Interview: Trennungsphase Einsatz gemeinsam meistern

Interview: Trennungsphase Einsatz gemeinsam meistern

Datum:
Lesedauer:
3 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

In der Bundeswehr führen viele Paare Fernbeziehungen – entweder dauerhaft oder zumindest für die Zeit eines Einsatzes. Das heißt auch, ein Stück weit immer wieder neu anzufangen. Worauf es dabei ankommt, erklärt Paar- und Familientherapeut Peter Wendl.

Was bedeutet ein Auslandseinsatz für eine Partnerschaft?

Ganz allgemein ist das eine Zeit, in der Paare getrennt voneinander leben müssen. Es gibt vier zentrale Säulen, die eine Partnerschaft wesentlich ausmachen: Liebe, Geborgenheit und Vertrauen, erfüllende Sexualität und Kommunikation. Wenn ein Partner in den Einsatz geht, müssen Liebe und Vertrauen als Basis vorausgesetzt werden.

Kommunikation ist in dieser Zeit das alles entscheidende. Es ist wichtig, dass ein Paar trotz der Entfernung Alltagssorgen austauschen und sich Nähe mitteilen kann. Und Sexualität findet mit dem Partner für eine längere Zeit nicht statt, darüber müssen sich beide klar sein.

Familienangehörige schauen auf Korvette

Die Sehnsucht ist meist groß: Muss ein Partner in den Einsatz, steht die Familie zuhause vor einer großen emotionalen Herausforderung.

Bundeswehr/Matthias Letzin

Und wenn Kinder zur Familie gehören?

Paare können die Belastung einer Fernbeziehung rational bis zu einem gewissen Maß ausgleichen. Die leiden auch und haben Sehnsucht, aber für Kinder ist die Herausforderung vor allem eine emotionale. Wenn ein Elternteil weg ist, leidet das Kind, die Eltern müssen je nach Alter Schadensbegrenzung leisten.

Es ist ganz wichtig, die Bindung aufrecht zu erhalten. Schulen und Kitas sollten auch mit einbezogen werden und wissen, dass ein wichtiger Stabilisationsfaktor in der Familie für eine Zeit entfernt ist und die Familie in einer speziellen Situation ist.

Hat eine Fernbeziehung für Paare auch Vorteile?

Ja, sie lernen sich wieder neu schätzen und können sich in der Zeit nach dem Einsatz wieder neu finden. Das kann auch eine große Chance sein. Paare sollten sich jedoch eines bewusst machen: Eine Fernbeziehung zu führen bedeutet, dass man nicht an dem Punkt weitermachen kann, an dem man auseinander gegangen ist. Die neuen Erfahrungen müssen miteinander integriert werden.

Wie lange dauert die Belastung für die Familie an?

Der Einsatz beginnt nicht mit der Abreise und endet nicht mit der Rückkehr. Anspannung und Vorbelastungen beginnen schon sehr viel früher. Es gibt eine Faustregel: Die Zeit, die ein Paar oder auch eine Familie braucht, bis sie wieder eingespielt ist und die Erfahrungen der Trennungszeit verarbeitet hat, dauert ungefähr genauso lange, wie die Trennung selbst.

Das hängt davon ab, wie belastend die Trennungszeit war – sowohl im Einsatz als auch daheim. Das Leben geht weiter, die Dinge entwickeln sich weiter. Der Partner kommt in aller Regel nicht dorthin zurück, wo er vor vier oder sechs Monaten gegangen ist.

Mutter und Kind schauen auf Smartphone

Kommunikation ist alles: Regelmäßige Gespräche, etwa via Skype, können der Familie dabei helfen, die Abwesenheit während eines Einsatzes als nicht ganz so schmerzhaft zu verspüren.

Bundeswehr/Michael Sommer

Was sollten Paare vermeiden?

Manche Paare versuchen, die Zeit vor der Abreise und nach der Rückkehr möglichst konfliktfrei zu gestalten. Ich nenne das den „Weihnachtseffekt“. Das ist manchmal eine Überforderung, weil in der Zeit ja besonders viel Angst und auch viele Fragen vorherrschen.

Ein wenig ist es Vorurteil, aber ich erlebe tatsächlich, dass Männer häufiger rational damit umgehen und sich eher zurückziehen, während ein Großteil der Frauen hoch emotional ist und diese Zeit gemeinsam als Team, und eben nicht jeder für sich „nebeneinander“ bewältigen möchte.

Wichtig ist noch zu wissen: Vorräte kann man in den vier Säulen, die eine Beziehung tragen, nicht anlegen. Aber man muss auch keine Defizite aufholen. Es ist schlicht gewissermaßen ein Neuanfang miteinander. Je besser das Paar und die Familie während der Einsatzzeit in Kontakt war und auch Gefühle ausgetauscht hat, desto einfacher wird es meist auch, sich wieder neu einzuspielen.

Worauf kommt es bei der Rückkehr an?

Bei der Rückkehr müssen die Familien demjenigen, der nach Hause kommt, neu Platz geben. Der Soldat dagegen muss sich durchaus ein bisschen zurücknehmen, um zu sehen, was hat sich verändert. Wenn Sie so wollen: Die Daheimgebliebenen müssen neuen Raum schaffen für den Heimkehrer. Der Heimkehrer muss der Familie Zeit lassen, ihn auch wieder neu aufzunehmen.

Und wichtig ist noch: Das Kind kommt nicht unbedingt auf einen zugerannt und ruft „Papa Mama ist endlich wieder da“. Kleinkinder können auch beleidigt sein oder ein Säugling kann das Elternteil vergessen haben. Die neue Nähe muss wachsen – und die stellt das Kind her!

Peter Wendl ist Theologe, Einzel-, Paar- und Familientherapeut an der Universität Eichstätt. Gemeinsam mit dem katholischen Militärbischofsamt untersucht er für die Bundeswehr die Bedingungen von Partnerschaft und Familie in besonderen Belastungssituationen.

von Redaktion der Bundeswehr

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Familienangehörige schauen auf Korvette

Die Sehnsucht ist meist groß: Muss ein Partner in den Einsatz, steht die Familie zuhause vor einer großen emotionalen Herausforderung.

Bundeswehr/Matthias Letzin