RSOMReception, Staging, Onward Movement: Der Weg ukrainischer Soldatinnen und Soldaten zur Ausbildung

Flugabwehr, Grabenkampf, Minenräumen und mehr – der Bedarf der ukrainischen Streitkräfte ist breit gestreut und bestimmt die multinationale Ausbildung in Deutschland: Welche Fähigkeiten werden benötigt? Wie viele Soldatinnen und Soldaten sollen ausgebildet werden? Welche Zeiträume stehen zur Verfügung? Auf dieser Grundlagen planen die Fachleute im Stab des Multinational Special Training Command (MNMultinational ST-CSpecial Training Command) der europäischen Ausbildungsmission EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine, wann, wo, wer für wie viele Trainingsteilnehmende die benötigten Ausbildungen durchführen kann. Eine Ausbildung am Kampfpanzer Leopard 1 oder der Panzerhaubitze 2000 verlangt natürlich anderes Ausbildungspersonal, andere zeitliche Abläufe und eine andere Infrastruktur als die Taktikausbildung eines Brigadestabes oder die Ausbildung von Ersthelfern im Gefecht. Auch bei der Spezialkräfteausbildung unterstützt die Bundeswehr die ukrainischen Streitkräfte.

Manche der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten, die zur Ausbildung anreisen, kommen direkt aus dem Kampfeinsatz. Andere sind Rekrutinnen und Rekruten ohne oder mit nur wenig Kampferfahrung. Bei allen angemeldeten Soldatinnen und Soldaten werden noch vor der Einreise nach Deutschland Papiere und Daten kontrolliert und abgeglichen. Mitunter kommen kurzfristig Lehrgangsteilnehmende hinzu, andere reisen nicht an, weil sie in ihren Einheiten unbedingt gebraucht werden. Nach Abschluss der Einreiseformalitäten geht es per Flugzeug von Polen nach Deutschland.

Der hier für den Lufttransport genutzte Airbus A330 der Multinational MRTTMulti Role Tanker Transport Unit mit Standorten in Eindhoven und Köln war vorher beim Europäischen Lufttransportkommando (EATC European Air Transport Command) in Eindhoven angefordert worden. Nach einem Zwischenstopp in Berlin, wo ein Teil der Soldatinnen und Soldaten aussteigt, geht es weiter nach Köln. Vom Flughafen aus werden die Ukrainierinnen und Ukrainer mit dem Bus zu einem Bundeswehr-Hub gebracht. Bevor sie von dort aus zu ihren Ausbildungsorten gebracht werden, steht noch eine Reihe von Untersuchungen an.

Eine ständige Herausforderung ist die Sprachbarriere. Die ukrainischen Kameradinnen und Kameraden sprechen in der Regel Ukrainisch und Russisch. Das bei EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission eingesetzte Personal spricht Deutsch – oder bei internationalen Ausbilderinnen und Ausbildern die jeweilige Muttersprache und Englisch. Zwar gibt es immer Teilnehmende, die Englisch oder sogar Deutsch sprechen. Auch unter den Ausbilderinnen und Ausbildern finden sich Menschen mit Ukrainisch- oder Russischkenntnissen. Doch manche Ausbildungen – ob im Kampfpanzer, bei den Pionieren oder in der Instandhaltung – erfordern umfangreiche Fachterminologie. Mitunter müssen auch Handbücher, Bedienungsanleitungen und Taschenkarten übersetzt werden. Hier unterstützen Expertinnen und Experten aus dem Bundessprachenamt. Aber nicht alle eingesetzten Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sind Profis. Viele sind Soldatinnen und Soldaten, die in ganz anderen Bereichen der Bundeswehr tätig sind, aber beispielsweise durch ihren familiären Hintergrund Russisch sprechen. Auch sie bringen ihre Sprachkenntnisse in die Ausbildung und Betreuung der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten ein.

Die Ukraine verzeichnete in den letzten Jahren europaweit eine der höchsten Tuberkulose-Inzidenzen. Betroffen sind vor allem 15- bis 64-jährige Personen, also teils auch die Altersgruppe, die im Schwerpunkt in den ukrainischen Streitkräften dient. Auch wenn nicht jeder Kontakt zu einer Infektion und auch nicht jede Infektion zu einer Erkrankung führt, erfolgt bei allen Ausbildungsteilnehmenden ein Röntgen-Screening der Lunge in einem Krankenhaus der Bundeswehr. Nur wer gesund ist, kann die anspruchsvolle Ausbildung durchstehen. Zudem soll die Krankheit auch nicht nach Deutschland getragen werden. Selbstverständlich werden hier gegebenenfalls akute Erkrankungen oder Verletzungen, die die Ausbildungsfähigkeit nicht beeinträchtigen, versorgt. Während des gesamten Aufenthalts der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten in Deutschland werden sie bei Bedarf vom für die Ausbildungseinrichtung zuständigen Sanitätszentrum truppenärztlich betreut.

Vor Beginn der Ausbildung werden die Ukrainerinnen und Ukrainer eingekleidet. Sie erhalten in kürzester Zeit verschiedenste Ausrüstungsgegenstände und Uniformteile, so dass sie für die Ausbildungszeit in Deutschland zweckmäßig ausgestattet sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BwBundeswehr Bekleidungsmanagement GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung stehen dazu an verschiedenen Standorten tatkräftig zur Seite.

Vor der Ausgabe der Uniformoberteile der Bundeswehr werden alle deutschen Hoheitsabzeichen von den Ärmeln abgetrennt. Die ausgegebene Unterwäsche, Strümpfe und Stiefel gehen in den persönlichen Besitz der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten über.

Auf den Transfers – sei es im Flugzeug oder im Bus – holen die Soldatinnen und Soldaten viel Schlaf nach, gerade wenn sie von Einheiten im Kampfeinsatz stammen. Gleichzeitig reist die Sorge um die Familien zu Hause immer mit. Berichte aus der Heimat, insbesondere wenn zivile Ziele angegriffen werden, werden aufmerksam verfolgt. Auch die aktuellen politischen Entwicklungen rund um eine mögliche Beendigung des Krieges werden diskutiert. Wenn Partnerinnen und Kinder der Soldaten in Deutschland Zuflucht vor dem Krieg gesucht haben, wird an ausgewählten Tagen die Möglichkeit zum Besuch gegeben. Manche Familien haben sich monate- oder sogar jahrelang nicht gesehen. Doch die Erfordernisse der Ausbildung stehen immer im Vordergrund. Die ukrainischen Kräfte sind hochmotiviert und wissen, warum sie kämpfen.

In den Ausbildungseinrichtungen erhalten die Teilnehmenden Verpflegung, Unterkunft und medizinische Versorgung. Nach Abschluss der Kurse kehren die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten in ihre Heimat zurück, wo sie das Erlernte weitergeben oder sich direkt an die Front begeben. EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine hat mit dem MNMultinational ST-CSpecial Training Command in Strausberg seit Oktober 2022 die Ausbildungen für mehr als 20.000 ukrainische Soldaten organisiert und durchgeführt. Das Ziel, die militärischen Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte so zu stärken, dass sie wirksam und durchhaltefähig ihr Land verteidigen und die Zivilbevölkerung schützen können, besteht fort.