Multinationale Vermessungsübung unter Einsatzbedingungen
Neben einer Waffenstillstandslinie wurden auch Infrastruktur, Minenfelder, Patrouillenwege und Beobachtungspunkte eingemessen.
Steiles Gelände, dichter Wald, Bebauung, Moore und Wetter – all diese Geofaktoren beeinflussen die Bewegung von Personal und Gerät im Gelände. Bei Smart Analyst (SMAN) trainierten Geoinformationskräfte der NATONorth Atlantic Treaty Organization ihre Kernkompetenzen der Geoinfo-Beratung und Raumanalyse in einem gemeinsamen Übungsszenario zum Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Nordostflanke.
Von strategischen Vorteilen bis zur Planung von Truppenbewegung und Logistik: Das Verständnis des Geländes ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Kampfkraft zu maximieren.
Bundeswehr/Andreas DreßlerWie wichtig das vollständige Verständnis des Geländes für die militärische Operationsplanung ist, machte USUnited States-General Norman Schwarzkopf im Jahr 1991 bei der Operation Desert Storm deutlich: „Once we understood the terrain the plan fell into place“. Auf Deutsch: „Sobald wir das Gelände verstanden hatten, fügte sich der Plan zusammen“. Auch heute und mit Blick auf die Bedingungen der modernen Kriegsführung hat sich am großen Einfluss des Geländes auf die Operationsführung nichts geändert. Dies zeigt sich auch im aktuellen Konflikt in der Ukraine, wo Geofaktoren wie das Gelände oder Bodenbeschaffenheit in Verbindung mit dynamischen Einflussfaktoren – etwa dem Wetter – das Gelingen oder Scheitern beeinflussen.
Wo früher nur topografische Papierkarten zum Einsatz kamen, setzt das moderne Geoinformationswesen von heute auf computergestützte Geoinformationssysteme (GISGeoinformationssystem). Durch sie können die verschiedenen Geofaktoren in mehreren Ebenen für die Operationsführung visualisiert sowie Bewegungskorridore und Schlüsselgelände eingezeichnet werden. Das Gelände wird so für die Planung und Durchführung von militärischen Einsätzen für eigene, aber auch für gegnerische Kräfte beurteilt.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine lag der Schwerpunkt der Übung Smart Analyst auf der Landes- und Bündnisverteidigung zum Schutz der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Nordostflanke. Die übenden Geoinformationskräfte nutzten echte Geodaten, um eine umfassende Geländebeurteilung im Raum Baltikum mit Schwerpunkt auf den Suwałki-Korridor vorzunehmen. Dazu gehörte auch die Analyse der Wetterbedingungen und des Geländes mit Informationen etwa zur Geologie.
Eingerahmt in ein reales Szenario bearbeiteten zehn Teams aus neun NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ländern verschiedene Anwendungsfälle aus dem Bereich der Raumanalyse – darunter mehrere potenzielle Abläufe, die bei militärischen Operationen einer Bündnisverteidigung auftreten. „Die SMAN ist eine Übung mit Gefechtsstandcharakter. Die Geofachkräfte machen hier genau die Arbeit, die im Falle eines Konfliktes von den Operateuren für die Planung benötigt wird“, betonte Hauptmann Tobias B. aus dem Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBwZentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr), der die Anwendungsfälle ausgearbeitet hat.
Der Übungsablauf spiegelt verschiedenen Phasen einer Operationsführung, wobei Frage- und Aufgabenstellungen für verschiedene Führungsebenen bearbeitet werden. Zuerst wird das Baltikum als potenzieller Einsatzraum mit all seinen militärisch relevanten Eigenschaften beschrieben. Hier geht es noch nicht um die einzelnen Stellungen von Panzern, sondern um naturgeografische Großräume, die bereits auf strategisch-operativer Ebene relevant sind. Im Folgenden werden konkrete Fragestellungen, abgeleitet aus dem beabsichtigten Vorgehen des Feindes, beantwortet. Aus Sicht des Verteidigers ist es von Interesse, an welchen Stellen der Ostseeküste ein Gegner seine Kräfte anlanden kann, um danach Operationen im Hinterland durchführen zu können.
Die Absicht eines Angreifers wird es sein, Raum zu gewinnen – die eines Verteidigers, diesen zu halten oder das feindliche Vorgehen unter Ausnutzung der Tiefe des Raumes zeitlich zu verzögern. Und genau hier liegt die Aufgabe der Terrain Analysis, nämlich die Vorteile und Nachteile des Geländes zu erkennen, visualisieren sowie deren Auswirkung auf das eigene und gegnerische militärische Handeln zu bewerten. Hauptmann B. hob den großen Benefit hervor, den die Teilnahme des litauischen Teams für die SMAN bedeutete: „Die Litauer konnten uns Feedback geben, ob die erarbeiteten Produkte gut sind und die Ergebnisse der Realität vor Ort entsprechen.“
Mit der Übung Smart Analyst testen die Geofachkräfte der NATONorth Atlantic Treaty Organization jährlich die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Geodaten. Sie trainieren, wie die Analyse von Räumen gemeinsam durchgeführt und gegenüber der Operationsführung bewertet wird. Das ist wichtig für kontinuierliche Verbesserung der Interoperabilität, also der Fähigkeit, nahtlos zusammenzuwirken, um Daten und Informationen effizient auszutauschen, und der Kommunikation zwischen den teilnehmenden Nationen. Gleichzeitig trägt die Übung dazu bei, potenzielle Schwachstellen in der Zusammenarbeit vor Eintreten des Ernstfalls zu identifizieren, Analysen weiter zu standardisieren und die Fähigkeiten zu fördern.
Vergleich der verschiedenen Arbeitsergebnisse: Nach welchen Ansätzen, Methoden und nationalen Vorgaben führen die Teams die Analysen durch?
Bundeswehr/Stefan Uj
Hauptmann B. hat die Anwendungsfälle erarbeitet und mit dem gesamten Team der Raumanalyse entwickelt
Bundeswehr/Ralf KellerWas machen Geoinformationskräfte im Einsatz?
Geoinfoberatung und speziell die Raumanalyse gehören zum Kerngeschäft der Geoinfokräfte im Einsatz. Die Aufgaben der Raumanalyse sind vielfältig. Sie reichen von der Erarbeitung von Beratungsunterlagen mit taktischem Bezug über die Her- und Bereitstellung standardisierter Geoinfoprodukte bis hin zu Fragestellungen, die Georisiken und -faktoren betreffen.
Um die Abläufe zur Analyse und Visualisierung der Geofaktoren zu harmonisieren, hat das Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBwZentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr) ein Handbuch zur Raumanalyse erstellt, das auch bei der Übung SMAN durch die verbündeten Streitkräfte genutzt wurde. Ziel ist es, in diesem Bereich mit den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partnern einen Standard zu erarbeiten.
Worum geht es bei der Übungsserie Smart Analyst?
Die Übungsserie Smart Analyst (SMAN) trainiert nationale und multinationale Fähigkeiten in landeskundlicher Einsatzberatung und Raumanalyse (Geospatial Support to Operations), fördert den Austausch und verbessert Verfahren im GeoInfoGeoinformationswesen-Dienst der Bundeswehr und NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Wer hat an der Übung Smart Analyst 25 teilgenommen?
2025 nahmen zehn Teams aus neun Nationen, darunter Deutschland – inklusive des Terrain Analysis-Teams der Brigade Litauen –, Polen, Litauen, Niederlande, Schweden, Italien, Frankreich sowie NATONorth Atlantic Treaty Organization- und nationale Beobachter, teil.
Wie lange gibt es die Übung Smart Analyst bereits?
Die Übungsserie existiert seit 2021 und wurde bis 2023 rein national durchgeführt. Die Smart Analyst 2025 fand zum zweiten Mal unter internationaler Beteiligung in Baumholder statt. Die Übung ist in ein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Artikel 5-Szenario eingebunden: Der Artikel 5 des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrag gilt als kollektive Verteidigungsklausel und besagt, dass ein Angriff auf einen Bündnispartner als Angriff auf alle zählt.
Warum sind Geofaktoren so wichtig für die militärische Operationsplanung?
Gelände, Boden und Wetter prägen das militärische Handeln. Fundierte Kenntnisse über den Operationsraum sind nicht nur die Basis für einen Erfolg auf dem Schlachtfeld, sondern fester Bestandteil des Führungsprozesses aller Streitkräfte. Die Raumanalyse ermittelt Vor- und Nachteile und bewertet die Auswirkungen auf eigene und gegnerische Operationen.
von Ralf Keller & Martina Pump E-Mail schreiben