UNUnited Nations-Einsatz MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental

Unbewaffnet zwischen den Konfliktparteien: Als Militärbeobachter in der Westsahara

Seit 1991 überwachen die Vereinten Nationen den brüchigen Waffenstillstand in der Westsahara. Auch deutsche Soldaten sind Teil der Blauhelm-Mission MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental, darunter Hauptmann Hannes Lembke. Er war sechs Monate dort – als unbewaffneter Militärbeobachter. Patrouillen und Entbehrungen, aber auch spannende Begegnungen prägten seinen Alltag in der Wüste.

Zwei Kamele und ein UN-Jeep in der Wüste

„Westsahara? Und in welchem Land liegt das?“ So lautet die häufigste Reaktion, wenn es im Freundes- und Familienkreis um meinen Einsatz als Militärbeobachter bei der Mission MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental (Mission des Nations Unies pour l’organisation d’un Référendum au Sahara Occidental) – unter anderem zur Überwachung eines Waffenstillstandes – geht. Die Frage trifft das Problem der Region ziemlich genau. Denn der Status des Gebietes, das zwischen Marokko, Algerien und Mauretanien liegt, ist ungeklärt, seit 1975 Spanien als Kolonialmacht abgezogen ist.

Die Vereinten Nationen bezeichnen die Westsahara als „Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung“. Sie ist also kein souveräner Staat, aber auch nicht Teil eines anderen Staates. Sie gilt als Austragungsort einer der letzten postkolonialen Gebietskonflikte. Mehr als 25 Jahre lang kämpften Marokko, Mauretanien und die Frente Polisario – der selbsternannte politische Arm des Volkes der dort ansässigen Sahrauis – um die Macht in dem Territorium, das immerhin so groß wie das Vereinigte Königreich ist.

1991 schließlich konnten sich die Parteien auf einen Waffenstillstand einigen – nicht zuletzt durch die Mitwirkung der Vereinten Nationen, die sogleich unbewaffnete Blauhelme entsandten. Deren Aufgabe ist bis heute unverändert: Die Peacekeeper sollen neutral, unparteiisch und ohne Verwicklung in die Geschehnisse vor Ort beobachten und kontrollieren, dass sich die Konfliktparteien an das Waffenstillstandabkommen halten. Zudem sind die Blauhelme die einzige unabhängige Informationsquelle für die Vereinten Nationen im Westsaharakonflikt.

Eine Karte der Westsahara, die das Einsatzgebiet von MINURSO zeigt

Weniger als 100 Kilometer von den Kanarischen Inseln entfernt: die Westsahara, Missionsgebiet vom UNUnited Nations-Einsatz MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental

Bundeswehr

Sprachtest und Fahrprüfung in der Hauptstadt

Für alle Militärbeobachterinnen und Militärbeobachter beginnt der Einsatz auf gleiche Art und Weise: mit der Einschleusung und Ausbildung im MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental-Hauptquartier in Laâyoune, der De-facto-Hauptstadt der Westsahara. Denn anders als bei der Vorbereitung für Bundeswehreinsätze im Krisen- und Konfliktmanagement, etwa für MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali in Mali, erfolgt ein Teil der Qualifizierung vor Ort. Alle Militärbeobachterinnen und Militärbeobachter – oder United Nations Military Observer kurz UNMOUnited Nations Military Observer genannt – müssen vorab gewisse Kompetenzen nachweisen, etwa in der Arbeitssprache Englisch oder im Autofahren. 

Doch im MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental-Hauptquartier müssen alle UNMOs entsprechende Tests ablegen. Wer bislang nur Linksverkehr oder Armeefahrzeuge mit Automatikgetriebe kennt, kann sich noch vergleichsweise schnell umstellen. Das Fahren im tiefen Sand – und wie man sich im Zweifel daraus befreit – ist aber für die meisten eine Herausforderung. Was nicht stattfindet, ist Waffentraining.

Ein UN-Jeep steckt in der Wüste im Sand fest

Die Patrouillenfahrzeuge in der Westsahara sind zwar geländegängig, haben aber auch ihre Grenzen. In der Wüste ist das Fahren durch tiefen Sand die Königsdisziplin.

Bundeswehr/Hannes Lembke
Dag Hammarskjöld , UN-Generalsekretär 1953-1961
Peacekeeping is not a job for soldiers – but only soldiers can do it!

Denn Militärbeobachter der Vereinten Nationen arbeiten grundsätzlich unbewaffnet. Der Hintergrund: Militärbeobachter sind Soldaten – sollen aber nicht kämpfen. Auch zur Selbstverteidigung tragen sie in der Regel keine Waffen – für viele Soldatinnen und Soldaten, die bereits in einer Krisenregion eingesetzt waren, eine ungewohnte Situation.

Entscheidend ist, dass die rund 250 Offizierinnen und Offiziere aus fast 40 Ländern bei MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrungen besonders dafür qualifiziert sind, militärische Einheiten in der Westsahara zu begutachten, Armeefahrzeuge einem bestimmten Verband oder Einschusskrater einem Geschoss zuzuordnen: alles mit dem Ziel, die Einhaltung der Waffenstillstandsabkommen unparteiisch zu überwachen. Etwaige Verstöße werden an die Konfliktparteien und an die Vereinten Nationen berichtet. 

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    UNUnited Nations-Einsatz MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental

    Land und Leute in der Hauptstadt Laâyoune

    Hier ist das Hauptquartier der UNUnited Nations-Mission MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental: Eindrücke aus Laâyoune

    • Westsahara – MINURSO
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    UNUnited Nations-Einsatz MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental

    Mitgeflogen: Die Westsahara von oben

    In der Westsahara leisten auch deutsche Soldaten und Soldatinnen Dienst. Wie es dort aussieht, zeigt ein Video aus dem Flugzeug.

    • Westsahara – MINURSO

Augen und Ohren für die Weltgemeinschaft

Nach ungefähr zwei Wochen in der Hauptstadt ging es zu meiner eigentlichen Wirkungsstätte: der Teamsite Smara. Insgesamt neun dieser Patrouillenbasen mit jeweils rund 20 Militärbeobachterinnen und Militärbeobachtern betreibt MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental in der Westsahara. Und der Name des Einsatzgebiets ist Programm. Der absolute Großteil der Region ist sandig, staubig, steinig, heiß, trocken und menschenleer.

Trotz der widrigen klimatischen Bedingungen ist die militärische Präsenz der Konfliktparteien beachtlich. Marokko, das rund drei Viertel der Westsahara besetzt hält, hat Zehntausende Soldaten entlang eines Sandwalls stationiert, der sich 1.600 Kilometer lang durch die Wüste zieht. Er bildet die „Grenze“ zu den von den Polisario besetzten Gebieten. Damit der jahrzehntlange Konflikt nicht weiter eskaliert und Lösungswege ausgelotet werden, vermitteln die Vereinten Nationen zwischen den Konfliktparteien.

Ein wichtiger Baustein sind Patrouillen durch die UNUnited Nations-Militärbeobachterinnen und Militärbeobachter.  Die Aufgabe unterwegs: Präsenz zeigen und Informationen sammeln. Ist der marokkanische Konvoi nur eine Wasserlieferung oder verstärkt die Armee einen Stützpunkt? Wirken die Soldaten am Stützpunkt nervös? Auch für uns ging es jeden Tag auf die Piste: Das bedeutet, mit zwei Geländefahrzeugen, vier Peacekeepern und jeder Menge Equipment unterwegs durch den Wüstensand – stundenlang. Platte Reifen waren an der Tagesordnung und Unterstützung rar. Selbsthilfe war angesagt. 

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Bei der UNUnited Nations-Blauhelmmission MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental sind Patrouillen mit Fahrzeugen an der Tagesordnung. Nur so lässt sich die Einhaltung des Waffenstillstandes in der Region kontrollieren.

Alle machen alles

Nach wenigen Wochen auf der Teamsite folgt die Prüfung zum Patrouillenführer. In dieser Funktion muss man die Route planen, den Teammitgliedern ihre Aufgaben zuteilen und den Patrouillenbericht schreiben, der ans MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental-Hauptquartier geht. Doch das Aufgabenspektrum ist groß und die Zahl der Teammitglieder begrenzt. Alle übernehmen mehrere Nebenfunktionen, auch wenn sie fachfremd sind – vom Küchenmeister bis zum Hygieneoffizier. Denn Unterstützungskräfte, wie sie in Streitkräften üblich sind, stehen größtenteils nicht zur Verfügung. Nur die medizinische Versorgung wird von einem Kontingent aus Bangladesch übernommen.

Ich war als G6 – der UNUnited Nations-Stabsabteilungslogik folgend – für die ITInformationstechnik und Telekommunikationsausstattung der Teamsite verantwortlich. Der Food Officer, ein Major aus Malawi, kümmerte sich um Lebensmittelbestellungen, der Camp Commander aus Kroatien um die Unterkünfte. Von Zeit zu Zeit mussten alle sich immer wieder mal als Air Terminal Officer um Aufgaben rund um den Flugbetrieb kümmern. Doch niemand verliert dabei den Kernauftrag aus den Augen. Auch der Chef meiner Teamsite, ein indischer Oberstleutnant fuhr genauso häufig Patrouille wie die anderen. Am Ende ist jeder Peacekeeper ein kleines, aber wichtiges Rädchen im Friedensprozess in der Westsahara. 

von Hannes Lembke