Durch Dithmarschens eisige Nacht
Durch Dithmarschens eisige Nacht
- Datum:
- Ort:
- Schleswig-Holstein
- Lesedauer:
- 5 MIN
132 Wettkämpferinnen und Wettkämpfer sind in diesem Jahr zum „Eiswolf“ in Dithmarschen angetreten. Die nächtliche Orientierungsübung spricht vor allem Angehörige der Reserve an. Mehr als 50 Kilometer waren zu marschieren, elf Stationen anzulaufen, an denen unterschiedliche Aufgaben gelöst werden mussten. Die meisten Teams hielten durch.
Es ist an diesem Abend wirklich verflixt dunkel in Dithmarschen, kein Mond, keine Sterne. Dichte Wolken hängen über der Landschaft. Am Nachmittag hat es an einigen Stellen sogar geschneit. Auf Feldern und Wiesen liegt der Schnee wie Puderzucker. Die Temperaturen sinken unter Null. Aber wenigstens weht nicht der für die schleswig-holsteinische Westküste so typisch unbarmherzige und schneidende Wind. Es ist „Eiswolf“-Zeit. Die äußeren Bedingungen sind sogar gewünscht. Genau deshalb liegt die Nachtorientierungsübung immer auf einem Wochenende im Januar. „Und die Attraktivität der Veranstaltung ist völlig ungebrochen“, sagt Stabsfeldwebel B. von der Kreisgruppe Dithmarschen des Deutschen Reservistenverbands. B. ist Chef-Organisator und eines der Urgesteine des „Eiswolfs“. 132 Wettkämpferinnen und Wettkämpfer treten in Zweier- und Sechser-Teams bei der 15. Auflage dieser Durchschlageübung an – überwiegend Reservistinnen und Reservisten, aber auch einige Aktive. Und es ist international: Die Mannschaften kommen aus allen Teilen Deutschlands, aus Dänemark und aus den USA. Mehr als die doppelte Zahl mussten die Organisatoren auch in diesem Jahr wieder abweisen und vertrösten.
Große Herausforderung für Organisation
Aber auch die genehmigte Zahl ist eine riesige Herausforderung für die Organisation aus Reservistenverband und Landeskommando Schleswig-Holstein. Den 132 Teilnehmerinnen und Teilnehmern steht ein 200-köpfiger Personalkörper zur Seite, um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten - nicht nur von der Bundeswehr, sondern traditionell auch von diversen Blaulicht-Organisationen, die den „Eiswolf“ unterstützen. In diesem Jahr sind das verschiedene Gliederungen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG, die Rettungshundestaffel Schleswig-Holstein, das Technische Hilfswerk THWTechnisches Hilfswerk, die Freiwillige Feuerwehr Schalkholz und die Bundespolizei. Und diese 200 Helferinnen und Helfer sind immer noch nicht alles: Denn auch eine so genannte „Hunter Force“ gehört zur Übung: 65 Personen, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Leben unterwegs noch erheblich erschweren: Sie versuchen, sie bei der Übung aufzuspüren. Wird man nämlich erwischt, kostet das Zeit und Punkte, die einen in der Wertung nach hinten werfen. Und die Jäger sind keine Amateure. Die „Hunter Force“ rekrutiert sich sowohl aus der Bundeswehr als auch aus der dänischen Heimwehr - ausgestattet mit Diensthunden. Dazu legt sich ein Spähfahrzeug Fennek des Aufklärungsbataillons 6 „Holstein“ mit seinen feinen Sensoren auf die Lauer. Aus der Luft sucht zudem zeitweise ein entsprechend ausgestatteter Helikopter der Bundespolizei aus Fuhlendorf.
„Alle freiwillig hier“
„Warum in aller Welt macht man so etwas“, fragt ein Reporter des Norddeutschen Rundfunks zwei Teilnehmer, die gerade eine eisige Fahrt mit einem Boot des THWTechnisches Hilfswerk auf der Eider zur nächsten Station hinter sich gebracht haben. Die Antwort folgt unter Gelächter: „Wir sind alle freiwillig hier. Es muss also schon irgendwie Spaß machen!“ Die beiden befragten Soldaten haben bereits über 30 Kilometer Fußmarsch durch die Nacht und einige der elf verpflichtend anzulaufenden Stationen hinter sich. Überhaupt, die Anforderungen: Die geplante Marschstrecke beträgt knapp 51 Kilometer. Gestartet wird am Freitagabend um 20 Uhr. Am Sonnabend ist dann um 24 Uhr Schluss. Dazwischen sind elf Stationen zu erreichen, an denen unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen sind. Rettung und Ersthilfe unter feindlichem Beschuss, Durchqueren eiskalten Wassers, Häuserkampf, ein Stress-Parcours und vieles mehr. Einige dieser Stationen, die nicht auf Waffeneinsatz ausgerichtet sind, werden von den zivilen Organisationen betreut, die auf diese Weise selbst einen Übungseffekt erzielen. Aber wie gesagt: Da gibt es noch die „Hunter Force“, die das Leben schwer macht. Und dazu sind die geplanten 51 Kilometer die Ideallinie. Diverse Hindernisse zwingen zu Umwegen. „Mit etwas Pech kommen die Frauen und Männer auch auf knapp 80 Kilometer“, erklärt Oberstabsfeldwebel P., der Gesamtleitende der Übung.
Alle gemeinsam oder niemand
Annähernd auf diese Strecke kommt auch ein Team, das die Orientierungsübung erschöpft abbrechen muss: 800 Meter vor der nächsten Station läuft der Trupp in die Irre – zehn Kilometer in die falsche Richtung, genauso weit auch wieder zurück. Dann ist die Luft nachvollziehbar raus. Aber: Nur drei Team-Abbrüche gibt es insgesamt. Und jedes Mal hat ein einzelnes Mannschaftsmitglied Probleme, die zum Abbruch führen. Das Motto: Alle gemeinsam oder niemand. Die „Hunter Force“-Gruppen sind extrem erfolgreich: 98 Mal stellen sie im Lauf der Übung Mannschaften, einige mehrfach. Die Geländekenntnis und die daraus resultierende Möglichkeit, an Engstellen zwischen zwei Marschpunkten einzugreifen, kombiniert mit den technischen Möglichkeiten und den vierbeinigen Spürnasen, sind für die Jäger unzweifelhaft von Vorteil bei ihrer Aufgabe.
Fast ein Jahr Vorbereitung nötig
Am Sonntag treten die teilnehmenden Mannschaften und das Funktionspersonal des „Eiswolfs“ wieder in der Halle an, in der die Übung begonnen hat. Die Gesichter sehen erschöpft aus, aber durch die Bank sehr zufrieden. Die Ausrüstung ist schon weitgehend gereinigt; die Waffenkammer hat Vollzähligkeit gemeldet. Denn vorher kommt niemand vom Hof. „Das haben Sie alle sehr gut gemacht“, sagt Oberst Axel Schneider, Kommandeur im Landeskommando Schleswig-Holstein, zur Ehrung der Sieger. Fast ein Jahr dauert die Vorbereitung für einen „Eiswolf“. Stabsfeldwebel B. wird seinem Organisationsteam zunächst ein paar Tage Ruhe geben, bevor er herumfragt, ob sich alle am „Eiswolf 2024“ beteiligen möchten: „Heute mache ich das lieber nicht“, sagt er. Großes Lob geht auch in Richtung der Unteroffizierschule der Luftwaffe (USLw). An ihrem Standort Heide ist die USLw seit vielen Jahren Gastgeber für die Nachtorientierungsübung, bietet den Reservistinnen und Reservisten sowie dem Landeskommando nötige Infrastruktur und personelle Hilfe. Und wer hat nun den „Eiswolf 2023“ gewonnen? Reservisten. Natürlich. Platz eins belegt in diesem Jahr die Reservistenkameradschaft Marbach mit ihrem Team 2 und mit ihrem Team 1 den Platz drei. Dazwischen hat sich die Reservistenarbeitsgemeinschaft Militärische Ausbildung Ruhrtal auf den zweiten Rang gekämpft. „Erzählen Sie zu Haus von diesem Wettkampf und kommen Sie im nächsten Jahr wieder“, ruft Oberst Schneider den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu. Nach den ersten Reaktionen muss man sich darum sicher keine Sorgen machen. Die Attraktivität der Nachtorientierungsübung „Eiswolf“ für die Reserve ist auch nach der 15. Auflage ungebrochen.
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