Das Auge ist ganz Ohr

Das Auge ist ganz Ohr

Datum:
Ort:
Köln
Lesedauer:
2 MIN

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Jörg Conrad ist selig. Dem blinden Mitarbeiter aus der Ansprechstelle für die Gesamtschwerbehindertenvertretung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr wurde seine Orcam geliefert. Eine Brillenkamera die den Alltag von blinden Menschen erleichtert. Sie kann Texte vorlesen und Objekte erkennen. Sie wird einfach an eine Brille angehängt.

Der Blindenstock ist für einen blinden Menschen das Kernelement persönlicher Unabhängigkeit, Sicherheit und Mobilität. Dank der Digitalisierung kommt nun ein weiteres High-Tech-Gerät dazu: die Orcam. Sie sieht ein wenig aus wie „Glass“, die umstrittene Videobrille des Google-Konzerns. Nur ist die Orcam nicht gebaut worden, um andere zu beobachten oder unbemerkt zu fotografieren. Es handelt sich vielmehr um eine Lesehilfe für sehbehinderte oder blinde Menschen. Die Mini-Webcam mit integriertem Lautsprecher wiegt gerade mal zehn Gramm und wird direkt an den Bügel der eigenen Brille montiert. Mit einem Fingerzeig wählt Jörg Conrad einen Text aus und das Gerät liest aus einer Entfernung von bis zu 30 Metern vor: Nicht nur Briefe und Straßenschilder, auch Produkt-Etiketten oder Preise im Supermarkt.

Oft werden Menschen mit Behinderung als Leidende dargestellt, die ein tragisches Schicksal ertragen müssen. Das ist aber nicht so. Behindert ist nur der, der in seinem Leben behindert wird.

Zeigt Jörg Conrad also auf einen Text, zum Beispiel aus einem Buch oder einer Speisekarte, wird dieser Text von der Kamera erfasst. Auf diese Weise hört er eine Stimme, die ihm den Text vorliest. Wichtig dabei ist, dass es sich um gedruckte Texte handelt. Außerdem erkennt die Orcam Gegenstände, wenn man auf sie zeigt. Über eine integrierte Lernfunktion kann der er dem System neue Objekte beibringen. Auch Personen. Diese Brille wurde Conrad übrigens im Rahmen seiner Arbeitsplatzausstattung von der Bundeswehr zur Verfügung gestellt.

Jörg Conrad liest den über ihn verfassten Beitrag alleine Korrektur.

Jörg Conrad liest den über ihn verfassten Beitrag alleine Korrektur.

PIZ Personal/Jaqueline Mohit


Das gibt mir zukünftig mehr Selbstständigkeit. Das Spektrum der Dinge, die ich zukünftig selbständig machen kann, vergrößert sich erheblich.

Gesichtserkennung oder Texte vorlesen: Neben Stock und Blindenhund erleichtern auch digitale Helfer blinden Menschen das Leben. Für Jörg Conrad eine große Bereicherung seiner Lebensqualität. Das digitale Zeitalter ist auch im Alltag von behinderten Menschen angekommen.

Blind vor dem Bildschirm

 „Menschen mit Seheinschränkung können ihren Job genauso gut machen, wie jeder andere. Natürlich haben sie das Handicap, dass sie weniger oder womöglich gar nichts sehen. Das war es dann aber auch schon mit den Unterschieden zu normalsichtigen Arbeitnehmern“, weiß Jörg Conrad zu berichten. Für seinen Bildschirm-Arbeitsplatz gibt es wichtige Hilfsmittel, die ihm sein tägliches Arbeitsgeschäft erleichtern. „Zum einen ist das der Screenreader. Das ist eine Software, die den Bildschirminhalt in Blindenschrift überträgt oder in gesprochenen Text umwandelt. Zum anderen die Braillezeile. Mit einer Braillezeile kann man den Inhalt des Computerbildschirms in Blindenschrift – Braille – ausgeben. Üblicherweise werden sie durch Screenreader angesteuert, die Zeichen in ausgewählten Bildschirmbereichen auslesen und in Computerbraille darstellen“, erklärt der 46-Jährige.

Zusammen mit einem Kollegen bespricht Jörg Conrad einen geschriebenen Text
Copyright Bundeswehr / PIZ Personal

Auch blinde Menschen spüren, wenn sie angestarrt werden. Sich von ihnen mit einem „Auf Wiedersehen“ zu verabschieden, ist genauso okay wie einen Rollstuhlfahrer zu einem „Spaziergang“ einzuladen.


von Jörg Dilthey  E-Mail schreiben

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