Kommandeur ZCOZentrum Cyber-Operationen im Gespräch – „An Völkerrecht gebunden“
Kommandeur ZCOZentrum Cyber-Operationen im Gespräch – „An Völkerrecht gebunden“
- Datum:
- Ort:
- Rheinbach
- Lesedauer:
- 4 MIN
Oberst Christian Pawlik ist Kommandeur des Zentrum Cyber-Operationen (ZCOZentrum Cyber-Operationen) und führt damit einen Unikatsverband. Es ist eine einzigartige, hochspezialisierte Dienststelle der Bundeswehr, die dazu befähigt ist, Cyber-Operationen durchzuführen. Im Interview spricht er über solche Operationen, erklärt deren juristisch-politische Herausforderungen und was sein Personal von „Hackern“ unterscheidet.
Herr Oberst Pawlik, was ist eigentlich eine Cyber-Operation?
Bei Cyber-Operationen geht es im Kern darum, militärische Ziele über den Cyberraum zu erreichen. Dazu gilt es, Schwachstellen in fremden oder gegnerischen Computernetzwerken zu finden und diese zum eigenen militärischen Vorteil auszunutzen. Im Detail unterscheiden wir dabei noch zwischen offensiven und defensiven Operationen. Wobei offensive Cyber-Operationen zur Aufklärung, also mit dem Ziel der Informationsgewinnung oder mit Wirkungsabsicht, also dem Erreichen eines vorgegebenen Effektes, eingesetzt werden. Wir sind nahe an dem, was man sich vielleicht unter dem Begriff „Hacking“ vorstellt – mit einigen elementaren Unterschieden.
Zu diesen Unterschieden gehören die rechtlichen Voraussetzungen und die besondere Kontrolle. Können Sie darauf kurz eingehen?
Eine Cyber-Operation durch uns ist eine militärische Operation. Das bedeutet, wir werden nur im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung aktiv oder bei einem mandatierten Einsatz, der auch den Einsatz von Cyber-Operationen erlaubt. Wir sind auch im Cyberraum selbstverständlich an alle Regeln des Völkerrechts gebunden. Aufgrund der besonderen Brisanz unserer Einsätze werden wir bei jedem Schritt juristisch begleitet und politisch kontrolliert. Wir führen Einsatztagebücher, in denen das gesamte Vorgehen protokolliert wird. Oberstes Gebot ist es, nur den Effekt auszulösen, der mandatiert wurde und Begleiteffekte zu vermeiden.
Was unterscheidet Cyber-Operateure denn von dem, was man sich unter Hackern vorstellt?
Mein Personal ist diszipliniert, intrinsisch motiviert und so auch hochgradig kontrolliert in seinem Wirken. Das Bild von sich selbst ermächtigenden Kriminellen, die in Systeme eindringen nur weil sie es können und dann dort alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten ausnutzen, ist bei uns grundfalsch. Während einer Operation sind sie mit Masse Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und mit Kombattantenstatus, die entsprechende Verantwortung für ihr Handeln tragen müssen. So, wie sich jeder Gewehrschütze die Konsequenzen einer Schussabgabe vor Augen führt, machen es die Operateure bei jedem Mausklick.
Mit einem weiteren Klischee möchte ich ebenfalls aufräumen: Meine Soldatinnen und Soldaten sind durch die Bank überdurchschnittlich intelligent. So arbeiten und so leben sie. Deshalb entsprechen sie auch nicht dem Klischee des „übergewichtigen, lichtscheuen, pizzavertilgenden Computerfreak“. Dienstsport und körperliche Leistungsfähigkeit gehören für uns zum Alltag, getreu dem Motto „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“.
Ihr Personal ist unabhängig des Ortes, an dem es sich befindet, häufig im Einsatz. Was macht das mit ihren Leuten?
Die psychische Belastung ist hoch. Meine Männer und Frauen sind hochmotiviert und überwiegend akademisch ausgebildet, sie beschäftigen sich mit dem, was sie täglich tun. Wenn sie eine Wirkung auslösen, ist das nicht abstrakt, sondern kann im Extremfall tödliche Konsequenzen überall auf der Welt haben – das wissen wir und nehmen es sehr ernst.
Vor diesem Hintergrund ist Transparenz, die Arbeit im Team und die enge juristische Begleitung auch nicht nur als Kontrolle zu verstehen – es ist auch eine Maßnahme der Sicherheit und Fürsorge. Auch dem Psycho-Sozialen Netzwerk kommt in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle bei uns zu.
Wo liegen die Besonderheiten für Sie als Kommandeur in der Menschenführung dieser Dienststelle?
Mein Personal ist großzügig mit Feedback und Rückfragen – was ich bitte, hier nur positiv zu verstehen. Seien es Befehle, Weisungen oder auch nur im täglichen Miteinander: Intelligenten, selbstbewussten Menschen mit einem Hang zur Logik und zur kreativen Problemlösung entgeht nichts. Häufig kommen aus dem mir unterstellten Bereich Optionen und Vorschläge, von denen ich selber immens lernen kann und die ich dann gerne aufgreife. Das militärische Prinzip des Führens mit Auftrag wird hier in einem Maße gelebt, das auch mich als Kommandeur täglich beeindruckt.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Zum einen auf das hohe Maß der Professionalität, das wir in wenigen Jahren aufbauen konnten. Wir erfüllen nicht nur alle an uns gestellten Aufträge, wir übertreffen in der Qualität regelmäßig die Erwartungen. Dazu gehört auch, dass die Ausbildung bei uns am Zentrum die höchstwertigste Ausbildung für ITInformationstechnik-Fachkräfte der gesamten Streitkräfte ist. Wir werden dabei durch verschiedene Stellen im gesamten Organisationsbereich unterstützt, die maßgebliche Leistung liegt aber bei uns selbst.
Und dann bin ich natürlich auf mein Personal stolz. Jeden Tag beindrucken mich die Menschen, für die ich Verantwortung tragen darf, mit ihrer Kreativität, ihrer Motivation und der Leistungsbereitschaft in der Erfüllung der Aufträge.