Sanitätsdienst

Hochwasser im Ahrtal: Hygiene nach der Katastrophe

Hochwasser im Ahrtal: Hygiene nach der Katastrophe

Datum:
Ort:
Ahrtal
Lesedauer:
3 MIN

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Das Hochwasser im Ahrtal Mitte Juli gilt als eines der schlimmsten Hochwasserereignisse, die es jemals in Deutschland gab. Im Gegensatz zu sonstigen Hochwasserlagen kam das Wasser schnell, sodass eine Evakuierung oder sonstige Schutzmaßnahmen nicht greifen konnten. Die Beschaffenheit des Ahrtals trug zu einer weiteren Zuspitzung der Situation bei.

Ein Trupp aus zwei Soldaten im Katastrophengebiet. Einer trägt einen Rucksack mit rotem Kreuz darauf.

Die ersten Einheiten der Bundeswehr halfen zu allererst vor allem bei der Suche nach Vermissten und der Versorgung von Betroffenen.

Bundeswehr/Patrick Grüterich

Die ersten Einheiten der Bundeswehr halfen zu allererst vor allem bei der Suche nach Vermissten, der Versorgung von Betroffenen und beim Bergen von Leichen und Kadavern. Am Sonntag, den 18. Juli 2021 wurde das BundeswehrZentralkrankenhaus (BwZKrhsBundeswehrzentralkrankenhaus) Koblenz von einem der Truppenführer vor Ort um Hilfe bei der infektionshygienisch-toxikologischen Lagebeurteilung sowie bei der Durchführung nötiger Schulungen gebeten.

Unverzügliche Hilfe zugesagt

Trotz der immer noch präsenten Corona-Pandemie und der damit verbundenen Belastungen für die Krankenhaushygiene hat sich die Kommandeurin und Ärztliche Direktorin, Generalarzt Dr. Almut Nolte, unverzüglich bereit erklärt, die eingesetzten Truppenteile vor Ort mit der nötigen Expertise zu unterstützen. Ein Hygieneteam bestehend aus zwei Bundeswehr-Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin sowie zwei Fachkrankenpflegekräften für Hygiene und Infektionsprävention, verlegte daraufhin nach Ahrweiler, ausgestattet mit Schulungsmaterial und ausreichend persönlicher Schutzausrüstung für die eingesetzten Kräfte.

Eine Katastrophe nach der Katastrophe

Vom oben fotografierter, zerstörter Ort.

Die Ahr hatte in ihrem Verlauf einen Großteil hygienisch wichtiger Infrastruktur zerstört.

Bundeswehr/Manuel Döhla

Nach einer kurzen Lageeinweisung vor Ort teilte sich das Team für zwei parallele Aufträge auf. Während die Fachpflegekräfte die einzelnen Bergungstrupps in die notwendige persönliche Schutzausrüstung einwiesen und im hygienisch korrekten Umgang mit derselben schulten, machten sich die beiden Fachärzte per Hubschrauber ein Lagebild vom Einsatzgebiet zwischen Adenau und Sinzig. Was sich hier zeigte, war eine Katastrophe nach der Katastrophe.

Wichtige Infrastruktur zerstört

Ein Friedhof, der vom Hochwasser überschwemmt wurde.

Überschwemmte Friedhöfe stellen ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko dar.

Bundeswehr/Manuel Döhla

Die Ahr war zwar nicht mehr hochwasserführend, hatte aber in ihrem Verlauf einen Großteil hygienisch wichtiger Infrastruktur zerstört. So wurden Kläranlagen und Abwasserleitungen überspült und stark beschädigt, Friedhöfe ausgespült und mehrere Tiere von den Wassermassen mitgerissen. Die Gefährdung für eingesetzte Kräfte wie für die Bevölkerung vor Ort wurde insofern als hoch eingeschätzt. Daraufhin wurden die persönlichen Schutzmaßnahmen und Hygieneempfehlungen erweitert.

Massenanfall von Infektionspatienten befürchtet

Direkt am nächsten Tag trat auf Initiative der Krankenhaushygiene die Krankenhauseinsatzleitung des BwZKrhsBundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz zusammen, um die Situation aus den vor Ort gesammelten Erkenntnissen selbst einschätzen zu können. Ein Massenanfall von Infektionspatienten (MANI) konnte nicht ausgeschlossen werden, da viele zivile Kräfte ohne jeglichen Schutz vor Ort im Einsatz waren, und die Kräfte teilweise auf engem Raum essen und schlafen. Bereits einzelne Personen mit Durchfall können in so einer Situation zu einer schnellen Verbreitung von Keimen führen. Innerhalb von Stunden könnten weit über 100 Personen Symptome entwickeln.

Sofort reaktionsfähig

Schlamm und Trümmer in einer Ortschaft

Die Zerstörung, welche das Wasser angerichtet hat, ist schier unbegreiflich.

Bundeswehr/Manuel Döhla

Entsprechend wurde durch die Krankenhauseinsatzleitung innerhalb kurzer Zeit ein Konzept erarbeitet, um das BwZKrhsBundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz auf diesen Fall vorzubereiten. Es wurden alle infrastrukturellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um bis zu 40 Patienten mit Durchfall oder anderen Symptomen stationär zu versorgen. Ein weiterer Aufwuchs auf bis zu 80 Patienten wurde ebenfalls vorbereitet. Für diese Konzeption bedienten sich die Beteiligten vor allem an den Konzepten, die in der Corona-Pandemie angewandt worden sind und die damit praxiserprobt waren. Auch wenn bisher der befürchtete MANI ausgeblieben ist, und sich die Infrastruktur vor Ort langsam erholt, so muss doch mit einer wochen- oder monatelangen Einschränkung der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Müllentsorgung in dem betroffenen Gebiet gerechnet werden.

Lagebeurteilung vor Ort unerlässlich

Durch die frühe und kompetente Beurteilung der Lage vor Ort konnte sich das BwZKrhsBundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz gut für diesen Fall vorbereiten und besitzt damit für diesen Fall eine „Kaltstart“-Fähigkeit. Parallel konnte durch Schulung und Materialversorgung das Risiko der im Katastrophengebiet eingesetzten Kräfte deutlich reduziert werden. Aus krankenhaushygienischer Sicht lässt sich hierbei festhalten, dass man, wann immer möglich, selbst am Ort des Geschehens sein sollte, um Gefahren, Verhaltensweisen und Kommunikationswege selbst zu beurteilen und daraus geeignete Maßnahmen abzuleiten.

von Dr. Manuel Döhla,  Sebastian Albrecht

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