Cyber- und Informationsraum

Digitalisierung in der Bundeswehr – Brigadegeneral Fleischmann über den Megatrend

Digitalisierung in der Bundeswehr – Brigadegeneral Fleischmann über den Megatrend

Datum:
Ort:
Bonn
Lesedauer:
6 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Begriffe wie Künstliche Intelligenz, Machine-Learning oder Quantencomputing beherrschen immer mehr Diskussionen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Auch für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben spielt der Megatrend Digitalisierung eine große Rolle. Im Interview spricht Brigadegeneral Armin Fleischmann über Digitalisierung und erklärt, welche Fortschritte innerhalb der Bundeswehr bisher erzielt wurden.

Frontalaufnahme des Brigadegenerals Armin Fleischmann. Er lächelt.

Brigadegeneral Armin Fleischmann spricht über bisherige Erfolge der Digitalisierung in der Bundeswehr.

Bundeswehr/Martina Pump

Herr General, Digitalisierung ist der Megatrend der heutigen Zeit. Warum eigentlich?

Megatrends kennzeichnen sich durch langfristige Auswirkungen und ein breites Spektrum von Lebensbereichen, das sie beeinflussen. Nehmen wir nur die Industrielle Revolution als Beispiel aus der Historie. Sie hatte tiefgreifende Veränderungen für viele Bereiche des Lebens zur Folge und war Triebfeder der modernen Zivilisation, wie wir sie kennen.
Einen ähnlichen Effekt kann und wird die Digitalisierung für unser heutiges Leben haben. Denn sie steht für einen enormen technologischen Wandel, der fast alle Lebensbereiche betrifft, neue Märkte erschafft und bekannte Spielregeln verändert. Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Der konkrete Einsatz reicht dabei von der technischen Unterstützung bestehender (analoger) Abläufe über die digitale Neugestaltung bisheriger Prozesse bis hin zu komplett neuen Nutzungsfeldern. Die Bedeutung von Digitalisierung hat sich gerade im letzten Jahr in der Bewältigung der CORONA-Krise nochmals deutlich gezeigt und die Auswirkungen auf den privaten und den Arbeitsalltag für jedermann spürbar gemacht. Das haben wir beispielsweise im veränderten Schulbetrieb gesehen, wo im Home-Schooling vielfach auf digitale Lernplattformen zurückgriffen werden musste oder bei der digitalen Ausstattung von Arbeitnehmern im Home-Office.

Inwiefern ist die Bundeswehr als Organisation davon betroffen?

Die Bedeutung von Digitalisierung gilt nicht nur für den Alltag der Zivilgesellschaft und persönliche Bereiche. Auch Behörden und andere staatliche Einrichtungen spüren die Auswirkungen, beispielsweise im Bereich der elektronischen Verwaltungsarbeit. Die Bundeswehr als Organisation ist ebenfalls von diesen Veränderungen betroffen. Für zukünftige Kriegs- und Operationsführung und den damit verbundenen Waffensystemen wird Digitalisierung eine maßgebliche Entwicklungsgröße sein. Gerade in puncto Entscheidungsfindung sowie bei der präziseren und aktuelleren Übermittlung von Informationen werden die Streitkräfte Nutznießer technischer Neuerungen sein.

Doch neben den Chancen birgt die digitale Entwicklung auch Herausforderungen für die Bundeswehr. Die kurzen Innovationszyklen der Informationstechnik, die Auswirkungen der Globalisierung und der internationalen Interoperabilität beschleunigen die Veränderung der klassischen Konfliktszenarien und -muster hin zu einem modernen Gefechtsfeld mit hochintensiver Dynamik und immer schnelleren Abläufen. Hinzu kommen die dauerhaft bestehenden Bedrohungen  im Cyber- und Informationsraum. Diese erfordern eine durchgängige Digitalisierung der Streitkräfte. Für uns als Bundeswehr bedeutet dies einen vollumfänglichen Transformationsprozess anzustoßen, einhergehend mit einer radikalen Innovationskultur, die bewährte militärische Verfahren mit digitalen Möglichkeiten sinnvoll für die Zukunft kombiniert. Dies betrifft unsere Organisation, alle Prozesse und Verfahren, unser Personal und dessen Ausbildung, die interaktive Zusammenarbeit, alle Waffen- und Führungssysteme bis hin zur Gesundheitsversorgung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Frieden, Krise und Krieg.

Man sieht einen Teil eines schwarzen Servers.

Nicht nur im Alltag sondern auch bei Behörden nimmt die Digitalisierung einen immer höher werdenden Stellenwert ein.

Bundeswehr/Jonas Weber



Quantencomputing, Künstliche Intelligenz und Big Data sind Begriffe, die immer wieder mit Digitalisierung verbunden werden. Welche Rolle spielen sie in der Bundeswehr?

Diese drei Themenfelder haben das Potenzial, die Gesellschaft und die Kultur massiv zu verändern. Quantencomputer werden zum Beispiel in naher Zukunft Berechnungen in noch nie da gewesener Geschwindigkeit durchführen können. Insbesondere dort, wo die Anzahl der Lösungsmöglichkeiten ins Unermessliche wächst, werden Quantencomputer ein neues Zeitalter einläuten. Hierbei können optimale Entscheidungen für „Courses of Action“ oder sichere Algorithmen berechnet, aber auch Verschlüsselungen gebrochen werden. Letzteres stellt für uns allerdings eine Gefahr dar, denn in der Bundeswehr verwenden wir sehr viele Schlüsselgeräte, die es zu schützen gilt. Doch wir können auch unseren Vorteil daraus ziehen, indem wir mit Algorithmen unsere Systeme analysieren, optimieren und schützen.

Künstliche Intelligenz (KIkünstliche Intelligenz), egal in welcher Form, ermöglicht präzise, schnellere Lagebeurteilungen und Analysen und kann so Informationsdominanz schaffen. Simulationen und neue Anwendungstechnologien können in der militärischer Ausbildung genutzt werden. Außerdem kann KIkünstliche Intelligenz bei der Auswertung von Unterstützungs- und Aufklärungssystemen, zum Beispiel in der Bilderkennung, helfen. Wissens- und damit auch Wirkungsüberlegenheit zu erzielen, ist Ziel militärischer Operationsführung. Mithilfe von Big Data können wir alle Arten von Informationsquellen zusammenführen, um dieses Ziel zu erreichen. Denn die damit verbundene enorme Analyse‐ und Evaluierungsfähigkeit erlaubt es uns, Informationen in einer besseren Qualität und höheren Aktualität als je zuvor anzufordern, zu gewinnen, zu bewerten, zu verdichten, zu fusionieren und bereitzustellen, um sie schlussendlich für die eigene Operationsführung zu nutzen.

Die Bundeswehr wird sich aktiv mit diesen neuen Technologietrends auseinandersetzen, denn egal ob wir diese Technologien einsetzen oder nicht, auf dem Gefechtsfeld der Zukunft werden wir damit von anderen Staaten konfrontiert. Haben wir uns darauf nicht vorbereitet, kann dies den eigenen Kräften sehr schnell zum Nachteil gereichen.

Der Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum versteht sich als Treiber der Digitalisierung der Bundeswehr. In welchen Feldern arbeiten die Angehörigen des CIRCyber- und Informationsraum, um die Digitalisierung der Bundeswehr voran zu bringen?

Der Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum baut für die Bundeswehr eine querschnittliche Grundbefähigung für die Digitalisierung auf. Diese reicht von Forschung und Evaluation in den drei genannten Themen, bis hin zu konkreten Projekten für die Bundeswehr. Diese Projekte befassen sich mit den Bereichen Lagezentren, Gefechtsstände, Kommunikation, Systeme für die elektronische Verwaltungsarbeit, verlegefähige Rechenzentren, Führungsinformationssysteme, Informationssicherheit, Aufklärungs- und Wirksysteme im Cyber- und Informationsraum.

Doch der Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum kann die Herausforderungen der Digitalisierung nicht alleine stemmen. Wir arbeiten deshalb eng mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr), der BWI (insbesondere dem Cyber Innovation Hub), dem Forschungsinstitut CODE an der Universität der Bundeswehr München sowie der Cyber Agentur zusammen.

Wo wurden schon erste Erfolge erzielt?

Ein Patient liegt in seinem Bett und hantiert an seinem Tablet.

In Zusammenarbeit Kommando Sanitätsdienst, dem CIHCyber Innovation Hub und dem Kommando CIRCyber- und Informationsraum ist die PflegeApp entwickelt worden.

Bundeswehr/Thilo Pulpanek

Die Aufstellung einer Abteilung Cyber und ITInformationstechnik (CITCyber- und Informationstechnik) im Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) und der Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum haben in den letzten Jahren bereits als Katalysator in der Bundeswehr gewirkt. In vielen Bereichen sind neue, digitale Initiativen entstanden. Während der CORONA-Krise beispielsweise, wurde in nur wenigen Wochen eine medizinische Lagebeurteilung für die Streitkräfte bereitgestellt. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens der Bundeswehr schreitet nun endlich voran. Darüber hinaus, werden die Arbeitsplätze der Bundeswehr mit Kollaborationssoftware ausgestattet und somit flexibler. Mit dem Lagezentrum CIRCyber- und Informationsraum haben wir die Befähigung, mittels neuer Techniken schnellere und bessere Analysen zu erstellen. Neben diesen Beispielen gibt es viele weitere Projekte, die die Frauen und Männer im Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum täglich angehen oder bereits erfolgreich umsetzen.

Welche Herausforderung sehen Sie bei der weiteren Digitalisierung der Bundeswehr?

Für den militärischen Einsatz sehe ich als besondere Herausforderung die Abhängigkeiten und Implikationen, zum Beispiel bei KIkünstliche Intelligenz, die vorsichtig kalibriert werden müssen. Streitkräfte stehen insbesondere vor dem Dilemma, inwieweit und mit welcher Geschwindigkeit traditionelle, historisch gewachsene Organisationsformen und Doktrinen durch neue, technologiezentrierte Konzepte ersetzt werden sollten und auch können. Dafür brauchen wir aber auch flexiblere Verfahren für bedarfs- und zeitgerechte ITInformationstechnik-Beschaffung. Das wollen wir zusammen mit der Abteilung CITCyber- und Informationstechnik im BMVgBundesministerium der Verteidigung über sogenannte Kompetenzzentren und Clusterprogramme erreichen.

Im Wesentlichen hängt der Erfolg der Digitalisierung aber auch von der Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der damit verbundenen „Unternehmenskultur“ ab.

Existiert ein Zeitplan, der vorsieht, in welchen Schritten die Bundeswehr ins digitale Zeitalter gebracht werden kann und welche Instrumente dafür genutzt werden?

Im Leitungsboard Digitalisierung auf der Ebene der Bundesministerin versuchen wir alle Aktivitäten in diesem Bereich zu steuern und zu koordinieren. Viele Projektumsetzungen werden dabei auch in die Zeitscheiben 2023, 2027 und 2031 eingeteilt, in Anlehnung an den Realisierungs- und Umsetzungsplan des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr.

Dennoch ist Digitalisierung ein unglaublich schnelllebiger Bereich und so versuchen wir über alle Instrumente hinweg möglichst zeitnah neue Technologien in die Bundeswehr einzuführen.

von  Kommando CIR  E-Mail schreiben

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Unser Auftrag

Digitalisieren

Digitalisierung im Cyber- und Informationsraum.

Weiterlesen

Meldungen aus dem Organisationsbereich CIRCyber- und Informationsraum