Militärpfarrerin – ein ganz besonderer Dienst

Militärpfarrerin – ein ganz besonderer Dienst

Datum:
Ort:
Bremerhaven

Die evangelische Militärpfarrerin Beate Kopf hat an der Marineoperationsschule Bremerhaven die Arbeit aufgenommen. Kopf ist erst vor wenigen Jahren zur Bundeswehr gekommen und bereitet sich nun auf ihren ersten Auslandseinsatz vor. Die Marineoperationsschule fällt in den Dienstbereich des Landeskommandos Bremen als Teil der Streitkräftebasis.

Militärpfarrerin Beate Kopf steht am Altar der Kapelle in der Marineoperationsschule Bremerhaven.

Den Kontakt mit den jungen Soldaten und Soldatinnen empfindet sie als Bereicherung.

Bundeswehr/Janina Brede

Eigentlich sollte sie im Oktober offiziell in ihr neues Amt eingeführt werden, jetzt musste der feierliche Gottesdienst an der Marineoperationsschule MOSMarineoperationsschule Bremerhaven wegen steigender Corona-Infektionszahlen abgesagt werden. Beate Kopf nimmt die Absage ihrer Amtseinführung gelassen. Die neue Militärpfarrerin hält ein großes Grillfest im Sommer für ebenso geeignet, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich bekannt zu machen. An der MOSMarineoperationsschule ist sie zuständig für 450 Mitglieder des Stammpersonals und jährlich rund 4000 Lehrgangsteilnehmer, immer im Gespann mit den Kollegen der katholischen Militärseelsorge, die den Standort Bremerhaven von Garlstedt aus mit betreuen.

Ansprechpartnerin in allen Lebenslagen
Die Militärseelsorgerin im Gespräch in ihrem Dienstzimmer.

Die Militärseelsorgerin freut sich über jeden, der das Gespräch mit ihr sucht.

Bundeswehr/Janina Brede

Beate Kopf, das signalisiert sie ihren Gesprächspartnern schnell, will Ansprechpartnerin sein für alle Menschen in ihrer Umgebung, unabhängig von Konfessionen und Weltanschauungen. „Unsere Soldaten und Soldatinnen kommen häufig mit Problemen auf mich zu, die auf den ersten Blick wenig mit christlichen Themen zu tun haben“, sagt Kopf. Da geht es um Beziehungsprobleme und den nicht genehmigten Urlaubsantrag, um Versetzungswünsche, Verlustängste oder Mobbingvorfälle. „Bei allem, was ich tue, schwingt zwar mein christliches Weltbild mit, die Bibel muss ich aber nicht permanent vor mir hertragen.“ Wenn ihr Zuhören und Reden nicht ausreichen, verweist Beate Kopf sie an den Truppenarzt und ein umfangreiches psychosoziales Netzwerk. „Ich bin kein Therapeut, aber für viele Angehörige der Bundeswehr der erste Ansprechpartner, um tiefgreifenden Problemen auf den Grund zu gehen.“

Dienstherr bleibt die Kirche

Wichtige Basis für ihre Arbeit sieht die Pfarrerin in der Tatsache, dass ihr Dienstherr auch weiterhin die Kirche ist. „Ich bin auch als Militärseelsorgerin zu hundertprozentiger Verschwiegenheit verpflichtet“, sagt sie und betont: „Ich bin nicht Militär.“ Ohnehin hätte sich die heute 59-Jährige früher kaum vorstellen können, für die Armee zu arbeiten. Am Rande von Ostberlin aufgewachsen, in einem christlich geprägten Elternhaus, entsprach das Bibel-Teilzitat „Schwerter zu Pflugscharen“ ihrem Weltbild. Heute allerdings sagt sie: „Ohne Bundeswehr und Polizei hätten wir Anarchie.“ Das in Teilen der Bevölkerung heute auf Uniformträger mit Aggressivität und offener Verachtung reagiert wird, verweist auf eine Entwicklung, die ihr Sorgen bereitet. Für sie ist es daher besonders wichtig, im Rahmen ihrer Arbeit, mit Soldaten und Soldatinnen über ihr Selbstverständnis sprechen und über die Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Freude und Nähe stehen im Vordergrund
Gummibärchen und Pfefferminz sind mit einem Foto und den Kontaktdaten der Pfarrerin versehen.

Kleine Zeichen des Danks an die Soldaten und Soldatinnen, verbunden mit einer Einladung zum Gespräch.

Bundeswehr/Janina Brede

Beate Kopf hat nach ihrem Abitur in Jena Theologie studiert und dann in Thüringen eine Pfarrstelle übernommen. 2008 ist sie mit ihrem Mann nach Bremerhaven gezogen und hat sich dort neben der Gemeindearbeit in ihrer Pfarrstelle auch im Rahmen der Notfallseelsorge engagiert. Eine erfüllende Tätigkeit. „Aber irgendwann hat sich die Frage gestellt, ob mein Leben jetzt bis zur Rente in geregelten Bahnen weiterläuft oder ob es eine Chance gibt, sich noch einmal neuen Herausforderungen zu stellen.“ Beate Kopf hörte sich um, liebäugelte mit verschiedenen Formen der Sonderseelsorge und entschied sich letztlich für die Arbeit bei der Bundeswehr. Gemeinsam mit ihrem Mann zog sie 2018 nach Bayern und arbeitete dort als Militärseelsorgerin für die Standorte Lechfeld und Kaufbeuren. Dort, wie auch an der Marineoperationsschule, an die sie im Sommer aus privaten Gründen gewechselt ist, hat sie es vorrangig mit jungen Menschen zu tun, die aus allen Teilen des Landes zusammenkommen. Dass Beate Kopf in der DDR aufgewachsen und sozialisiert ist – in ihrem Arbeitsalltag spielt das keine Rolle mehr. Neben ihren Gesprächen mit Soldaten und Soldatinnen hält sie regelmäßig Gottesdienste und organisiert Rüstzeiten für Soldatenfamilien. „Dabei wird viel gelacht und gesungen, vor allzu häufigem Beten muss sich niemand fürchten“, erzählt die Pfarrerin lächelnd.

In Uniform aufs Schiff

Im Sommer wird sie nach jetziger Planung einen mehrmonatigen Einsatz begleiten. Neben dem Flecktarn wird sie dann auch die Marine-Uniform in ihren Spind hängen können. Pfarrer und Pfarrerinnen tragen im Einsatz militärische Schutzkleidung ohne Dienstgradabzeichen, stattdessen verweist ein Kreuz auf der Schulter auf ihre Arbeit. Völkerrechtlich gelten sie als Zivilisten. Ob Beate Kopf seetauglich ist, beschäftigt sie heute noch nicht. „Ab und an wird wohl jeder mal seekrank, aber das vergeht auch wieder“, sagt sie unbekümmert. Ihre Arbeit allerdings wird auf See, unter den psychischen und physischen Belastungen des Einsatzes, noch an Bedeutung gewinnen. Die Erfahrung der Seelsorgerin zeigt, dass Menschen gerade dann auf die großen Fragen von Leben und Tod zurückgeworfen werden, wenn in ihrem Leben besondere Ereignisse den Anstoß dazu geben. Das kann der Verlust eines nahen Angehörigen ebenso sein wie Erfahrungen im Einsatz. Als Christin hält Beate Kopf unverrückbar an der Überzeugung fest, dass Menschen nicht töten sollen. „Aber vielleicht kann man das Gebot auch anders als sonst üblich übersetzen und das Wort morden anstelle von töten setzen.“ Dann nämlich werde der Unterschied deutlich zwischen einem frei gewählten Morden und dem Töten aus einer Zwangslage heraus. „Auf jeden Fall ist es meine Aufgabe, für all jene da zu sein, die eventuell in eine derartige Zwangssituation gekommen sind und jetzt damit leben müssen.“ Nein, Beate Kopf scheut sich nicht davor, über Leben und Tod zu sprechen, über Angst und Trauer, Hoffnungslosigkeit, innere Konflikte. Das Gute und Schöne findet in ihrem Leben dennoch Raum. Immer wieder spricht sie von Fröhlichkeit und Genuss, von den Freuden der Gemeinschaft und dem, was sie nach anstrengenden Tagen schätzt: Spazierengehen auf dem Deich im heimischen Wremen. Begleitet von Mann und Hund. Seelsorge, ganz privat.

von Andrea Hilscher