle derzeit bei uns verwendeten Impfstoffe immunisieren gegen das komplette Spike-Protein. Bei jedem Geimpften bildet sich also so ein Schwarm von Antikörpern. Und dieser Schwarm ist auch gegen die Lambda-Variante wirkungsvoll: Eine Studie aus New York hat für unter anderem für den mRNA-Impfstoff von Moderna gezeigt, dass er gegen Infektionen mit der Lambda-Variante effektiv schützt. Die Wirkung ist zwar im Vergleich zum ursprünglichen SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 um den Faktor 2 bis 3 erniedrigt, im direkten Vergleich mit anderen Varianten aber in einem ähnlichen Bereich.
Inwieweit beobachtet das InstMikroBioBwInstitut für Mikrobiologie der Bundeswehrdie neu auftretenden Varianten? Hatten Sie schon mit der Lambda-Variante zu tun?
Wir überwachen seit Beginn der Pandemie die Entwicklung von Varianten bei erkrankten Soldatinnen und Soldaten in Deutschland und weltweit. Außerdem unterstützen wir zivile Partnereinrichtungen im In- und Ausland. Auf diese Weise haben wir schon viele neue genetische Variationen des Virus entdeckt. Die Lambda-Variante haben wir aber bisher in keinem Fall nachgewiesen.
Vor geraumer Zeit gab es ja eine medienwirksame Diskussion darüber, ob es in Deutschland ausreichend Kapazitäten, also Laboratorien gibt, die in der Lage sind, Gene des Virus zu sequenzieren und damit auch Varianten nachzuweisen. Was hat sich im letzten Jahr bis heute bei diesen Kapazitäten getan?
Die Diagnostikkapazitäten in Deutschland waren im Vergleich zu vielen anderen Ländern bereits zu Beginn der Pandemie gut aufgestellt. Das lag sicherlich auch daran, dass wir viele Labore mit guter PCRPolymerase-Ketten-Reaktion-Erfahrung haben. Bei der Genomsequenzierung waren Mitte 2020 zunächst Länder wie Großbritannien und Dänemark besser aufgestellt. Mittlerweile haben wir aber auch in Deutschland enorme Kapazitäten für die Genomsequenzierung zur Verfügung.
Das InstMikroBioBwInstitut für Mikrobiologie der Bundeswehr ist ja die Gen-Sequenzierungskapazität in der Bundeswehr. Wie sehr nimmt Sie diese Aufgabe in Beschlag? Arbeiten Sie an Ihrer Leistungsgrenze?
Unsere Aufgabe ist es unsere Soldatinnen und Soldaten vor einer Vielzahl gefährlicher, aber oftmals auch seltener, Krankheitserreger zu schützen. Durch diesen speziellen Auftrag hatten wir bereits zu Beginn der Pandemie eine gute Genomsequenzierungsfähigkeit, sowohl stationär in München, als auch hochmobil für den Einsatz. Mittlerweile haben wir unsere Kapazitäten nochmals deutlich ausgebaut. Wir können jetzt mehrere Gebiete auf der Welt gleichzeitig überwachen. Außerdem teilen wir unser technisches Wissen und unsere Ergebnisse mit Partnereinrichtungen auf der ganzen Welt.
Herr Oberstarzt Professor Wölfel, was ist aus Ihrer Sicht der Weg aus der Pandemie zurück zu einem normalen Leben, auch in der Bundeswehr?
Wir müssen alle lernen mit SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2 umzugehen, da es nicht mehr verschwinden wird. Der wichtigste Beitrag dazu ist die Impfung. Sie schützt insbesondere vor schweren und tödlichen Verläufen. Außerdem wird die Übertragung in einer geimpften Bevölkerung sehr stark vermindert. Je mehr geimpfte Menschen wir in Deutschland und auf der ganzen Welt haben, umso schneller werden wir wieder sicher die sozialen Kontakte haben können, auf die wir nun lange verzichten mussten. Und für alle Soldatinnen und Soldaten sind Schutzimpfungen, übrigens nicht nur gegen SARSSchweres Akutes Respiratorisches Syndrom-CoV-2, ein entscheidender Baustein um unseren Auftrag in Deutschland und in den Einsatzgebieten wieder vollständig und professionell erfüllen zu können.
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