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Es war schon aufregend. Natürlich bin ich es als Krankenhausseelsorger gewohnt, mit infektiösen Patient*innen umzugehen, auch außerhalb der Covid-19 Pandemie. Genauso ist es für mich auch Alltag, zu Patient*innen gerufen zu werden, die wenig Besuch bekommen und die nur noch sehr wenig auf Ansprache reagieren.

Michael Rohde am Krankenbett

Mithilfe von Smartphones und Tablets ermöglichten Seelsorger während der vergangenen Monate die Kommunikation zwischen Angehörigen und ihren Liebsten im Krankenhaus

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg/Sandra Herholt

Dann kam Covid-19, und ich war noch mehr gefragt. Auch weil zunächst nur sehr wenige Besucher*innen ins Krankenhaus kommen durften: Alle hatten Angst, dass Menschen von draußen das Virus in die Klinik tragen. Das wiederum hat die Einsamkeit der Kranken vergrößert.

Also war Kreativität gefragt. Wie stelle ich für diese Menschen eine Verbindung zu ihren Angehörigen und Freunden her? Klar, Telefonieren war in vielen Fällen möglich, aber Hören allein reicht häufig nicht. Deshalb reagierten viele Personen schnell im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Kurzfristig wurden Tablets beschafft und mit finanzieller Unterstützung des Handlungsbereichs Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr auch Smartphones. Diese wurden den Patient*innen zur Verfügung gestellt. Nach vorheriger Absprache vereinbarte ich Termine mit Angehörigen, wir testeten Verbindungen und ich konnte damit die Kommunikation ermöglichen. Viel Lachen war zu hören, große Dankbarkeit, und viele erlebten eine Nähe, die überraschend war.

Am meisten bewegt hat mich das Video-Telefonat eines Patienten mit seiner Ehefrau. Sämtliche Anspracheversuche von mir am Krankenbett waren erfolglos gewesen. Er zeigte keine für mich wahrnehmbare Reaktion. Ich rief dann - wie vorher verabredet - per Video Call seine Frau an und schilderte ihr, in welchem Bewusstseinszustand sie ihren Mann gleich sehen und erleben werde, um sie auf die für sie wahrscheinlich sehr ungewohnte Situation vorzubereiten. Als ich dann das Handy so drehte, dass sie gemeinsam mit ihrer Schwester das Krankenbett sehen konnte, hörte ich ein „Oh nein!“. Der Anblick war schwer zu ertragen – trotz der Vorbereitungen im Vorfeld. Relativ schnell aber schaffte sie es, wieder Worte zu finden, und begann, während ich auf der anderen Seite das Handy hielt, zu erzählen. Und da passierte das Wunderbare: Die Gesichtszüge des Mannes veränderten sich, er öffnete seine Augen und reagierte sehr sichtbar auf das, was die beiden Frauen ihm sagten. Ich ermunterte die Ehefrau, weiter zu erzählen: von gemeinsamen Erlebnissen und Erinnerungen. Ich zeigte ihr die Reaktion ihres Mannes, und ich spürte eine enorme Erleichterung, als die Worte ihn erreichten. Nach fünf Minuten war das Video-Telefonat zu Ende. Ich sprach nur noch kurz mit der Ehefrau und bat sie, sich im Anschluss mit den Ärztinnen und Ärzten direkt in Verbindung zu setzen, um über weitere Schritte in der medizinischen Versorgung zu sprechen. Ihre Dankbarkeit strahlte mich durch das Smartphone an.

Ich bin bewegt und beglückt, wenn ich an diese und viele andere Situationen denke, in denen Kommunikation über Video-Telefonie funktioniert hat. Sicherlich ersetzt sie nicht den persönlichen Kontakt, sicherlich ersetzt sie nicht die wichtigen Berührungen, aber sie ist unter den gegebenen Bedingungen ein gutes Medium, um Menschen miteinander in Kontakt zu halten.

(Dieser Text ist zuerst in der Evangelischen Zeitung vom 11. Oktober 2020 erschienen.)

von Michael Rohde

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