Cyber- und Informationsraum
Ukraine-Hilfe

ITInformationstechnik-Ausbildung für den Frieden

ITInformationstechnik-Ausbildung für den Frieden

Datum:
Lesedauer:
4 MIN

Seit Februar 2022 sieht sich die Ukraine einem Angriffskrieg durch Russland ausgesetzt und kämpft um ihr Überleben. Bereits kurze Zeit später fiel die Entscheidung vieler europäischer Staaten, die Ukraine mit Material und Ausbildung zu unterstützen. Bisher hat sich das deutsche Engagement insbesondere auf die Ausbildung an Fahrzeugen wie der Panzerhaubitze 2000, dem Flugabwehrpanzer Gepard oder dem Leopard bezogen. Neu ist nun auch die Ausbildung von ITInformationstechnik-Spezialistinnen und Spezialisten, die sowohl die Führungsfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte wie auch die Sicherheit der militärischen ITInformationstechnik gewährleisten sollen.

Ein Soldat schaut dem anderen über die Schulter um gemeinsam auf einen Monitor zu blicken.

Der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum, Vizeadmiral Daum, nutzt die Gelegenheit einen Eindruck der Ausbildung der ukrainischen Soldaten zu bekommen

Bundeswehr/Stefan Uj

Donnerstagmorgen auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Süddeutschland. Es herrscht strahlender Sonnenschein. Von diesem bekommen die Soldaten aber nur wenig mit, denn sie sitzen in Unterrichtsräumen vor dem Bildschirm. Soldatinnen und Soldaten der ukrainischen Streitkräfte im Dienstgrad Leutnant bis Major haben sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, um hier als Systemadministratoren aus- und weitergebildet zu werden. Die Ukrainer werden durch ein Team der Schule für Informationstechnik der Bundeswehr betreut, die durch Personal aus ITInformationstechnik- und EloKaElektronische Kampfführung-Bataillonen unterstützt werden. Hauptmann Basti*, einer der Verantwortlichen, erklärt wie es zu dem Auftrag kam: „Wir wurden frühzeitig darüber informiert, dass dieser Bedarf seitens der Ukraine besteht. Das war bereits Ende 2022. Somit konnten wir uns darauf einstellen. Als dann erste Anforderungen formuliert wurden, welche Ausbildungen die Ukrainer benötigen, haben wir recht schnell das Ausbildungspersonal identifizieren können.“

Was bedeutet die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten für die ITInformationstechnik-Schule?

Brigadegeneral Rainer Simon, Kommandeur der Schule Informationstechnik der Bundeswehr.

Ausbildung und Beratung der ukrainischen Spezialisten aus einer Hand

Soldaten stehen in einem Serverraum und unterhalten sich.

Der Inspekteur CIRCyber- und Informationsraum, Vizeadmiral Daum,(v.l.) und der Kommandeur ITSBw, Brigadegeneral Simon, lassen sich in die extra geschaffene ITInformationstechnik-Infrastruktur einweisen

Bundeswehr/Stefan Uj

Bei den Ausbildern handelt es sich um Top-Spezialisten. Der Grund liegt auf der Hand: Sie müssen nicht nur die Lerninhalte verinnerlicht haben, sondern auch darauf eingestellt sein, jederzeit auf die Bedürfnisse der Auszubildenden, in einem laufenden Krieg die Führungsfähigkeit von Einheiten und Verbänden sicherzustellen, einzugehen. Erschwerend ist, dass die Ausbildungssprache hauptsächlich Englisch ist. Gleichwohl sind auch Übersetzer vor Ort, die sowohl die Übersetzung der Ausbildungsinhalte als auch die Fragen aus dem Englischen ins Ukrainische und umgekehrt sicherstellen. Und Fragen gibt es mehr als genug, denn wenn es um die Nutzung von Hardware und Software geht, müssen die ukrainischen ITInformationstechnik-Spezialisten Meister der Improvisation sein. Allerdings lassen sich die die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten auch gerne Ratschläge von ihren deutschen Kameraden geben, wie Hauptmann Basti unterstreicht: „Wir hatten mit den Ukrainern gesprochen und gefragt, welche Systeme bei ihnen zum Einsatz kommen. Im Gespräch hat sich dann herausgestellt, dass Systeme nicht eingesetzt werden, wie es ursprünglich gedacht war, sondern die vorhandene Hardware wird teilweise umkonfiguriert, mit anderer Software bespielt oder anders eingesetzt als sie eigentlich gedacht war. Hauptsache sie erfüllt ihren Zweck!“ 

ITInformationstechnik-Ausstattung und -netzwerk ist maßgeschneidert

Schwarze Server in einem Raum.

Die ITInformationstechnik-Ausstattung und das Netzwerk mussten kurzfristig an die Bedürfnisse der Ausbildung der ukrainischen Soldaten angepasst werden

Bundeswehr/Stefan Uj

Das gilt in gewisser Weise auch für die in der Ausbildung genutzte Ausbildungsanlage. Nicht nur, dass einzelne Komponenten extra für diese Ausbildung beschafft, aufgebaut und konfiguriert wurden, auch forderte der große Zeitdruck von allen Beteiligten ein hohes Maß an Flexibilität, wie der zuständige Kommandeur der Schule Informationstechnik der Bundeswehr (ITSBw), Brigadegeneral Rainer Simon, bestätigt: „...Das Kommando ITInformationstechnik-Services der Bundeswehr hat uns im Frühjahr die ITInformationstechnik-Ausstattung zur Verfügung gestellt. Diese haben wir innerhalb weniger Wochen bei uns konfiguriert, hier auf dem Übungsplatz aufgebaut und nutzen diese jetzt zusammen im Pilot Lehrgang für die Ausbildung der Ukrainer....“

Wie bewerten Sie die Ausbildung?

Brigadegeneral Rainer Simon, Kommandeur der Schule Informationstechnik der Bundeswehr.

Die ukrainischen Soldaten wissen worum es geht 

Währenddessen läuft der Unterricht weiter. Ruhig und höchst konzentriert folgen die ukrainischen Offiziere den Anweisungen des Lehrpersonals und lösen an ihren Rechnern Aufgaben zur Planung, Implementierung und Betrieb eines militärischen Netzwerkes. Es werden Fragen gestellt und Lösungen präsentiert. Der Lehrplan ist straff gestaltet: Von morgens 07:30 Uhr bis 19:00 Uhr ist die geplante Ausbildungszeit. Tatsächlich sind sich die ukrainischen Teilnehmenden ihres besonderen Privilegs, nämlich in Deutschland ausgebildet zu werden, durchaus bewusst, wie Hauptmann Basti berichtet: „Was wir feststellen ist, dass die Ukrainer sehr sehr motiviert sind und ein Arbeitstag für sie nicht nach zwölf Stunden Ausbildung endet, sondern es ist nicht selten, dass sie Abends bis 12 oder 1 Uhr nachbereiten. Man merkt an der Ausbildungsgruppe sehr stark: Sie wissen worum es geht, sie haben ihren Auftrag erkannt, sie wollen diese Ausbildung vollumfänglich wahrnehmen, um dann später in der Ukraine ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen.“ 

Die Ausbildung in Deutschland ist vital

Deutsche und Ukrainische Soldaten nebeneinander an einem Computer.

Die ukrainischen Auszubildenden tragen während der Ausbildung deutsche Flecktarnuniformen ohne Hoheitsabzeichen

Bundeswehr/Stefan Uj
Das Wappen der Ausbildungsmision.

Markenzeichen: Das Wappen der Europäischen Trainingsmission zur Ausbildung ukrainischer Soldaten – EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission.

Bundeswehr/Stefan Uj

Hauptmann Basti hat aber einen noch essentielleren Grund aus Sicht der Ukraine ausgemacht, der für eine Ausbildung in Deutschland spricht: „…Es geht einerseits um eine Kompensation der fehlenden Ausbildungsmittel auf der ukrainischen Seite, weil ich hier eine Ausbildung gestalten kann, die in kurzer Zeit sehr intensiv ist und ich solche Möglichkeiten, je nachdem wo ich in der Ukraine bin, einfach derzeit nicht habe. Das heißt, ich kann Administratoren schulen, die man sonst derzeit nicht ausbilden könnte.“

Der Tag neigt sich dem Ende entgegen. Heute Abend wird ausnahmsweise etwas früher Schluss gemacht, um den Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit des Durchschnaufens zu geben. Morgen und in den nächsten Tagen wird es weitergehen und am Ende steht die Rückkehr in ihr Heimatland, die Ukraine und damit auch in den Krieg, den sie nicht begonnen haben. Dessen Ausgang aber möglicherweise von dem abhängt, was sie hier im Administratorentraining gelernt haben, denn ...nur mit einer funktionierenden Kommunikation und Führungsfähigkeit haben die ukrainischen Streitkräfte eine Chance zu gewinnen.

von Torsten Stephan  E-Mail schreiben

3 Fragen an Inspekteur CIR

Vizeadmiral Dr. Thomas Daum

Ein Porträtbild
Bundeswehr/Stefan Uj
Redakteur

Welche Bedeutung hat der Auftrag, ukrainische Soldaten als ITInformationstechnik-Systemadministratoren auszubilden, für den Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum?

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Dieser Ausbildungsauftrag genießt bei uns eine hohe Priorität. Es ist eine weitere deutsche Maßnahme zur Unterstützung der Ukraine in der Gegenwehr gegen den russischen Angriffskrieg. Ich freue mich, dass der Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum damit einen Beitrag leisten kann.

Redakteur

Welche Rückmeldung haben Sie von der ukrainischen Führung über die Bedeutung dieses Beitrags?

Ein Porträtbild

Es hat bisher auf meiner Ebene keinen direkten Kontakt mit der militärischen Führung der Ukraine gegeben. Der ukrainische Verteidigungsminister hat das Angebot seinerzeit dankend angenommen, über die ukrainische Botschaft in Deutschland sind dann die inhaltlichen Anforderungen an die Ausbildung abgestimmt worden. Ein Besuch beim ukrainischen Botschafter und Militärattaché in Deutschland ist nun nach meinem Besuch der Ausbildung geplant. Wir wissen, dass die ukrainische Cyberabwehr und Cyberverteidigung recht gut aufgestellt ist und in den Jahren nach 2014 intensiv in diese Fähigkeit investiert wurde. Jedoch sind auch in diesem Aufgabenbereich Opfer durch den russischen Angriffskrieg zu beklagen. Außerdem wissen wir, dass die ukrainischen Streitkräfte einen hohen Bedarf an Spezialisten im Bereich Führungsfähigkeit haben, um bei der Koordination der eigenen Kräfte dem Gegner überlegen zu sein. Unsere Ausbildung leistet damit einen Beitrag an die Ukraine zur fachlichen Regeneration ihrer Cyberkräfte.

Redakteur

Welche Planungen gibt es, diese Ausbildung über den derzeitigen Pilotlehrgang hinaus weiterzuführen?

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Bei meinem Besuch habe ich einen hervorragenden Eindruck von dem großen Engagement meines Ausbilderteams, insbesondere den sprachbefähigten Soldatinnen und Soldaten sowie den Rahmenbedingungen bekommen. Die ukrainischen Soldaten werden in sehr geeigneter Infrastruktur an einem leistungsfähigen Ausbildungsnetzwerk ausgebildet, das unsere Schule für Informationstechnik der Bundeswehr für diesen Zweck selbst aufgebaut und konfiguriert hat. Die Dankbarkeit der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten, die sich sehr gut aufgenommen fühlen und den Wert der Ausbildung anerkennen, verstärkt meinen positiven Eindruck. Das Ausbildungsangebot an die Ukraine ist nicht beschränkt. Wenn die Ukraine weiteren Ausbildungsbedarf artikuliert, stehen wir für eine Fortsetzung der Ausbildung bereit. Auswirkungen auf unseren nationalen Ausbildungsbetrieb werden wir kompensieren. Wir bleiben jedoch angewiesen auf den professionellen „Real Life Support“, der durch die PzBrig 21 großartig geleistet wird.

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