Sanitätsdienst
Heimat oder Einsatzgebiet

Gesundheit im Fokus der Sanität

Gesundheit im Fokus der Sanität

Ort:
Berlin

Gesundheit schützen, erhalten und wiederherstellen – das A & O der Sanität. Was für die Heimat gilt, das soll auch im Einsatz ermöglicht werden. Die Versorgung im Ausland entspricht im Ergebnis der heimatlichen. Das ist der Ansatz. Auftrag, Gefährdungslage und Einsatzraum sind entscheidend. Außerdem werden die medizinischen Kapazitäten etwaiger Partnerländer und des Einsatzlandes einbezogen.

Soldaten ziehen einen verletzten Soldaten aus einem Fahrzeug vom Typ GTK Boxer

Nach der Selbst- und Kameradenhilfe werden die Verwundeten zu einem sogenannten Casuality Collection Point (CCPCasualty Collection Point) gefahren. Das CCPCasualty Collection Point stellt ein Bindeglied zwischen der Front und der Role 1 dar.

Bundeswehr/Patrick Grüterich

Rettungskette: Eine Abfolge von Rettungs- und Versorgungsleistungen

Die sanitätsdienstliche Unterstützung verläuft entlang der Rettungskette. Diese Rettungskette ist eine Abfolge von aufsteigenden Rettungs- und Versorgungsleistungen in den entsprechenden Einrichtungen. Es beginnt mit der Selbst- und Kameradenhilfe nach einer Verwundung und geht weiter über die Rettungsstation und das Rettungszentrum bis hin zum Einsatzlazarett. In Deutschland stehen darüber hinaus die Bundeswehrkrankenhäuser und zivile Einrichtungen zur weiteren Behandlung zur Verfügung. Jeder Abschnitt der Rettungskette – Ebene genannt – steht für definierte medizinische Möglichkeiten und die dafür erforderlichen Einrichtungen und das Fachpersonal. Für den Aufbau der Ebenen 1 bis 3, also für die Rettungsstation, für das Rettungszentrum und für das Einsatzlazarett, werden derzeit Container und Zelte in Modulbauweise verwendet. Dabei steht ein weites Spektrum solcher Sanitätsmodule zur Verfügung.

Bei der Rettung tickt die Uhr

Für die Rettungskette existieren neben den Einrichtungen mit ihren medizinischen Möglichkeiten verbindliche Vorgaben mit Blick auf die verfügbare Zeit für die Behandlung von verwundeten Soldatinnen und Soldaten. Das sind Vorgaben gemäß NATO-Standard:

  1. Erweiterte Erste Hilfe: Blutungsstillung und Atmungskontrolle innerhalb der ersten zehn Minuten nach Verwundung.
  2. Damage Control Resuscitation (DCR): Beginn mit ersten notfall- und intensivmedizinischen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Stabilisierung innerhalb einer Stunde nach Verwundung.
  3. Damage Control Surgery (DCS): Beginn mit lebensrettenden chirurgischen Eingriffen zur Schadensbegrenzung und Stabilisierung innerhalb der ersten zwei Stunden nach Verwundung.

Diese zeitlichen Vorgaben beruhen auf zahlreichen Einsatz-Erkenntnissen, Erfahrungen in der Trauma-Versorgung und nicht zuletzt auf der Biologie des menschlichen Körpers. Die Einhaltung ist entscheidend für das Überleben verwundeter Soldatinnen und Soldaten und für die Begrenzung gesundheitlicher Spätfolgen. Gleichzeitig dienen die Zeitlinien als Grundlage für die taktische und operative Einsatzplanung. Denn die Bedingungen in den Einsatzgebieten einschließlich der meist angespannten Sicherheitslage sind regelmäßig sehr unterschiedlich. Dadurch kann die Rettungskette im Einsatz kein exaktes Spiegelbild der rettungsdienstlichen Ablauforganisation in Deutschland darstellen. So wird der Rettungsweg eines Verwundeten durch die aufsteigenden Ebenen je nach Einsatzgebiet und Rahmenbedingungen unterschiedliche Wege nehmen – beispielsweise in Abhängigkeit von verfügbaren Transportmitteln. Entscheidend ist letztlich der Erfolg der Versorgung.

Einrichtungen hängen ab von Einsatzdauer und Reaktionszeit

Je nach Einsatzdauer und Reaktionszeit im Vorfeld kommen neben den mobilen Sanitätselementen weitere Sanitätseinrichtungen zum Einsatz. Für dynamisch ablaufende Operationen gibt es luftverlegbare, zeltgestützte Einrichtungen (LSE), die aber aufgrund der begrenzten Durchhaltefähigkeit nur kurzzeitig eingesetzt werden. Gegebenenfalls kommt ein Ersatz durch Containermodule (MSEModulare Sanitätseinrichtung) oder ortsfeste Infrastruktur in Betracht. Containerbasierte Behandlungseinrichtungen sind für einen Einsatz von bis zu zwölf Monaten konzipiert. Ab einer Einsatzdauer von mehr als einem Jahr sind grundsätzlich feste Infrastrukturen vorgesehen.

Soldaten versorgen verwundete Personen in einem Sanitätszelt

Notfallmedizin im Vordergrund: Verwundetenversorgung in einer Rettungsstation. Hier als Demonstration und Teil der VJTFVery High Readiness Joint Task Force -Übung Wettiner Schwert in Gardelegen.

Bundeswehr/Anne Weinrich

Ebene 1: Rettungsstation sichert Vitalfunktionen 

Schwerpunkt der Behandlungsebene 1 ist die allgemein- und notfallmedizinische Versorgung. Die qualifizierte Aufrechterhaltung und Sicherung der Vitalfunktionen mit Hilfe notärztlicher Verfahren wird gewährleistet. Im Falle eines Weitertransports dient die Rettungsstation der Stabilisierung des Patienten. Aufgrund der hohen Anforderung an Mobilität sind Einrichtungen gefragt, die einen möglichst kleinen logistischen Fußabdruck hinterlassen. Entsprechend sind Rettungsstation und Luftlanderettungsstation konzipiert. Die Rettungsstation besteht aus einem Container, einer Container-Versorgungspalette, einem aufblasbaren Zelt sowie der dafür erforderlichen Transportkomponente. Die Rettungsstation gibt es als geschützte und ungeschützte Variante. Die Station ist innerhalb einer Stunde einsatzbereit. Sie kann selbstständig oder innerhalb des Gesamtsystems einer modularen Sanitätseinrichtung verwendet werden. Sämtliche zur Aufgabenerfüllung auf dieser Ebene notwendigen medizinischen Geräte werden in der Rettungsstation mitgeführt und benötigen keinen weiteren Transportraum. Diese Konfiguration ist auch als eine rein zeltgestützte luftbewegliche Variante (LLRSLuftlanderettungsstation) verfügbar.

Ebene 2: Chirurgische Akutversorgung im Rettungszentrum

Soldaten in OP-Kleidung operieren eine verletzte Person

Erweiterte Verwundetenversorgung im Rettungszentrum: Chirurgische Eingriffe sind möglich. Hier als Teil der VJTFVery High Readiness Joint Task Force -Übung Wettiner Schwert in Gardelegen.

Bundeswehr/Anne Weinrich

Zur Behandlungsebene 2 gehören das Rettungszentrum und das Luftlanderettungszentrum. Sowohl die containergestützte als auch die zeltgestützte Konfiguration sind in verschiedenen ausgeprägten Varianten möglich. Insbesondere das Rettungszentrum leicht (RZ le) wurde bei zahlreichen Auslands-, Katastrophen- oder anderen Hilfseinsätzen eingesetzt. Im Zentrum erfolgt durch circa 48 Soldatinnen und Soldaten die chirurgische Akutversorgung, intensivmedizinische Überwachung sowie die Überwachung und Pflege der Patientinnen und Patienten nach Operationen. Der medizinische Standard ist dabei vergleichbar mit einer Deutschen Klinik. Bereits eine Stunde nach Eintreffen am Einsatzort können erste Patienten aufgenommen werden; innerhalb von sechs Stunden ist die volle Einsatzbereitschaft hergestellt. Das RZ le kann flexibel zu einem größeren Rettungszentrum erweitert werden. Das Namenskürzel „leicht“ könnte täuschen: zum Aufbau und Transport dieser Variante werden mehrere Lastkraftwagen sowie ein Kran mit mindestens 20 Tonnen Nutzlast benötigt. Die zeltgestützte Konfiguration des Luftlanderettungszentrums leicht (LLRZLuftlanderettungszentrum le) bringt 80 Tonnen auf die Waage.

Angesichts heutiger Einsatzszenarien werden zunehmend hochmobile Sanitätseinrichtungen mit der Möglichkeit lebensrettender chirurgischer Eingriffe benötigt. Ein Beispiel dafür ist das Luftlanderettungszentrum für Spezialeinsätze mit integralem Basismodul, das als kleinere und leichtere Komponente in den Einsatz gebracht wird. Mit maximal 1,5 Tonnen Gesamtgewicht ist es leicht, mobil und gleichzeitig leistungsfähig. Künftig sollen mittels neuer Einrichtungen Mobilität und Schutz kombiniert werden (Role 2 ghm), um einem hochdynamischen Gefecht zu folgen und dabei den gleichen Schutz bieten zu können, den auch die zu unterstützende Truppe genießt.

Ebene 3: Einsatzlazarett mit erweiterter Versorgung

Das Einsatzlazarett ist quasi die Königsklasse der modularen Sanitätseinrichtungen und wird durch die Erweiterung eines Rettungszentrums erreicht. Fachärztliche, pflegerische und Operations-Kapazitäten ergänzen das Leistungsspektrum. Ein Einsatzlazarett ist aufgrund seiner personellen und materiellen Ausstattung zur multidisziplinären Diagnostik und Therapie befähigt. Es ist in zwei Konfigurationen möglich:  Pflegekapazität mit 72 oder mit 180 Betten.

Drei Ärzte der Bundeswehr besprechen sich vor Röntgenaufnahmen

Ortsfeste und umfängliche Patientenversorgung im Krankenhaus: Hier ein Ärzte-Team der Abteilung für Nuklearmedizin im BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz.

Bundeswehr/Markus Dittrich

Ebene 4: Behandlung in den Krankenhäusern der Heimat

Ergänzt wird die Rettungskette im Einsatzgebiet durch die Behandlungsebene 4. In erster Linie stehen die Bundeswehrkrankenhäuser in Deutschland zur Verfügung. Es werden im Rahmen eines zivil-militärischen Netzwerkes auch zivile Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen genutzt. Nach Rückführung des Patienten aus einem Einsatzgebiet erfolgen in diesen Einrichtungen alle notwendigen weiteren medizinischen Behandlungen und Therapien.

von Uwe Henning