Die Gründung der Bundeswehr

Nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Kapitulation erfolgte die Gründung der Bundeswehr. Denn eine neue Konfrontation war ausgebrochen. Der Kalte Krieg war ihr „Geburtshelfer“: Die verschärfte Konfrontation zwischen der westlichen Welt und der Sowjetunion ebnete den Weg zur Gründung der Bundeswehr 1955/56.

Soldaten in ihrer Stube (Schwarz-Weiß-Aufnahme)

Kapitulation und Neubeginn

Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7. und 8. Mai 1945 übernahmen die Siegermächte die politische Kontrolle über ganz Deutschland: die USA, Großbritannien und Frankreich in den westlichen Besatzungszonen, die Sowjetunion in der östlichen Besatzungszone.

Die Wehrmacht sowie überhaupt alles Militärische oder militärisch Nutzbare wurden aufgelöst. Der nahezu vollständigen Demilitarisierung folgte eine politische Dezentralisierung: Bis 1947 entstanden 16 Länder, aber noch keine Zentralgewalt für Deutschland als Ganzes.

Entnazifizierung und Kriegsverbrechergerichte

Im Zuge der Demokratisierung wurden die NSDAP und alle ihre Organisationen verboten. Alle Deutschen mussten sich der Entnazifizierung stellen – für viele nicht mehr als ein schlichter Fragebogen. Letztlich wurden verhältnismäßig wenige Funktionäre der NSDAP, Regierungsmitglieder und hohe Militärs von speziellen Kriegsverbrechergerichten zur Rechenschaft gezogen. Ziel der Deindustrialisierung war die Zerschlagung der Rüstungs- und Schwerindustrie. Die beschlagnahmten Güter flossen als Reparationen in die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg besetzten Staaten, vor allem nach Frankreich und in die Sowjetunion.

Die Pläne der Siegermächte

Ein Rosinenbomber vom Typ DC-3 am Himmel

Ein Rosinenbomber vom Typ DC 3 beim Tag der Bundeswehr 2019 in Jagel. Mit einer Maschine wie dieser wurde die Berliner Luftbrücke 1948/49 geflogen.

Bundeswehr/Sönke Dwenger

Über den Umgang mit Deutschland als Nationalstaat eskalierte ab 1946/47 ein Streit zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Beide Seiten hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von Politik, Sicherheit und Demokratie.

Die grundsätzliche Verschiedenheit der ideologischen Weltbilder schlug sich auch in den Wirtschaftssystemen nieder: Kapitalistische Marktregulierung in den westlichen Besatzungszonen stand sozialistischer Planwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) gegenüber.

Die Sowjetunion nahm deshalb die Währungsreform in den westdeutschen Besatzungszonen im Mai 1948 zum Anlass, das von den Westmächten kontrollierte West-Berlin auf dem Landweg von Westdeutschland abzuschneiden. Über eine Luftbrücke versorgten die Westalliierten West-Berlin bis in den Mai 1949 und die Sowjetunion gab die Blockade schließlich auf.

Der Weg zur Bundesrepublik Deutschland

Als Reaktion auf die zunehmende Konfrontation zwischen Ost und West beauftragten die Westmächte 1948 die westdeutschen Länder, über eine demokratische Verfassung zu beraten. Der dazu gegründete Parlamentarische Rat aus 65 Vertretern der Länderparlamente beschloss am 9. Mai 1949, genau vier Jahre nach der Kapitulation der Wehrmacht, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Die Westalliierten stimmten dem Grundgesetz zu und am 23. Mai 1949 trat es in Kraft. Der Weststaat war geboren.

Nach der Wahl am 14. August 1949 konstituierte sich der erste Deutsche Bundestag am 7. September 1949 in Bonn. Die Bundesversammlung aus den Abgeordneten des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Delegierten aus den Bundesländern wählte am 12. September Theodor Heuß zum ersten Bundespräsidenten und am 15. September 1949 Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler.

Damit besaß die Bundesrepublik Deutschland jedoch noch keine volle Souveränität. Das Besatzungsstatut grenzte die „Befugnisse und Verantwortlichkeiten zwischen der zukünftigen deutschen Regierung und der Alliierten Kontrollbehörde“ voneinander ab und die Rechte der Westalliierten waren immer noch beträchtlich.

Adenauer und Blank schreiten die Front der angetretenen Soldaten ab (Schwarz-Weiß)

Bundeskanzler Konrad Adenauer (M.) schreitet mit Verteidigungsminister Theodor Blank (l.) beim Besuch der neu aufgestellten Bundeswehr in Andernach die Formation ab

Bundeswehr/Munker

Die Notwendigkeit westdeutscher Streitkräfte

Als teilsouveräner Staat besaß die Bundesrepublik Deutschland zunächst keine eigenen Streitkräfte. Mit der Gründung des Bundesgrenzschutzes entstand ab 1951 eine paramilitärische Bundespolizei, vorrangig zum Schutz der innerdeutschen Grenze.

Tatsächlich aber waren bereits ab 1947/48 in den USA wie auch in Westdeutschland einige Politiker dazu entschlossen, die neue Bundesrepublik in die Verteidigung Westeuropas einzubeziehen.

Konrad Adenauer verfasste wenige Tage vor seiner Wahl zum Bundeskanzler ein Memorandum, in dem er den Hohen Kommissar der USA, John McCloy, auf die Notwendigkeit westdeutscher Streitkräfte hinwies. Der Beginn des Korea-Krieges im Juni 1950 beschleunigte diesen Prozess. Der Überfall des kommunistischen Nordens auf den unter westlichem Einfluss stehenden Süden verdeutlichte eines: Die kommunistische Welt war auch bereit, ihren Machtbereich kriegerisch zu erweitern.

Von Himmerod zum „Amt Blank“

Als Reaktion auf den Korea-Krieg trafen sich Anfang Oktober 1950 im Eifelkloster Himmerod ehemalige Offiziere der Wehrmacht, um in Adenauers Auftrag und mit Duldung der Westalliierten über westdeutsche Streitkräfte zu beraten.

Das Protokoll fixierte als „Geheime Bundessache“ die geplante Aufstellung von zwölf Heeresdivisionen, starke Jagdfliegerkräfte und eine Gesamtstärke von 500.000 Soldaten als „Rechengrößen“ für einen westdeutschen Beitrag zur Verteidigung Westeuropas. Es sollte „ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht heute grundlegend Neues“ geschaffen werden.

Das „Amt Blank“

Im Anschluss an die Konferenz berief Adenauer den CDUChristlich Demokratische Union-Bundestagsabgeordneten Theodor Blank zum „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“. Wegen dieser sperrigen Amtsbezeichnung sprach man bald vom „Amt Blank“. Es wurde die Keimzelle des späteren Verteidigungsministeriums.

Die Pläne zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft

Blank und Heusinger stehen nebeneinander (Schwarz-Weiß-Aufnahme)

Theodor Blank (r.) war der erste Verteidigungsminister der Bundeswehr. Hier mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Adolf Heusinger

Bundeswehr/Baumann

Wenige Tage nach der Konferenz von Himmerod legte der französische Ministerpräsident René Pleven den Plan für eine Europaarmee vor. In den folgenden vier Jahren wurde sie als Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) Thema zahlreicher Konferenzen und Verhandlungsrunden. Die nationalen Streitkräfte Westeuropas sollten in ihr einem gemeinsamen Oberkommando und einem europäischen Verteidigungsminister unterstellt werden. Nur bis zur Bataillons- und Regimentsebene sollten sie rein national organisiert sein.

Mit dem im Mai 1952 unterzeichneten „Deutschlandvertrag“ - richtigerweise: „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten“ - wurde die Bundesrepublik (künftige) Verbündete der westlichen Nachbarn. Das erklärte Ziel des Vertrags war die Aufnahme Deutschlands in die noch zu gründende EVG.

Letztlich scheiterte die EVG im Sommer 1954 am Widerspruch des französischen Parlaments. Es war selbst nicht bereit, seine Truppen einem europäischen Oberkommando zu unterstellen.

Der Weg in die NATO

Als sehr viel dauerhafter erwies sich die 1949 entstandene NATO. Sie lud nach dem Scheitern der EVG die Bundesrepublik umgehend zu Beitrittsverhandlungen ein. Im Oktober 1954 beteiligte sich eine deutsche Delegation an der Londoner Neun-Mächte-Konferenz. In ihr ging es neben der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO vor allem um die Neufassung des „Deutschlandvertrags“, was durch das Scheitern der EVG nötig wurde.

Die am 19. Oktober 1954 unterzeichneten „Pariser Verträge“ lösten den damit leicht veränderten Deutschlandvertrag ab.

Mehrere aufeinander bezogene Verträge, Verlautbarungen und Abkommen regelten seit 1955 die innere und äußere (und durch die alliierten Vorbehalte noch eingeschränkte) Souveränität der Bundesrepublik Deutschland - letztlich bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990.

Die Pariser Verträge beendeten die Besatzungszeit, sahen eine Europäisierung des Saarlandes vor, regelten die Stationierung ausländischer Truppen in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag) und ihren Eintritt in die NATO.

Nach ihrer Ratifizierung traten die Verträge am 5. Mai 1955 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland konnte nun in die NATO aufgenommen werden.

Das Bundesministerium der Verteidigung

Mit der Gründung der Westeuropäischen Union und dem damit erklärten Verzicht auf atomare, biologische und chemische Waffen, trat die Bundesrepublik Deutschland am 5. Mai 1955 als 15. Mitgliedsstaat der NATO bei.

Am 7. Juni 1955 wurde das Amt Blank in der früheren Bonner Ermekeilkaserne in Bundesministerium für Verteidigung umbenannt. Theodor Blank wurde erster westdeutscher Verteidigungsminister.

Außenansicht von einem Haus in der Bonner Ermekeilkaserne

Haus 1 in der Bonner Ermekeilkaserne in den 60er Jahren

Bundeswehr/BMVg


12.11.1955 – Die Geburtsstunde der Bundeswehr

Obwohl es ein Amt gab und deutsche Delegierte an verschiedenen Konferenzen zur EVG teilgenommen hatten, gab es bis zum 12. November 1955 noch keine Soldaten. Doch an diesem Tag, dem 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Generalleutnant Gerhard Johann David von Scharnhorst (1755-1813), erhielten die ersten 101 Freiwilligen ihre Ernennungsurkunden zum freiwilligen Dienst in den Streitkräften.

Die Gründung der Bundeswehr war offiziell vollzogen. Dass es zu diesem „Festakt“ in der Kraftfahrzeughalle der Bonner Ermekeil-Kaserne, dem Sitz des Amts Blank, kam, war einem findigen Mitarbeiter zu verdanken: Er hatte erkannt, wie gut der 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers und Schöpfer der Allgemeinen Wehrpflicht zur Gründung der Bundeswehr als Armee in einer Demokratie passte.

Von den Mitarbeitern im Blank, die nun zu Soldaten wurden, besaßen aber nicht alle schon die neuen Uniformen. Nicht wenige erschienen daher - weisungsgemäß - im „Straßenanzug“ zu ihrer Ernennung.

Mehrere Soldaten stehen nebeneinander und halten ihre Ernennungsurkunden in den Händen (Schwarz-Weiß-Aufnahme)

Am 12.11.1955, dem 200. Geburtstag von General v. Scharnhorst, werden die Ernennungsurkunden an die ersten Freiwilligen der neuen Streitkräfte überreicht

Bundeswehr/Bundespresseamt


Das Soldatengesetz und der Staatsbürger in Uniform

Seit 1952 begleitete der Deutsche Bundestag den Aufbau der westdeutschen Streitkräfte. Im „Ausschuss zur Mitberatung des EVG-Vertrags und der damit zusammenhängenden Abmachungen“ und ab 1953 im „Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit“ berieten die Parlamentarier sämtliche Gesetze für die neuen Streitkräfte. Das „Gesetz über die Rechtstellung des Soldaten“, umgangssprachlich „Soldatengesetz„ genannt, sorgte für die rechtliche Verankerung des Staatsbürgers in Uniform in der Demokratie. Soldaten besitzen seitdem die gleichen Rechte wie jeder andere Bürger – mit wenigen, militärisch bedingten Einschränkungen.

Literatur:

Martin Rink, Die Bundeswehr 1950/55–1989 (= Militärgeschichte kompakt. 6). DeGruyter Oldenbourg, München 2015, ISBN 978-3-11-044096-6.

Weitere Themen