Transkription Funkkreis #87: Wächter des Luftraumes

Transkription Funkkreis #87: Wächter des Luftraumes

Datum:
Lesedauer:
16 MIN

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Sprecher: Hauptmann Steffen* (S), Redakteurin Amina Vieth (AV)

Delta to all. Radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis – Podcast der Bundeswehr

AV: Die Wächter des Luftraumes, so könnte man den Job von Hauptmann Steffen beschreiben. Er erklärt uns heute im Funkkreis, worum es da genau geht und wann die Eurofighter hochgeschickt werden. Mein Name ist Amina Vieth aus der Redaktion der Bundeswehr. Und ich begrüße heute im Funkkreis Hauptmann Steffen. Hallo.

S: Hallo.

AV: Steffen ist natürlich der Vorname, aber aufgrund des Datenschutzes dürfen wir hier den Nachnamen nicht erwähnen. Deshalb bleibt es heute bei seinem Vornamen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.

S: Absolut. Das ist okay.

AV: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und extra nach Berlin zu uns in die Redaktion gekommen sind, damit wir hier heute aufzeichnen können. Können Sie uns erklären, was Luftraumüberwachung überhaupt bedeutet?

S: Grundlegend handelt es sich darum, dass wir die Augen und Ohren der Bundeswehr in Deutschland sind. Das heißt, dass wir jede Flugbewegung, die über Deutschland stattfindet, überwachen. Dabei ist es unabhängig, von welchem Fluggerät wir sprechen. Vom ADAC-Hubschrauber bis hin zu Transportflügen von A nach B wird jede Flugbewegung beobachtet und auf die Korrektheit der Durchführung des Fluges überprüft.

AV: Das heißt also, dass es sich nicht nur um militärische Flugbewegungen handelt?

S: Ja, es handelt sich nicht nur um militärische Flugzeuge, sondern auch um zivile Passagiermaschinen, die in Berlin starten und zum Beispiel in Mallorca landen. Diese werden während des Fluges durch uns überwacht. Denn der Flugplan, der aufgegeben wird, muss auch abgeflogen werden. Sollte also eine Maschine nicht der festgelegten Route folgen und sich außerhalb der festgelegten Parameter wie Höhe und anderen bewegen, findet eine Analyse der Situation statt. Diese können dann Unwetter, Probleme in der Kabine oder sonstige Probleme zu Tage führen.

AV: Probleme in der Kabine? Reden wir hier über medizinische Notfälle oder worum handelt es sich hierbei?

S: Medizinische Notfälle wie ein Herzinfarkt, bei dem es um Minuten geht und der dafür sorgt, dass das Flugzeug nicht seiner festgelegten Route folgen kann, weil es in Nürnberg zwischenlanden muss. Hierzu muss der Luftraum freigeschaffen und Rettungskräfte angeleitet werden. Auch der Zoll muss vor Ort sein, um eine erzwungene Landung durch Betrug ausschließen zu können. Speziell nach dem 11. September 2001 ist man besonders vorsichtig bei allen Dingen, die sich innerhalb einer Kabine abspielen. Als Beispiel dienen hier Partyurlauber, welche auf dem Rückflug in der Kabine randalieren. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten schweren Eingriff in den Luftverkehr. Der Pilot sendet dann bestimmte Zeichen ab aufgrund derer wir aktiv werden.

AV: Bevor wir gleich auf die Zeichen eingehen, die der Pilot absendet, gilt es noch zu sagen, dass es sich bei euch nicht um Fluglotsen handelt. Euer Auftrag bezieht sich vielmehr darauf, ob sich bestimmte Flugzeuge innerhalb des deutschen Luftraumes überhaupt aufhalten dürfen.

S: Das ist korrekt, wir sind die Augen und die Ohren. Augen, aufgrund der 18 Radargeräte, die innerhalb der gesamten Bundesrepublik Deutschland fest installiert sind. Ein Radargerät kann dabei bis zu 500 Kilometer in die Ferne und bis zu 30 Kilometer hochschauen. Dadurch ist es möglich, schon sehr früh Anflüge auf Deutschland festzustellen.

AV: Wer fliegt denn so hoch?

S: Wir selbst, aber auch die Bündnispartner der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Mit ihrer Drohne in Sigonella (Italien) werden Höhen von 66.000 Fuß (20 Kilometer) während eines Streckenfluges erreicht. Und auch der zivile Luftfahrtbereich entwickelt sich eher dahingehend, dass größere Höhen erreicht werden. Früher flogen private Flugunternehmen in Höhen von 30.000 Fuß (neun Kilometer), heute eher 38.000 bis 42.000 Fuß (elf bis zwölf Kilometer), da dort oben weniger Flugverkehr herrscht und es für die Airline somit entspannter ist zu fliegen.

AV: Ich glaube, es war mir noch nie bewusst, wie hoch das wirklich ist. Wenn man 30 Kilometer auf der Autobahn fährt, dann sind das gut und gerne 30 Minuten Fahrt.

S: Bei den zuvor angesprochenen 30 Kilometern handelt es sich um die maximale Sichtweite des Radars. In dieser Höhe fliegen nur noch Spionagedrohnen. Hier findet momentan kein konventioneller Flugverkehr mehr statt, da das auch die Triebwerke noch nicht schaffen würden.

AV: Noch nicht. Ansonsten sagten Sie ja gerade, dass es vornehmlich um die Überwachung des Luftraumes geht. Jeder Flugverkehr muss angemeldet sein. Man darf also annehmen, dass Sie hierzu mit verschiedenen Schnittstellen und Behörden der zivilen Luftfahrt in Kontakt stehen, um herauszufinden, welche Art von Luftverkehr vorliegt. Müssen diese angefunkt werden? Wie läuft das ab?

S: Grundlegend ist es so, dass wir zu jedem Flugplatz in der Bundesrepublik Deutschland eine Schnittstelle haben und alle Flugpläne bei uns zusammenlaufen. Für NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner gilt hier eine Sonderreglung. Diese benötigen zusätzlich zum Flugplan eine Sondergenehmigung für gefährliche Frachten, aber auch VIPsVery Important Person, die über deutschen Luftraum verbracht werden.

AV: Was versteht man unter gefährlicher Fracht?

S: Im einfachsten Fall kann es sich um ein Batteriepaket handeln, welches im Auslandseinsatz in Afrika benötigt wird. Würde das Flugzeug dann mit einem großen Batteriepaket abstürzen, könnte die zu Problemen führen. Es kann sich aber auch um Munition handeln. Die Truppen in den Einsatzgebieten müssen unter anderem mit Munition und Treibstoffen versorgt werden. Auch das ist ein Beispiel für gefährliche Frachten.

AV: Wie muss man sich das vorstellen? Das unterliegt ja auch hohen Sicherheitsvorgaben. Ich stelle mir das vor wie in Hollywood. Alle sitzen in einem abgeschirmten Raum – ohne Handys, ohne Funksignale. Wie ist der Ablauf?

S: Tatsächlich geht es in die Richtung. Unser Arbeitsort ist ein Bunker. Innerhalb dieses Bunkerstollens sind Handys und Smartwatches aufgrund der Abstrahlungsgefahr und möglicher Schnittstellen nicht gestattet und werden daher vorher abgelegt und in einem Spind verschlossen. Danach die mehrstöckige Anlage, in welcher uns circa 2.300 Quadratmeter Arbeitsfläche zur Verfügung stehen.

AV: Wenn Sie Bunker sagen, reden wir dann von unterirdisch?

S: Ja, auch das war richtig. Wir gehen ebenerdig hinein und fahren dann eine Etage hinunter. Ab diesem Moment befinden wir uns unter künstlichem Licht. Tag oder Nacht sowie Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind gleich. Speziell im Sommer ist das bei standardisierten 21 Grad sehr angenehm. Ausgestattet sind wir hier mit 43-Zoll-Monitoren. Zur Vorbereitung für unser Gespräch habe ich die Anzahl der Monitore einmal gezählt. Insgesamt wurden 233 Monitore verbaut. Auf diesen Monitoren wird dann die gesamte Luftlage bearbeitet. Mit der Maus kann man dann jeden Flieger einzeln anwählen und zu diesem weitere Informationen erhalten. Im einfachsten Fall wäre das die Flugzeugbezeichnung, die Flugbahn, der Flugzeugtyp und die maximale Reisehöhe. Solange alles gut ist, greifen wir nicht aktiv in den Flugverkehr ein und haben nur eine überwachende Funktion. Dies ändert sich natürlich bei Abweichungen.

AV: Wann ist den nicht mehr alles gut?

S: Ein harmloser Fall wäre eine Flugabweichung aufgrund von Unwetter. Im schlimmsten Fall könnte das der Eindringversuch in ein Cockpit, die Entführung eines Flugzeuges oder auch ein technisches Problem wie Triebwerksbrand und Komplettausfall der Navigationsanlage sein. Letzteres ist vor kurzem passiert. Ein Flugzeug startete in Stettin mit Reiseziel Stuttgart. Kurz nach Überschreiten der Grenze Polen und Deutschland fielen die gesamten Cockpitarmaturen aus. Das Flugzeug ist dabei flugfähig geblieben, konnte jedoch nicht mehr navigiert werden. Hier kamen dann wir ins Spiel und haben das Flugzeug sicher zum Zielort navigiert. Eine Möglichkeit hierzu sind die Abfangjäger, die in Deutschland stationiert sind. Diese können genutzt werden, um zivilen Maschinen zu helfen, sicher an ihren Zielort zu gelangen.

AV: Ich glaube, wir müssen Abfangjäger einmal kurz für unsere Hörer und Hörerinnen erklären, da nicht jeder etwas damit anfangen kann.

S: Die Bundesrepublik Deutschland benötigt gerade im Bereich der Luftraumüberwachung die Möglichkeit einzugreifen, wenn es zu Problemen kommt. Dazu hat man sich entschieden, an verschiedenen strategisch sinnvollen Standorten Eurofighter in eine Alarmbereitschaft zu versetzen. Das heißt, dass diese dazu in der Lage sind, rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche in 15 Minuten in der Luft zu sein. Diese Flugzeuge werden dazu genutzt, uns selbst zu schützen, wenn nicht freundlich gesinnte Nation in deutschen Luftraum eindringen wollen, unter anderem aber auch bei den zuvor genannten Hilfeleistungen. Für die sogenannte Alarmrotte gilt es dann, innerhalb von 15 Minuten in der Luft zu sein. Wir sind dann diejenigen, die den Eurofighter-Piloten an das Zielflugzeug heranführen. Im Fall des Cockpitausfalls kommunizieren wir mit dem Eurofighter-Piloten, welcher dann mittels Sichtzeichen mit dem anderen Piloten kommuniziert.

AV: Können Sie diese Sichtzeichen für uns einmal erklären? Ich stelle mir vor, dass der Pilot hierbei Zeichensprache anwendet. Dieser kann doch aber nicht das Steuer loslassen, oder?

S: Es handelt sich um eine Kombination mehrerer Möglichkeiten, die der Pilot hat. Diese sind auch international festgelegt und sind auch in der zivilen Fliegerei üblich. Man kann hier mit deutlichen Zeichen, also Fingerzeichen, arbeiten. Es reicht aber nicht aus, kurz mit dem Finger zu winken, da das Fingerzeichen für den anderen deutlich sichtbar sein muss. Aber auch das Flugzeug selbst kann Zeichen geben. Will man also dem anderen Piloten zeigen „Hier wird jetzt gelandet“, dann kann der Eurofighter kurz das Fahrwerk im Flug ausfahren und anschließend wieder einfahren. Damit wird dem Piloten der Passagiermaschine signalisiert, dass die Landebereitschaft hergestellt werden soll. Man kann auch mit den Flügeln wackeln. Umgangssprachlich ausgedrückt würde was „folge mir“ bedeuten. Wichtig hierbei ist, dass der Pilot, mit dem kommuniziert wird, das Signal kopiert, um dem Eurofighter-Piloten zu signalisieren, dass dieser ihn verstanden hat. In der Fachsprache wird dieses kopierende Verhalten read back genannt. So kann eine Kommunikation ohne Kommunikationsmittel stattfinden.

AV: Sehr gut. Jetzt haben wir einige Fälle zur zivilen Hilfeleistung gehört. Was passiert, wenn man keinen Kontakt aufbauen kann oder es sich um ein Flugzeug handelt, das sich besser nicht über deutschem Luftraum aufhalten sollte?

S: Unverändert wird dann versucht, den Kontakt herzustellen. Dazu gibt es die sogenannten Notfrequenzen. Die sind von allen am Luftverkehr teilnehmenden Stellen abzuhören. Auf diesen Frequenzen würden wir permanent versuchen, denjenigen zu erreichen. Parallel dazu haben wir unsere Eurofighter. Die steigen dann auf. Es steigen immer zwei Eurofighter zusammen auf. Während einer der beiden in einer sicheren Position hinter dem Flugzeug verbleibt, nähert sich der andere langsam dem Cockpit an und versucht, die eben angesprochenen Sichtzeichen aufzubauen. Die Piloten wissen, dass sich in einer Boeing 737 zwei Piloten im Cockpit befinden. Sind nun drei oder gar vier Personen sichtbar, so weiß der Pilot, dass etwas nicht stimmt. Spätestens dann werden bestimmte Verfahren angewendet. Im Idealfall können wir sicherstellen, dass dieses Flugzeug den deutschen Luftraum erst gar nicht befliegt. Es kann sich zum Beispiel dabei um ein fremdes Militärflugzeug handeln, welches keine Genehmigung für diesen Vorgang hat. Aber auch um ein Flugzeug, das einem Land angehört, welches auf einer UNUnited Nations-Embargo-Liste steht.  Diese besagen, dass sich das Flugzeug nicht über europäischem Luftraum aufhalten darf. Hier würden wir dann entsprechend hocheskalieren lassen.

AV: Wie sieht das aus?

S: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Einmal kann man durch Sichtzeichen und Funk darauf aufmerksam machen, dass er nicht nach Deutschland einfliegen darf. Dann gibt es noch die Möglichkeit des Abdrängens. Das klingt aber drastischer als es ist. Die beiden Eurofighter nähern sich hierbei Stück für Stück dem anderen Flugzeug. Da dieser eine Kollision vermeiden möchte, wird er hoffentlich abdrehen. Wenn diese Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, gibt es weitere Möglichkeiten. Der Eurofighter kann mittels seiner Bordkanone einen Warnschuss abgeben. Darunter befindet sich auch Leuchtspurmunition. Dadurch kann auch nachts sichergestellt werden, dass der Feuerstoß zu sehen gewesen ist. Spätestens jetzt sollte dem anderen klar werden, dass man mit uns nicht spielt.

AV: Wie häufig kommt es vor, dass Eurofighter hochgeschickt werden müssen?

S: Aufgrund der Erfahrung des 11. September passiert das häufiger. Auch die russischen Aktivitäten an der Ostsee führen dazu, dass es häufiger vorkommt. Teilweise besteht bis zu drei- bis viermal pro Tag die Notwendigkeit, unsere Alarmrotten zu alarmieren oder in einen höheren Status zu versetzen. Diese sind an verschiedenen Standorten in ganz Deutschland stationiert. Wenn sich Spionageflugzeuge oder Aufklärungsflugzeuge unseren Grenzen nähern, dann wollen wir wissen, was los ist. Da kann es dann schon mal passieren, dass wir zwei- bis dreimal pro Woche die Eurofighter alarmieren. Man sagt dazu auch scrambeln. Die Eurofighter werden dann an das Gebiet herangebracht und der Eindringling darauf aufmerksam gemacht, dass wir es ernst meinen. Unsere Grenzen sind sicher.

AV: Ich hätte nicht erwartet, dass es doch so häufig vorkommt. Sie sagten gerade, dass das aufgrund der Erfahrungswerte von 9/11 häufiger vorkommt. Wie lange sind Sie schon dabei und wie sind Sie zu diesem Job gekommen?

S: Tatsächlich bin ich schon sehr lange in diesem Job tätig. Ich bin 1997 durch den Grundwehrdienst zur Bundeswehr gekommen. Ursprünglich hatte ich kein Interesse daran, der Bundeswehr treu zu bleiben. Aus dem Grundwehrdienst heraus habe ich dann meine Tätigkeit kennen und auch lieben gelernt. Über die verschiedenen Schritte, die man innerhalb der Laufbahnen geht, bin ich dann in der Offizierlaufbahn gelandet. In meinem Fall in der des Offiziers des militärfachlichen Dienstes. Für mich persönlich die richtige Laufbahn. Durch die Tätigkeit als militärfachlicher Offizier kann ich lange in diesem Tätigkeitsfeld verbleiben.

AV: Könnten Sie unseren Hörern kurz erklären, worin der Unterschied zwischen einem Offizier des militärfachlichen Dienstes und einem normalen Offizier besteht?

S: Normale Offiziere sind Offiziere des Truppendienstes. Fachdienstoffiziere sind konzipiert worden, um möglichst lange in ihrer Tätigkeit zu verbleiben. Durch die längeren Standzeiten können sie tiefer in die Materie eindringen. Fachlich werden diese breit ausgebildet und können sich auch weiterbilden lassen. Truppenoffiziere können das zwar auch, aber hier ist die Karriereplanung eine andere. Sei es nun der Kompaniechef, Staffelchef, Kommandeursverwendungen oder Lehrverwendungen. Truppendienstoffziere erhalten im Rahmen ihres Aufbaus eine andere Ausbildung. Beim Fachdienstoffizier ist es so, dass dieser möglichst lange eine spezielle Ausbildung erhält. Diese ist sehr teuer. Deshalb verbleibt man lange an einem Dienstposten.

AV: Das heißt, dass Sie kein Studium absolvieren müssen?

S: Richtig. Für Fachdienstoffziere ist es nicht zwingend notwendig, ein Studium zu absolvieren. Allerdings ist die Lizenzausbildung zwingend erforderlich. Man kann erst befördert oder zum Berufssoldaten ernannt werden, wenn man die Lizenz erfolgreich erworben hat. Das ist die maßgebliche Voraussetzung.

AV: Darf ich davon ausgehen, dass Sie mittlerweile Berufssoldat sind?

S: Ja, das ist richtig.

AV: Sie beschreiben eine sehr umfangreiche und teure Ausbildung. Wie kann ich mir den klassischen Werdegang für einen Fachdienstoffizier in der Luftraumüberwachung vorstellen?

S: Über die Karrierecenter der Bundeswehr kann man sich bewerben. Einige Grundvoraussetzungen sollte man in diesem Fachbereich aber mitbringen. Augen und Ohren müssen bei dem Bewerber einwandfrei funktionieren. Das bedeutet, dass eine Rotgrünblindheit ein Ausschlusskriterium darstellt. Gut hören zu können, ist ganz wichtig für den Flugfunk. Die Worte liegen oft sehr nah beieinander und ein Rauschen ist zu hören. Das wird in Fürstenfeldbruck im Flugmedizinischen Institut der Bundeswehr getestet. Danach geht es zur Offizierschule der Luftwaffe, die sich ebenfalls in Fürstenfeldbruck befindet. Anschließend folgt die Lizenzausbildung. Diese wird in einem Verband zentral in Nordrhein-Westfalen absolviert. Über die Theorie, bei der unter anderem Wetterkunde und Radarkunde unterrichtet werden, geht es dann irgendwann in den Simulator. Dort beginnt man dann zum ersten Mal, Flugfunk durchzuspielen. Man lernt das erste Mal, zwei Flugzeuge in einem Luftraum zu halten und den einen mit dem anderen abzufangen. Dies wird dann immer weiter intensiviert. Am Ende erhält man dann eine Schülerlizenz. Nach Erhalt der Schülerlizenz beginnt das richtig spannende Leben. Es geht das erste Mal an echte Flugzeuge heran. Live-Flugfunk. Flugzeuge starten extra für die Schüler und fliegen eine Übung ab. Die Schüler können dieses Verfahren dann trainieren. Das baut sich so lange auf, bis man final bei den Abfangjägern landet. Irgendwann ist man in der Lage, die Eurofighter zu kontrollieren. Das gipfelt in einer Lizenzprüfung. Diese befähigt dazu, auch im wahren Leben erlernte Vorgänge durchzuführen.

AV: Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, dass Sie live im Einsatz waren und das erste Mal die Eurofighter hochgeschickt haben?

S: Ja, absolut. Das war gerade die Zeit, in der man noch seine eigene Stimme im Kopfhörer gehört hat. Das kannte ich aus dem Simulator nicht. In diesem war ein anderes Kommunikationssystem verbaut. In meinem Fall habe ich das erste Mal PC-9-Maschinen kontrolliert. Das sind Turbomaschinen, die unter anderem kunstflugtauglich sind. Diese Maschinen sind sehr agil. Als ich den Piloten das erste Mal ansprach und seine Antwort bekam, war das so ein Wow-Erlebnis.  Ich habe mich gefragt, was wohl als Nächstes passiert.

AV: Wie viele Jahre ist das nun her?

S: Das ist mittlerweile über zwölf Jahre her. Zu dieser Zeit flog noch das Flugzeug Phantom der deutschen Luftwaffe. Nachdem ich die Lizenzprüfung absolviert hatte, ging es aber stetig weiter.  Denn es endet ja nicht mit der Prüfung. Als Fachdienstoffizier bildet man sich immer in anderen Bereichen weiter. Darunter Luftraumüberwachung und Sensormanagement.

AV: Ihre ersten Schritte sind nun zwölf Jahre her. Gibt es auch heute noch Situationen, in denen Sie nervös werden?

S: Sehr, sehr selten. Aber es gibt sie. Wenn zum Beispiel Situationen entstehen, die eher unkonventionell sind. Ich erinnere mich hier speziell an eine Situation im Rahmen einer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Übung. Hier sollten amerikanische B-52-Bomber quer durch Europa begleitet werden. Wir als deutsche Luftwaffe haben eine der beiden Maschinen mit vier Eurofightern begleitet. Dazu hatten wir mit der zivilen Flugsicherung vereinbart, dass wir einen eigenen Korridor bekommen. Wenn man dann im Flugfunk erlebt, wie sich vier Eurofighter mit einem B-52-Bomber, wohlgemerkt, einem Flugzeug mit acht Triebwerken, arrangieren, um es quer durch den Luftraum zu führen, während dieses bestimmte Manöver abfliegen muss, dann ist das eine Situation, die man nicht kennt. Alle haben gebannt auf den Flugmonitor gestarrt und in den Flugfunk gehört.

AV: Aber es hat alles geklappt?

S: Ja, absolut. Wenn dort etwas schief gegangen wäre, dann hätten die sozialen Medien das schnell mitbekommen. Die Sache wäre publik geworden. Von diesem Vorgang wurden auch Fotos geschossen, welche im Online-Bereich der Luftwaffe zur Verfügung stehen. Im Anschluss an den Überflug des deutschen Luftraumes wurde die amerikanische B-52 an den belgischen Luftraum übergeben. Danach sind die Eurofighter wieder zurück nach Wittmundhafen geflogen. Für alle kehrte im Anschluss Entspannung ein.

AV: Social Media ist ein gutes Stichwort. Auf unseren Kanälen finden sich immer wieder mal Informationen, die die Luftwaffe und alle anderen technischen Bereiche abbilden.

AV: Sie sagten, dass Sie sich mit der zivilen Flugsicherung hierzu abgesprochen haben. Ist Luftraumüberwachung eine rein militärische Aufgabe oder gibt es das auch im Zivilen?

S: Die zivile Flugsicherung führt den Luftverkehr tatsächlich durch. Der Lufthansapilot ruft bei der zivilen Flugsicherung rein, wird dann gelotst und bekommt seine Freigaben von A nach B und C. Solange der Flugverkehr nach diesen Regeln abläuft, ist es gar nicht notwendig für uns, als Luftraumüberwachung einzugreifen. Wir kommen erst dann ins Spiel, wenn es Abweichungen gibt.

AV: Haben Sie abschließend noch einen Rat für jemanden, der sich bewerben möchte?

S: Ja. Wir bieten die Möglichkeit, jenseits der Fliegerei, aber mit der Fliegerei ein spannendes Tätigkeitsfeld abzubilden, welches einzigartig ist.

AV: Was sollte ich noch mitbringen außer keiner Rotgrünblindheit und einem guten Gehör?

S: Teamfähigkeit und die Bereitschaft, die englische Sprache zu verinnerlichen. Also nicht bloß zu hören, sondern auch zu sprechen. Dies ist speziell für die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn wichtig. Zusätzlich die Bereitschaft, im Schichtdienst zu arbeiten.

AV: Schichtdienst. In diesem Bereich ein sehr großes Thema. Sie sagten es vorhin. An 24 Stunden und sieben Tagen in der Woche müssen nicht nur die Eruofighter da sein, sondern auch Sie.

AV: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

S: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.

*Aus Gründen des Datenschutzes verwenden wir nur den Vornamen des Soldaten.

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.