Streitkräftebasis

Die guten Seelen vom Flughafen

Die guten Seelen vom Flughafen

Datum:
Ort:
Nürnberg
Lesedauer:
5 MIN

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Zwei Feldwebel des Landeskommando Bayern, Regionalstab Nord, fertigen am zivilen Flughafen Nürnberg militärische Flüge ab. Sie sind Ansprechpartner für Angehörige, die zivilen Flughafen-Mitarbeiter und die Kameradinnen und Kameraden. Einem Einsatz-Rückkehrer haben sie durch ihr aufmerksames Handeln das Leben gerettet.

Zwei Soldaten im Feldanzug und mit Warnweste stehen vor einem Verwaltungsgebäude des Nürnberger Flughafens.

Abfertiger am Flughafen Nürnberg: Ralle und Chris beginnen ihren besonderen Dienst. Die Soldaten gehören zum Regionalstab Territoriale Aufgaben der Bundeswehr Nord.

Bundeswehr/Felicia Englmann

Den Schlüssel abholen, das große Tor öffnen, die Lounge kontrollieren – und dann erstmal warten. So beginnt ein Flughafendienst für Stabsfeldwebel Ralle und Hauptfeldwebel Chris. Jeder kennt sie nur unter diesen Spitznamen. An diesem Tag kommt ein A400M der Luftwaffe mit Soldatinnen und Soldaten an Bord, die nach sieben Monaten Einsatz im Kosovo nach Hause kommen. 26 von ihnen steigen in Nürnberg aus, die anderen fliegen weiter nach Wunstorf. Die Feldwebel vom Regionalstab für Territoriale Aufgaben der Bundeswehr Nord, einer Einheit des Landeskommando Bayern, fertigen am zivilen Flughafen Nürnberg militärische Flüge ab. „Keine große Sache“, sagen beide bescheiden, aber für die Kameradinnen und Kameraden, die aus dem Einsatz kommen und in den Einsatz gehen, für die Abholer und Angehörigen sind die Abfertiger mit die wichtigsten Menschen am Flughafen.

Unterstützung für Kameraden

Zwei Soldaten sitzen an einem Klapptisch und haben vor sich Papiere liegen, die sie gemeinsam bearbeiten.

Wer kommt heute an? Chris und Ralle bekommen Passagierlisten und prüfen später, ob wirklich jeder auf dem Flug dabei war.

Bundeswehr/Felicia Englmann

Der Mitarbeiter der Airport Security kommt in der Lounge vorbei und sagt, dass der A400M eine halbe Stunde später landen werde. Die Lounge ist in einem Tiefgeschoss des Flughafens, in einem eigenen abgezäunten Bereich. Die Arbeitsplätze der Abfertiger sind Klapptische und –Bänke. Dort legen Ralle und Chris Formulare und Passagierlisten bereit, genauso wie Informationsmaterial für die Rückkehrer. Aktuell stehen darauf etwa Informationen zur häuslichen Isolation aufgrund der Corona-Pandemie. Ein junger Mann kommt in die Lounge, sieht sich um und geht auf die Soldaten zu. Wann denn der Flieger nun kommt, möchte er wissen. Er möchte jemanden abholen. Und ob es irgendwo eine Toilette gebe. Chris zeigt ihm den Weg. Es sind nicht nur die Ankünfte, auch Abflüge abzufertigen gehören zu ihren Aufgaben. Auch dabei prüfen die Feldwebel die Passagierlisten und sehen viele traurige Gesichter von Angehörigen, die ihre Liebsten verabschieden.

Ansprechpartner für Angehörige

Zwei Soldaten vor einem kleinen Bundeswehr-Schild, im Hintergrund ein Reisebus.

Abholer bitte hier entlang! Ralle und Chris prüfen, ob die Hinweisschilder richtig aufgestellt sind. Ein Bus ist bereits vorgefahren, im Rückkehrer nach Hause nach Niederbayern zu bringen.

Bundeswehr/Felicia Englmann

Es sind die vermeintlich kleinen Informationen und Gesten, die aber hier so wichtig sind. Ansprechpartner zu sein für die wartenden Angehörigen, das finden die beiden Feldwebel selbstverständlich. Sie kontrollieren auch die kleinen Schilder, die der Flughafen Nürnberg bei militärischen Flügen aufstellt: Parkplätze für Abholer und Bringer, Eingang zur Lounge. Weil die Angehörigen meistens aufgeregt sind, übersehen dennoch einige die Schilder und irren herum. Bei Flügen mit viel Personal steht daher manchmal ein zusätzlicher Einweiser an der Straße. 
Zwei, manchmal aber auch mehr Soldaten des Regionalstabs Nord erledigen den Flughafendienst zusammen – je nachdem, wie viele Soldatinnen und Soldaten abfliegen oder ankommen. Ralle und Chris erzählen: „Wir mussten auch schon mal ein Auto einparken, weil die Abholerin völlig mit den Nerven fertig war.“

Schnell nach Hause

Mann lotst A400M

Gelandet: Der A400M der Luftwaffe ist mit den Rückkehrern am Flughafen Nürnberg angekommen.

Bundeswehr/Felicia Englmann

Von Westen her landet der A400M auf dem Flughafen. Die Luft sirrt noch, als er schon den Boden berührt hat. Ein „Follow Me“ des Flughafens und zivile Mitarbeiter lotsen das große Transportflugzeug in die Parkposition. Wie bei jedem Passagierflug rollt ein Bus heran und ein Transportwagen für das Gepäck. Die Soldatinnen und Soldaten – sie kommen auf diesem Flug aus Freyung, Bogen und Mittenwald - laden ihr Gepäck selbst aus dem Flugzeug aus, dann geht es mit dem Bus zur Ankunftslounge.  Dort wird es hektisch: Alle Rückkehrer wollen jetzt schnell nach Hause, am Zaun stehen schon die Abholer und winken, aber noch müssen die Abfertiger die Belehrungen ausgeben und alle einzeln aufrufen, um sie auf der Ankunftsliste unterschreiben zu lassen. Oben fährt der Gepäckwagen vor.

Abholen, zuhören, zureden

Soldaten bilden auf der Ladeklappe eines A400M eine Kette und laden Gepäck in einen Transportwagen.

Wieder daheim: Soldatinnen und Soldaten aus bayerischen Standorten aus dem Einsatz im Kosovo zurück. Das Gepäck laden sie am Flughafen Nürnberg selbst aus dem A400M aus.

Bundeswehr/Felicia Englmann

„Ich habe hier noch einen Nässeschutz!“, ruft Ralle in die Menge. Jeder schnappt sein Gepäck, im Gewusel hat sich eine Jacke selbständig gemacht. Der Besitzer, schon draußen beim Bus, saust noch einmal zurück. Immer wieder bleibt Gepäck auch ganz liegen. „Wir kümmern uns drum“, sagen die Flugabfertiger, „das sind ja nur Kleinigkeiten“. Dabei ist der Flughafendienst für sie nicht einmal Alltag: Chris kümmert sich als Feldwebel für Reservistenangelegenheiten um die unbeordeten Reservisten in Mittelfranken Ost. Ralle ist im Stab eingesetzt. Zupackend helfen sie am Flughafen auch beim Ausladen, denn es kann den Rückkehrern gar nicht schnell genug gehen. Andere bleiben länger in der Lounge, als ihnen lieb ist: „Wir hatten hier schon Leute, die nicht abgeholt wurden“, erzählen die Feldwebel. Diesen besorgten sie Taxis, telefonierten mit verspäteten Abholern. Zuhören, zureden und zugewandt sein – das sind große Leistungen der beiden, die in diesen Momenten zählen.

Auszeichnung für Lebensretter

Ein Soldat hält mit prüfendem Blick eine Jacke in der Hand, im Hintergrund ein Gepäckwagen.

Wer hat da seine Jacke verloren? Ralle sucht das Namensschild, damit der Rückkehrer nicht ohne Jacke daheim ankommt.

Bundeswehr/Felicia Englmann

An einen Kameraden, der nicht abgeholt wurde, erinnern sich die beiden Feldwebel ganz besonders gut. Der Hauptmann kam aus dem Einsatz im Kosovo zurück. Er war bereits dort erkrankt, hatte aber vom Arzt eine Bescheinigung über die Flugtauglichkeit. Zudem waren Sanitäter an Bord. Am Flughafen Nürnberg angekommen ging es dem Rückkehrer plötzlich rapide schlechter. Trotzdem wollte er alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiterreisen. Den Feldwebeln fiel der schlechte Zustand des Kameraden auf, der kaum mehr ansprechbar schien. „Du fährst nicht weiter“, sagten sie, behielten ihn in der Lounge, als alle anderen schon weg waren. Sie alarmierten einen zivilen Rettungswagen, als es dem Rückkehrer noch schlechter ging – und retten dem Kameraden damit das Leben. Er brach vor Ort mit multiplem Organversagen aufgrund einer Sepsis zusammen. Für ihre besondere Aufmerksamkeit, Kameradschaft und Hilfsbereitschaft erhielten die beiden Feldwebel die Ehrenmedaille des Landeskommando Bayern in Gold. Oberst Heinz Unterreiner überreichte sie in Vertretung des Kommandeurs – zwei Jahre nach dem Vorfall. Denn die guten Seelen vom Flughafen hatten in der Dienststelle gar nicht viel von dem Ereignis berichtet, auch diese Hilfe war für sie „keine große Sache“. 

Auch die Nachbereitung gehört dazu

Vier Soldaten stehen vor einem Tor, im Hintergrund ein Flugfeld mit einem „Follow Me“-Auto.

Auszeichnung: Für ihren vorbildlichen Dienst erhalten die Feldwebel die Ehrenmedaille des Landeskommando Bayern in Gold. Oberst Heinz Unterreiner (rechts) überreicht sie in Vertretung des Kommandeurs am Flughafen Nürnberg.

Bundeswehr/Felicia Englmann

Wenn alle Rückkehrer abgeholt sind oder alle Kameradinnen und Kameraden, die in den Einsatz fliegen, an Bord sind und das Flugzeug gestartet ist, bleibt wieder Warten. Mindestens eine Stunde nach dem Abflug eines militärischen Flugs sind Chris und Ralle noch da, falls das Flugzeug aus irgendeinem Grund umkehren muss und wieder in Nürnberg landet. Zeit, noch einmal die Lounge zu kontrollieren. Unter einer der Bänke finden sie eine verlorene Tafel Schokolade, unter einer anderen eine leere Wasserflasche. Schnell wegwerfen, obwohl das auch die Reinigungskräfte des Flughafens tun könnten – ist ja nur eine Kleinigkeit.

von Felicia Englmann  E-Mail schreiben

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