Neue Aufgaben für die Speerspitze der Reserve
Neue Aufgaben für die Speerspitze der Reserve
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Am 18. Oktober 2019 hat Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die neue Strategie der Reserve – „Vision Reserve 2032+“ erlassen. Generalleutnant Markus Laubenthal, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung, hat während seines Besuchs beim Landesregiment Bayern neue Aufgabenfelder für die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSU) benannt. Im Interview spricht er über die erweiterten Aufgaben der Territorialen Reserve und die Bedeutung regionaler Ausbildungsstützpunkte.
Das neue aufgestellte Landesregiment Bayern, ein Pilotprojekt von Bundeswehr und Reservistenverband, geht gerade in eine intensive Ausbildungsphase. Sie haben die Führerweiterbildung in München besucht. Welchen Eindruck haben Sie vom Landesregiment gewonnen?
Mit dem Landesregiment Bayern fassen wir erstmals die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien auf der Verbandsebene zusammen. Für ein erfolgreiches Zusammenwirken bedarf es noch viel Ausbildung. Diese erste Zusammenziehung des Führerkorps dient aber auch der Prägung des Teamgeistes und der Kohäsion. Mir war wichtig, dass ich besonders früh nach Vorliegen der neuen Strategie der Reserve nach München komme. Das Landesregiment Bayern ist gerade jetzt ein Glücksfall, weil es auch als Test- und Versuchsverband – quasi als Speerspitze für die neue Reserve – herangezogen werden kann, um Aufgaben und Forderungen, die in der neuen Strategie der Reserve angelegt sind, auszuprobieren. Dafür habe ich geworben und bin dabei durchweg auf hochmotivierte, engagierte und sehr interessierte Führer gestoßen, die ihre Aufgaben sehr ernst nehmen und wissen, welche Vorbildleistung sie für die neue Reserve erbringen können. Ich denke, das motiviert zusätzlich und diesen Pioniergeist wollte ich bei meinem Besuch vermitteln.
In wieweit kann das Landesregiment im Bereich Ausbildung Vorreiter sein?
Mit der neuen Reserve müssen künftig viele territoriale Aufgaben sowie Unterstützungsaufgaben für Bündnispartner in Deutschland bewältigt werden. Denn große Teile der aktiven Truppe sind bereits dauerhaft gebunden – in internationalen Krisenmissionen, in denen die Bundeswehr immer eingesetzt sein wird sowie – gleichzeitig und gleichrangig – durch die steigenden Bündnisverpflichtungen. Daher ist eine einsatzbereite Bundeswehr ohne eine leistungsfähige und vor allem rasch einsetzbare Reserve gar nicht denkbar.
Welche Aufgaben kommen auf die Reserve zu?
Die Reserve muss der aktiven Truppe Aufgaben abnehmen, die im Inneren unseres Landes durchgeführt werden. Dazu gehört zum Beispiel die Unterstützung von Bündnispartnern, die Deutschland zum Transit, zur Integration in NATONorth Atlantic Treaty Organization Formationen oder zur Ausbildung auf unseren Truppenübungsplätzen nutzen. Werden etwa aktive Unterstützungstruppen davon entlastet, können sie sich auf die zu unterstützenden Verbände und auf andere Aufgaben konzentrieren.
Was bedeutet das konkret für die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten im Landesregiment?
Für die Begleitung, Marschabsicherung verbündeter Streitkräfte und Überwachung oder Sicherung von Räumen sehe ich neben Feldjägern und Aufklärungskräften der Reserve etwa auch Reservekräfte der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien. Gleiches gilt für die Absicherung einsatzwichtiger Liegenschaften und kritischer Infrastruktur oder die Unterstützung Verbündeter auf Truppenübungsplätzen. Für den sogenannten Host Nation Support, den man dort leisten muss, kann man die Reserve heranziehen. Da sind viele sehr wichtige Aufgaben für die Bundeswehr, wo die neue Reserve gefordert wird. Das braucht eine breite Reserve mit vielen Fähigkeiten. Mit dem Landesregiment erprobt die Bundeswehr nun wieder einen stehenden Verband, um damit reaktionsschneller zu werden.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Ausbildung beim Landesregiment?
Wesentliche Herausforderungen sind, dass die Reservistinnen und Reservisten über die erforderliche materielle Ausstattung und besonders eine Führungsausstattung verfügen. Das Landesregiment wird in den kommenden Monaten viele Erkenntnisse darüber sammeln, was genau gebraucht wird. Dazu wird auch eine erste Übung im März beitragen. Es ist wichtig, dass das Regiment Empfehlungen und konkrete Forderungen erarbeitet, was für die Aufgabenerfüllung notwendig ist. Wir werden dann prüfen, was wir davon wie erfüllen können. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Arbeit hier wird nicht über zivile Handys gehen können, hier wird Bundeswehr-ITInformationstechnik benötigt. Da müssen wir in vielen Bereichen umdenken und schneller beschaffen, um der Reserve die Aufgabenerfüllung zu ermöglichen.
Inwieweit ist das Landesregiment auch eine Speerspitze im neuen Ausbildungsstützpunkt Wildflecken?
Als wichtiger Teil einer einsatzbereiten Bundeswehr gilt es den Beweis anzutreten, dass Züge und Kompanien der Reserve ihren Ausbildungsstand in den Reservedienstleistungen so halten können, dass sie rasch zur Aufgabenerfüllung herangezogen werden können. Für viele Reservistinnen und Reservisten wird häufig nur eine Reservedienstleistung in Kurzform, also am Wochenende möglich sein. Deshalb müssen die wenigen Übungstage optimal genutzt werden können.
Wichtigste Aufgabe des Landesregiments ist, die Ausbildung der Züge und Kompanien sicherzustellen. Allgemeine Aufgaben im Einsatz wie Sicherung kann man auch über eine begrenzte Anzahl an Wochenenden auf den unteren Führungsebenen auf einer ausreichenden Ausbildungshöhe halten. Das ist an vielen Standorten aktuell nicht möglich, weil die Ausbildungseinrichtungen nicht vorhanden sind. Zudem kann die aktive Truppe kaum unterstützen, da sie selbst durch Übungen oder Einsätze gebunden ist. Deswegen braucht die Reserve eigene regionale Ausbildungseinrichtungen. Hier bietet die Kooperation in Wildflecken einen erfolgversprechenden Ansatz.
Deshalb möchte ich auch mit dem Regiment diesen Ausbildungsstützpunkt möglichst schnell in einer Übung ausprobieren. Es braucht Erfahrungswerte, wie so etwas funktionieren kann. Das umfasst Gerät, Simulationsausstattung, Übungsgelände wo ich Gefechtsdienst ausbilden kann und auch Unterstützung durch aktive Truppe. Es umfasst aber auch Schießanteile auf einem Truppenübungsplatz und einer Standortschießanlage.
Denken Sie, dass der Ausbildungsstützpunkt Wildflecken modellhaft auf andere Regionen übertragbar sein wird?
Ja, davon bin ich überzeugt. Auf jeden Fall soll Wildflecken Modellcharakter für die Ausbildung von Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräften haben. Ich bin sehr dankbar für die ausgezeichnete Unterstützung, die das Landesregiment von Seiten der Verantwortlichen vor Ort erhält. Wildflecken ist eine ideale Wahl, weil es Unterbringungskapazitäten mit sehr guten Ausbildungsmöglichkeiten bis hin zum scharfen Schuss verbindet und der Standort besonders zu den fränkischen RSU-Kompanien einen regionalen Bezug hat. Zudem ist es von dort auch nicht weit bis nach Hessen oder Thüringen. Damit könnte Wildflecken auch als Ausbildungsstützpunkt für diese „Großregion“ dienen.
Was sind die entscheidenden Punkte für eine solche Regionalität?
Reservistinnen und Reservisten benötigen eine Ausbildungseinrichtung mit kurzen Anfahrtswegen, wo bis auf Kompanieebene geübt werden kann. So, dass ein Reservist am Freitagnachmittag von zu Hause aus anreist, bis Sonntagvormittag übt und am Sonntagnachmittag wieder bei der Familie ist. Das geht nicht, wenn man von Murnau nach Flensburg fahren muss. Das geht, indem die Ausbildungsstützpunkte gezielt nach einem regionalen Konzept angelegt werden. Sollte dieser Ansatz in Wildflecken erfolgreich sein, muss man das Konzept für die ganze Reserve und für ganz Deutschland denken. Zunächst aber will ich wissen, ob wir auch in der Lage sind, an solchen Ausbildungsstützpunkten die Ausbildung zu leisten, die wir leisten wollen und müssen. Wenn die Möglichkeiten überzeugen, gewinnt man auch die Reservistinnen und Reservisten.
Ist Regionalität für die Reserve ein Stück Zukunft?
Auch davon bin ich überzeugt. Wir müssen uns daran orientieren, wo unsere Reservistinnen und Reservisten beheimatet sind. Wenn wir die Grundbeorderung einführen, das heißt, wenn alle wehrdienstfähig aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr für einen gewissen Zeitraum in der Reserve beordert werden, werden wir über viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen verfügen, die wir in Reserveeinheiten zu einem funktionsfähigen Team ausbilden müssen. Dadurch bekommen wir eine sehr kompetente Reserve.
Je besser das zu den Wünschen und Rahmenbedingungen des Einzelnen passt, desto höher wird die Bereitschaft sein sich in Reservedienstleistungen zu engagieren. Dazu muss es eine Durchlässigkeit und Transparenz geben. Das heißt, in Thüringen aus der aktiven Bundeswehr ausscheidende Soldatinnen und Soldaten, die in Bayern oder Baden-Württemberg wohnen, müssen eine Chance haben, entweder in ihrer Fachrichtung oder in der Territorialen Reserve heimatnah verwendet zu werden.
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