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Interview

Diagnose PTBSPosttraumatische Belastungsstörung: Wie Emma mein Leben veränderte

Diagnose PTBSPosttraumatische Belastungsstörung: Wie Emma mein Leben veränderte

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Erst Jahre später wurde Hauptfeldwebel Andy S. klar, dass er seine Erlebnisse aus vier längeren Auslandseinsätzen nicht verarbeitet hatte. Deshalb wandte sich der Berufssoldat schließlich an das Psychotraumazentrum am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Vor Kurzem nahm er hier an einer Studie zur pferdegestützten Therapie teil. 

Ein Mann geht mit einem Pferd in einer Stallung

Ein eingespieltes Team: Hauptfeldwebel Andy S. und sein Therapiepferd Emma

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Im Psychotraumazentrum (PTZPsychotraumazentrum) läuft seit 2020 eine Studie zur Wirksamkeit von pferdegestützter Therapie für traumatisierte Soldatinnen und Soldaten. Der 49-jährige Berufssoldat ist einer der Studienprobanden und erzählt uns von seinen Erfahrungen mit „seinem“ Therapiepferd Emma.

Wie haben Sie von dieser Therapiemöglichkeit erfahren?

Eine Mitarbeiterin vom Psychotraumazentrum informierte uns Patienten in einer Gesprächsrunde über die laufende Studie zur Pferdetherapie für PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Erkrankte. Diese Therapieform auszuprobieren, fand ich sehr interessant und musste nicht lange überlegen. Gleich nach dem Gespräch habe ich mich für die Studie beworben und es hat geklappt.

War es Ihr erster Kontakt mit Pferden?

Nein, als meine Tochter klein war, habe ich sie zu ihren Reittrainings gefahren und dabei zugeschaut. Das war mein erster Kontakt mit Pferden, aber das ist schon lange her geritten bin ich noch nie, auch während der Therapie nicht. Die Teilnehmenden müssen auch nicht reiten können, um daran teilzunehmen. Außerdem ist immer eine erfahrene Reittherapeutin an deiner Seite. Ich war in der glücklichen Lage mit Emma, einem zirka zehnjährigen Kaltblut, therapiert zu werden. Sie ist ein so wunderbares Tier.

Was empfanden Sie beim ersten Kontakt?

Da Emma schon immer Therapiepferd war, war sie sehr zugänglich und hat soweit alles mit sich machen lassen. Ich habe schon gemerkt, wenn sie unruhig wurde. Nur anfangs habe ich das nicht so wahrgenommen, weil die Verbindung noch nicht da war. Später merkte ich es sofort: Sie hörte auf meine Stimme, wenn ich in ihre Nähe kam. Ich rief dann „Na, Emmchen“ und sie hat reagiert. Natürlich waren nach unseren Rundgängen im Freien Leckerlis ein Ritual – Äpfel oder Möhren hatte ich immer einstecken. Nicht nur für Emma, sondern auch für zwei weitere Therapiepferde hatte ich was dabei. Du gibst ja auch nicht nur einem Kind ein Eis, wenn du mit dreien unterwegs bist. Die Vertrauensbasis war da und das machte so richtig Spaß.

Hatten Sie Berührungsängste?

Ja, muss ich ehrlich sagen. Ich hatte gesunden Respekt, weil das Pferd so groß war: ein riesiger Kopf und große Augen, die mich angeguckt haben. Beim Striegeln traute ich mich lange nicht hinter das Pferd. Erst einige Zeit später und mit Hilfe meiner Therapeutin konnte ich so halb hinter dem Pferd stehen, weil das Vertrauen da war. Zu Beginn war immer die Angst, es könnte mich treten. Bei mir unbekannten Pferden empfinde ich es immer noch so, weil es doch mächtige Tiere sind.

Wie lange dauerte Ihre Therapie?

Ich war für sechs Wochen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine Stunde bei meinem Therapiepferd Emma.

Konnten Sie sich gut auf die Therapie einlassen?

Im Laufe der Therapie veränderte sich meine Beziehung zum Pferd sehr, weil auch ich zugänglicher wurde. Menschen gegenüber sagen wir ja gerne mal, dass es einem gut geht, auch wenn es gar nicht so ist. Dem Tier kannst du aber nichts vorspielen, es reflektiert dein Verhalten. Es merkt sofort, ob es dir gut oder schlecht geht. Das passiert ganz automatisch. Andere Probanden reiten auch, aber das will ich gar nicht. Ich habe Emma lediglich gestriegelt, gestreichelt, bin viel mit ihr rumgelaufen und das hat das vertraute Miteinander wahrscheinlich auch ausgemacht. Emma wusste, was ich will und ich wusste, was Emma will - und das war wunderbar.

Spüren Sie nach Ihrer sechswöchigen Therapie einen positiven Effekt?

Ja, auf jeden Fall. Ich spüre einen sehr positiven Effekt. Was mich dabei auch überraschte: Ich nahm nach einiger Zeit sogar bewusst den Geruch von Emma wahr. Das hätte ich nie gedacht. Ich rieche mein Emmchen. Du lernst durch das Pferd so viel über dich selbst. Das Tier ist der Spiegel deiner Seele und deiner Empfindungen, die du vorher teils selbst nicht kanntest. Diese Therapie war das Beste und Hilfreichste in meiner ganzen bisherigen Behandlungsphase.

Würden Sie die pferdegestützte Therapie ebenfalls betroffenen Kameradinnen und Kameraden weiterempfehlen?

Wenn ich im Bekanntenkreis erzähle, dass ich an einer Studie zur Wirksamkeit pferdegestützter Therapie teilnahm, dann belächeln manche das erst einmal. Reiten wäre doch nur was für Kinder oder Frauen, so der weit verbreitete Gedanke. Erkläre ich den Ablauf, kommt oft der Aha-Moment und sie finden das gut. Kameradinnen und Kameraden empfehle ich diese gewinnbringende Erfahrung definitiv. Ich habe viel über mich selbst gelernt.

Würden Sie die Therapie gerne wiederholen?

Sehr, sehr gerne und sofort. Denn auch die Menschen im Inklusiven Pferdesport- und Reittherapiezentrum in Berlin-Karlshorst leisten professionell und einfühlsam eine so tolle Arbeit bei den Soldatinnen und Soldaten. Nach den sechs Wochen fiel allen der Abschied sehr schwer. Wenn ich die Möglichkeit bekäme, würde ich diese Therapie sofort fortführen – am liebsten wieder mit meinem Emmchen. Aber leider ist es derzeit noch keine Therapiemethode, sondern eine Studie. Ich hoffe, dass die Bundeswehr uns Einsatzerkrankten und allen anderen Traumatisierten diese hilfreiche Therapiemethode zukünftig ermöglicht.

von Bianca Jordan

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