Funkkreis

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12 MIN

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Delta to all radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr.  (Funk- und Fluggeräusche)

Herzlich willkommen bei unserem Podcast. Hier ist Barbara Gantenbein (G) aus der Redaktion der Bundeswehr in Berlin. Und heute geht es um den UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Einsatz im Libanon. Das ist eine UNUnited Nations-Mission, die als einzige UNUnited Nations-Mission einen Marine-Anteil hat, nämlich die Maritime Task Force, kurz MTFMaritime Task Force. Und seit Januar dieses Jahres wird die MTFMaritime Task Force von einem Deutschen geführt, dem Flottillenadmiral Axel Schulz (zweite Stimme = S). Mit ihm spreche ich jetzt per Telefon im UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Hauptquartier in Nakura im Libanon.


(G) Guten Tag, Herr Admiral!


(S) Einen wunderschönen guten Tag. Beste Grüße aus dem Libanon hier aus Nakura nach Deutschland.


(G) Herr Admiral, danke, dass Sie die Zeit haben für uns. Sie haben ja am 15. Januar das Kommando übernommen, nachdem die Mission elf Jahre lang von Brasilien geführt wurde. Wie lief denn die Übergabe und gibt es da große Unterschiede in der Führung?


(S) Also, ich muss feststellen, dass sich zunächst einmal Marinesoldaten grundsätzlich weltweit sehr gut miteinander verstehen. Da habe ich das Gefühl, dass das blaue Tuch irgendwie verbindet. Wir haben da auch immer einen gemeinsamen Wortschatz und zum Teil auch bereits gemeinsame Erlebnisse auf See gehabt. Ich habe festgestellt, dass auch weltweit die Marinen irgendwie gleich funktionieren. Insbesondere habe ich das gesehen auf meinen Besuchen bei den Einheiten in meinem Verband, der sehr international besetzt ist. Ich selbst hatte mit meinem brasilianischen Vorgänger bereits weit vor der Übernahme Kontakt aufgenommen. Und auch da: Das blaue Tuch verbindet. Wir haben uns ohne Probleme insofern wirklich gut verstanden und das gilt im Übrigen auch für die Mitglieder meines Stabes, als sie hier in Nakura im Libanon auf ihre brasilianischen Vorgänger getroffen sind.


(G) Das ist bestimmt eine extrem spannende Aufgabe. Was bedeutet es denn jetzt für Deutschland, also für uns auch hier, dass ein deutscher Kommandeur jetzt diesen UNUnited Nations-Einsatz führt?


(S) Deutschland und der Libanon unterhalten seit langem freundschaftliche Beziehungen und stehen auch in einem engen Austausch. Das erlebe ich auch immer, wenn wir hier mit den Libanesen zusammentreffen. Deutschland genießt da wirklich eine sehr, sehr hohe Wertschätzung. Darüber hinaus, Deutschland engagiert sich in den Vereinten Nationen für die Sicherung von Frieden und Stabilität. Das spiegelt sich natürlich auch in der deutschen Außenpolitik, speziell hier im Nahen Osten, wider. Ich persönliche finde es auch einen sehr starken Vertrauensbeweis, dass die Vereinten Nationen an Deutschland herangetreten sind, um erneut das Kommando über die Maritime Task Force zu übernehmen. Deutschland führte ja zuletzt in den Jahren von 2006 bis 2009 die Maritime Task Force. Eins möchte ich aber trotzdem noch ganz kurz ergänzen: Die Deutsche Marine engagiert sich ja seit Beginn der Maritime Task Force im Jahr 2006 durchgehend mit Schiffen an dieser Task Force. Und diese Tatsache, auch das stelle ich immer wieder fest, wird international sehr wohl wahrgenommen und auch entsprechend honoriert.


(G) Sie haben es schon angedeutet: Die Maritime Task Force ist was ganz Besonderes. Können Sie das unseren Zuhörerinnen und Zuhörern bitte auch noch einmal erklären, was das Besondere daran ist?


(S) Das mache ich sogar sehr gerne als entsprechender Kommandeur. Ich will aber ganz kurz auf die UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Mission an sich eingehen, denn die ist schon sehr besonders. Denn die setzt sich bereits seit 1978 für den Frieden in der Region hier ein. Und die UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Mission an sich ist eine der ältesten UNUnited Nations-Missionen. Doch seit der erneuten Eskalation der Gewalt im Jahr 2006 wurde die Mission deutlich vergrößert. Und zum ersten und einzigen Mal wurde auch ein Marineverband in den Dienst der VN gestellt. Im Moment sind es 10.500 Soldatinnen und Soldaten aus 45 Nationen, die sich hier engagieren. Ich selbst führe einen Verband von knapp 700 Soldatinnen und Soldaten aus fünf verschiedenen Nationen.


(G) Das ist wirklich eine ganz besondere und ganz besonders spannende Mission. Was genau sind denn innerhalb dieser Mission die Aufgaben der MTFMaritime Task Force?


(S) Die Maritime Task Force überwacht und sichert die Seewege vor dem Libanon, um den Schmuggel von Waffen von See her in das Land zu verhindern. Gleichzeitig leisten wir aber auch einen Beitrag zum Lagebild-Aufbau hier im Seegebiet vor dem Libanon. Ich will mal ganz kurz einen Größenvergleich geben: Unser maritimer Einsatzraum umfasst ein Gebiet in der Größe des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Zurzeit besteht der Verband aus fünf Schiffen und, wie bereits gesagt, aus circa 700 Soldatinnen und Soldaten. Die Schiffe kommen unter anderem aus Bangladesch, der Türkei, Indonesien, Griechenland und natürlich auch aus Deutschland. Aus Deutschland ist derzeit die Korvette „Magdeburg“ im Einsatz, und das ist eine Besonderheit. Diese hat gerade übrigens einen Besetzungswechsel vollzogen und die bisherige Crew kehrt nach vier Monaten am Freitag in die Heimat zurück, nachdem sie Weihnachten und Silvester hier im Einsatz verbracht haben.


(G) Die werden dann ganz schön froh sein, dass die jetzt wieder nach Hause dürfen, und dann noch mit Corona-Bedingungen. Wie ist denn das überhaupt? Können Sie denn trotz Corona mit den libanesischen Soldaten zusammen trainieren?


(S) Ja, das können wir. Aber da gibt es derzeit zwei Seiten der Medaille. Zum einen üben wir mit den Schiffen der libanesischen Marine jede Woche mehrmals zusammen, also die Schiffe der Maritime Task Force mit den libanesischen Einheiten. Dabei üben wir die Überwachung und die Kontrolle des Seeraumes und machen noch weitere Trainings. Sie können sich natürlich vorstellen, dass dabei die Maßnahmen gegen COVID-19Coronavirus Disease 2019 keine Rolle spielen, denn unsere Schiffe haben ja jederzeit quasi genügend Abstand zueinander und auch an Bord ist man eigentlich sehr gut geschützt. Zum anderen können wir aber derzeit keine Ausbildung mit mehreren Personenkontakten durchführen wie zum Beispiel an der libanesischen Marineschule noch an Bord der libanesischen Schiffe. Das ist für uns schon eine gewaltige Einschränkung. Mir wird immer wieder von meinem Ausbildungspersonal berichtet, wie wichtig dieser Kontakt ist und wie gerne die libanesische Marine unsere Ausbilder wieder bei sich hätte. Wir stehen dabei in einem engen Kontakt und möchten die Ausbildung schnellstmöglich wieder aufnehmen, wenn die Voraussetzungen dafür letzten Endes dann auch gegeben sind.


(G) Die gemeinsame Ausbildung, ich kann mir gut vorstellen, wie wichtig die ist, auch diese persönliche Interaktion. Aber warum ist denn eigentlich die Region, das östliche Mittelmeer, so wichtig?


(S) Der Nahe Osten spielt in der deutschen Außenpolitik seit langem eine wichtige Rolle. Die Beteiligung Deutschlands geht ja weit über die rein militärische Beteiligung an der UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon-Mission hinaus. Also, mit deutscher Hilfe wurden die Küsten-Radarstationen des Libanons mit aufgebaut. Und derzeit werden diese auch entsprechend modernisiert. Es gibt Projekte, zum Beispiel auch in der Entwicklungszusammenarbeit und im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung. Aber vor allem darf man nicht vergessen, daran möchte ich immer wieder gerne erinnern, dass der Libanon unter den Auswirkungen des Syrien-Konfliktes zu leiden hat. Von den sechs Millionen Einwohnern hier im Libanon sind circa 1,5 Millionen Flüchtlinge auch aus der syrischen Region. Gemessen an seiner Einwohnerzahl ist das Land damit weltweit pro Kopf eines der Länder, die eine sehr, sehr hohe Zahl an Flüchtlingen aufgenommen haben.


(G) Und es kommt ja noch dazu, dass man eine Krisenmeldung nach der nächsten hört: die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, Probleme bei der Lebensmittelversorgung, Zusammenstöße bei Demonstrationen. Wie erleben Sie denn derzeit die Situation im Libanon?


(S) Auch wenn wir hier von der Bewegungsfreiheit ein bisschen eingeschränkt sind, habe ich doch entsprechend Kontakt zu meinen libanesischen Amtskollegen. Aufgrund der dramatischen COVID-Lage hier im Libanon herrscht hier derzeit ein sehr strenger Lockdown inklusive Ausgangssperre. Und deshalb, auch um uns selbst zu schützen, ist derzeit grundsätzlich kein Ausgang an Land möglich. Gleichwohl habe ich immer wieder ab und an unter entsprechenden Sicherheits- und Hygieneschutz-Maßnahmen Kontakt zu meinen Amtskollegen. Daher kennen wir im Grunde genommen die Situation praktisch nur aus den täglichen Berichten und können uns nur so ein Bild derzeit davon machen.


(G) Ja, klar, das ist absolut nachvollziehbar. Aber kommen Sie denn trotzdem mal ab und zu nach Beirut? Konnten Sie sehen, wie die Folgen der schrecklichen Explosion vom vergangenen Jahr, vom August, sich da auswirken? Da sind ja damals Hunderte von Menschen gestorben und große Teile der Stadt sind zerstört worden. Haben Sie sehen können, wie das jetzt im Moment so aussieht?


(S) Ja, ich war im Rahmen meiner Amtsübernahme auch kurz in Beirut und habe da quasi meinen Amtskollegen getroffen. Und da haben wir auch das Hauptquartier der libanesischen Marine besucht, das im Beiruter Hafen ist. Und selbst Beirut, gerade die Gegend um den Hafen herum, da ist die Zerstörungskraft dieser Explosion wirklich unvorstellbar, und das ganze Ausmaß kann man am Boden stehend wirklich nur erahnen. Als wir den Durchgang, Rundgang im Beiruter Hafen gemacht haben, haben wir aber auch festgestellt, dass die Aufräumarbeiten noch lange nicht abgeschlossen sind. Aber, auch im Kontakt mit meinem Amtskollegen, habe ich festgestellt, dass die Libanesen ein wirklich starkes Volk sind und auch sicher diese Herausforderung und diese Krise meistern werden.


(G) Dann wünschen wir alles Gute in den Libanon und vielen Dank, Herr Admiral, für dieses Interview und für Ihre Zeit.


(S) Ja, sehr gerne, liebe Frau Gantenbein: Insofern noch einmal herzliche Grüße nach Deutschland hier aus dem Süd-Libanon, aus Nakura. Alles Gute!


(G) Ganz herzlichen Dank, Herr Admiral! Neben den ganzen politischen Aspekten gibt es im Kontingent natürlich noch das ganz alltägliche Arbeiten. Darüber spreche ich jetzt mit einem der Personenschützer des Admirals, und zwar mit Oberfeldwebel Fred* (F). Hallo nach Nakura!


(F) Hallo. Ich grüße Sie!


(G) Wie geht es Ihnen denn gerade in Nakura?


(F) Ja, mir geht es sehr gut. Es regnet jetzt gerade ein bisschen. Davor war das Wetter sehr schön. Wir haben hier eine gelebte Kameradschaft, das Zusammenleben gestaltet sich harmonisch. Das Camp ist direkt am Meer, uns trennt quasi nur ein Zaun zum Meer, aber ansonsten sehr mildes Klima jetzt im Vergleich zu Deutschland. Das ist schon in Ordnung.


(G) Klingt gut. Wie sind Sie denn untergebracht?


(F) Ja, also ich bin mit meinem Kameraden zusammen auf einer Stube untergebracht, circa 3,60 Meter mal 3,60 Meter sind es sogar ganz genau. Ja, und wir sind da so in einer Baracke, sage ich jetzt mal. Also nicht in so einem Container, wie man das vielleicht aus anderen Einsätzen her kennt.


(G) Verstehe. Und können Sie Sport machen? Sie sind ja Personenschützer und für Sie ist ja Fitness quasi das A und O. Können Sie denn Sport machen bei Ihnen im Camp?


(F) Natürlich geht das aufgrund der Corona-Lage nicht so. Das Gym, was es hier im Lager gibt, ist gesperrt, aber das ist für uns kein Problem. Ich selbst habe ein sogenanntes TRX-Band mitgenommen. Das hänge ich quasi an so Träger ein, kann dann mit dem eigenen Körpergewicht trainieren. Außerdem haben wir ein paar Hanteln aus Deutschland mitgebracht und ansonsten machen wir Sport mit dem eigenen Körpergewicht, Freelatics und Laufen gehen sowieso. Also das funktioniert ganz gut.


(G) Prima!


(F) Man muss da ein bisschen improvisieren.


(G) Ja, klar. Aber immerhin geht ein bisschen was. Dürfen Sie denn auch mal raus?


(F) Ja, also wenn wir Aufträge mit dem Admiral haben, dann fahren wir raus. Es ist jetzt aber nicht möglich, irgendwelche Besichtigungen oder so etwas durchzuführen oder das Lager zu verlassen, eben aufgrund der Corona-Situation im Libanon. Das ist deutlich verschärfter nochmal als in Deutschland, was die Fallzahlen anbelangt, ja, und dementsprechend ist das nicht möglich.


(G) Verstehe. Erzählen Sie mir doch bitte mal, was genau Ihre Aufgabe als Personenschützer ist.


(F) Ja, das Personenschutzkommando gewährleistet den Personenschutz dem Admiral Komm/MTFMaritime Task Force. Ich bin als Kommandant vom Führungsfahrzeug, als Pointerführer, eingesetzt. Ich bin in der Vorbereitungsphase zuständig für die Streckenplanung, ich entscheide, wo wir entlangfahren, in Rücksprache mit meinem Kommandoführer und im taktischen Führen, dem Schnellkommandoführer. Während des Auftrages navigiere ich den Konvoi. Sorge quasi dafür, dass wir das Ziel erreichen über die Strecke, die ich vorher ausgeplant habe. Ja, und wenn wir dann alle wohlbehalten vom Auftrag wieder drin sind, unterstütze ich meinen Kraftfahrer bei der Nachbereitung vom Fahrzeug, gucke, was man noch als Feinschliff, wo hätten wir besser noch einen anderen Weg genommen und solche Dinge. Das ist mein Business hier.


(G) Ist es schwierig im Moment im Libanon zu fahren? Ist die Verkehrssituation chaotisch? Oder geht es, sind wenige Leute unterwegs wegen COVID?


(F) Also, man sollte meinen, dass hier wenig Leute unterwegs sind. Weil es hier auch einen Lockdown gibt, aber der Verkehr ist doch, gerade wenn man jetzt in Beirut unterwegs ist, hoch. Ja, es ist hier nicht wie in Deutschland, die Verkehrsregeln sind hier ein bisschen anders. Die Leute fahren hier ein bisschen chaotischer. Aber, gar kein Problem.


(G) Wie sieht Ihr Alltag aus, wenn Sie gerade nicht den Admiral irgendwohin begleiten?


(F) Ja, natürlich machen wir Sport, viel Sport, Aus- und Weiterbildung. Ich bin bei uns im Team der Ersthelfer Bravo, quasi für die Sanitätsversorgung im Team zuständig. Wir führen hier mit der Ärztin, machen wir San-Ausbildung, die beübt uns. Dann aber natürlich Waffentraining, Waffenausbildung, Taktik-Ausbildung, und dann sind wir natürlich auch eine ganze Weile mit der Instandhaltung unserer Fahrzeuge, unserer Waffen und anderem Material beschäftigt. Also, Arbeit ist immer da.


(G) Kann ich mir gut vorstellen. Wie lange bleiben Sie denn noch im Einsatz und wenn Sie dann nach Hause dürfen, worauf freuen Sie sich am meisten?


(F) Ich bin jetzt nur noch ein paar Wochen hier. Mein Einsatz neigt sich dem Ende zu. Ich freue mich natürlich auf meine Freundin, meine Freunde, Familie, meinen Mitbewohner und natürlich auf mein Motorrad und mein Rennrad. Ich hoffe, wenn ich wiederkomme, ist das Wetter so, dass ich da ein bisschen fahren kann mit beiden, und dass man dann mal wieder in Deutschland sein darf. Darauf freue ich mich.


(G) Also mal wieder ein bisschen Freiheit haben, Bewegungsfreiheit, meine ich.


(F) Ja, genau. Und im eigenen Bett schlafen.


(G) Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ja, ganz herzlichen Dank und kommen Sie gut wieder nach Hause.


(F) Gar kein Problem.


(G) Danke. Das war unser Blick in den Einsatz, heute in den Libanon. Den nächsten Podcast gibt es wie gewohnt am kommenden Donnerstag auf allen bekannten Kanälen. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche und melde mich ab aus dem Funkkreis. Tschüss!

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

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