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Funkkreis: Scharfschütze werden – das ist der Weg

Funkkreis: Scharfschütze werden – das ist der Weg

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
5 MIN

Für viele Rekruten sind sie ein Vorbild, für den Feind sind sie ein Hochwertziel: Scharfschützen gehören zur soldatischen Elite. Doch wer dazugehören will, muss etliche Hürden nehmen. Am Beispiel des Werdegangs der Scharfschützen im Fallschirmjägerregiment 31 fassen wir die wichtigsten Stationen zusammen.

Ein Soldat liegt vermummt und mit Moos überdeckt in einem Wald, er hält ein Gewehr im Anschlag.
Scharfschützen gehören zur soldatischen Elite. Von Rekrutinnen und Rekruten werden sie verehrt, von ihren Gegnern gefürchtet. Zwei Scharfschützen vom Fallschirmjägerregiment 31 aus Seedorf geben einen Einblick in ihre Arbeit.
Audio-Transkription

Das Fallschirmjägerregiment 31 in Seedorf gehört zu den Einheiten, die eigene Scharfschützen haben und ausbilden. An ihrem Beispiel zeigen wir hier den Weg auf, den die Bewerber und Bewerberinnen nehmen. Bewerberinnen sind übrigens ausdrücklich willkommen, doch noch dient keine Scharfschützin in dieser Einheit.

Generell findet die Scharfschützenausbildung nur in den Einheiten statt, die selber Scharfschützen haben. Angehörige des Fallschirmjägerregimentes 31 können sich dort jeweils direkt bewerben. Aber auch Quereinsteiger, zum Beispiel aus Sanität oder Logistik, haben eine Chance. Sie müssen allerdings in ihren Einheiten einen Versetzungsantrag zu einer Einheit mit Scharfschützen stellen.

Für beide Bewerbergruppen gilt: Eine abgeschlossene infanteristische Spezialgrundausbildung ist Pflicht. Von Vorteil ist eine möglichst lange Restdienstzeit, denn die Ausbildung zum Scharfschützen ist zeitintensiv. Die meisten Bewerber sind daher SAZ 8. „Wir sagen, Minimum zwei Jahre Restdienstzeit, mit der Hoffnung und Option, dass Anwärter verlängern, wenn sie hier bestehen“, sagt Hauptfeldwebel Uwe S.*, Ausbilder und Scharfschützenführer im Fallschirmjägerregiment 31 in Seedorf. 

Das Anforderungsprofil

Gesucht werden Mannschafter und Unteroffiziere, freie Stellen gibt‘s vor allem im Bereich der Mannschafter. Alle Anwärterinnen und Anwärter müssen eine solide Grundfitness mitbringen, eine hohe Frustrationstoleranz und charakterlich geeignet sein. Ganz wichtig ist die Teamfähigkeit, denn Scharfschützen arbeiten nie allein. „Wir wollen den ruhigen, zuverlässigen Soldaten, der seinen Job macht“, erklärt der Hauptfeldwebel. Nicht gebrauchen können die Scharfschützen Egoisten, Rambotypen und Menschen, die ihre Emotionen nicht im Griff haben. Das Alter hingegen spielt keine große Rolle: „Ich nehme auch 40-Jährige, wenn sie ihre Leistung bringen“, so Uwe S.

Das Auswahlverfahren

Im Auswahlverfahren loten die Scharfschützen im Regiment grob aus, wer von den Anwärtern und Anwärterinnen überhaupt für die Tätigkeit als Scharfschütze geeignet ist. Nur wer das Auswahlverfahren besteht, wird für die eigentliche Ausbildung zugelassen. Die Ausfallquote liegt bei 70 Prozent, bei Quereinsteigern sogar noch höher. Es ist also überaus sinnvoll, sich auf das Auswahlverfahren vorzubereiten. „Vor allem müssen die Anwärter Marschfestigkeit herstellen“, empfiehlt der Scharfschützenführer. Schon der Eingangstest besteht aus einem 7.000-Meter-Lauf mit 20 Kilo in maximal 52 Minuten. Wer diesen Test nicht besteht, ist sofort raus. Insgesamt wird den Anwärtern im Verlauf des Auswahlverfahrens eine reine Marschleistung von rund 85 Kilometern abverlangt.

Deswegen rät der Ausbilder allen Interessierten, acht bis zehn Wochen vorher zu beginnen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Ohne eine hohe körperliche Robustheit geht hier gar nichts. In den letzten beiden Wochen vor dem Auswahlverfahren sollte man das Training herunterfahren und dem Körper in der letzten Woche eine Ruhepause gönnen. Außerdem ist es zweckmäßig, infanteristische Grundfähigkeiten aufzufrischen. Orientieren und Bewegen im Gelände sowie die Tätigkeiten des Einzelschützen sind besonders wichtig.

Die Schwerpunkte

Der Kern des Auswahlverfahrens ist es, festzustellen, ob der Bewerber oder die Bewerberin nach höchsten körperlichen Belastungen in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen. Gleich der erste Tag ist ein Belastungstag mit vielen Sportprüfungen, unter anderem auf der Hindernisbahn und beim Orientierungsmarsch. Der Stresslevel wird kontinuierlich erhöht, auch durch Nahrungs- und Schlafentzug. „Nach den Stressphasen gibt es immer wieder Ruhephasen, in denen wir auch sehen wollen, dass die Anwärter aktiv regenerieren“, sagt Hauptfeldwebel S.

Im Laufe des viertägigen Auswahlverfahrens werden verschiedene Inhalte vermittelt und danach mehrfach abgefragt. Dabei kommt es den Ausbildern darauf an, einen Lernerfolg zu sehen. Die Anwärter benötigen keine speziellen Vorkenntnisse im Scharfschützenwesen. Aber die Ausbilder wollen die kognitiven Fähigkeiten und eine Affinität zu Scharfschützenthemen erkennen: Tarnen, Beobachten, Konzentrations- und Erinnerungsvermögen. Außerdem erwarten sie eigenständiges Arbeiten im kleinen Trupp.

Die Dienstpostenausbildung

Wer das Auswahlverfahren besteht, wird zur sechswöchige Dienstpostenausbildung der Scharfschützen zugelassen. Diese Vorausbildung führt jede Einheit intern durch. Mit der Dienstpostenausbildung werden die angehenden Scharfschützen auf den darauffolgenden Scharfschützenlehrgang vorbereitet. Auf diesem Lehrgang wird bereits ein hohes Level vorausgesetzt: „Es ist quasi kein Lehrgang, sondern ein Könngang, den die Anwärter und Anwärterinnen bestehen müssen“, erklärt der Scharfschützenführer. Während die Dienstpostenausbildung in der Einheit durchgeführt wird, findet der Scharfschützenlehrgang für alle zentral an der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg statt.

Der Scharfschützenlehrgang

Grundlagen des Schießens, des Beobachtens, des Entfernungsschätzens und des Annäherns sind einige Inhalte des Scharfschützenlehrgangs. Alles, was bei der vorherigen Dienstpostenausbildung in den Einheiten vermittelt wurde, wird hier abgefragt. Und alle Scharfschützen der Bundeswehr müssen diesen fünfwöchigen Grundlagenlehrgang in Hammelburg bestehen. Auf diesem Lehrgang werden überwiegend Einzelprüfungen abgelegt. Anschließend kehren die Scharfschützen in ihre Einheiten zurück. „Dann geht’s bei uns erst richtig los“, so Hauptfeldwebel Uwe S.

Die Ausbildung im Trupprahmen

Das eigentliche Handwerk lernen die Scharfschützen nun in ihrer jeweiligen Einheit, zum Beispiel eben im Fallschirmjägerregiment, und zwar kompanieübergreifend: Arbeiten im Trupp, Infiltration, Exfiltration vor allem bei Nacht, der Einsatz abseits der eigenen Kräfte. Ziel ist es, den Blick auf das gesamte Bild zu öffnen.

Grundsätzlich wird jeder Scharfschütze an jeder Handwaffe der Bundeswehr ausgebildet. In einigen Einheiten wird auch der Umgang mit Fremdwaffen trainiert, allen voran am AK-47Automat Kalaschnikow 47. Zur weiterführenden Schießausbildung bei den Fallschirmjägern in Seedorf gehören schnelles Schießen, improvisiertes In-Anschlag-Gehen und Schießen auf weite Distanzen. Ferner folgen Ausbildungen im Orts- und Häuserkampf, im Gebirgskampf und bei einigen Einheiten eine Skiausbildung, damit die Scharfschützen auf jedem Terrain eingesetzt werden können.

Darüber hinaus besteht reger Austausch mit anderen Verbänden innerhalb der Bundeswehr, auf weltweiten Wettkämpfen, mit internationalen Streitkräften sowie mit Präzisionsschützen und Spezialkräften der Polizei. „Wir sagen, dass ein Scharfschütze nach ungefähr zwei Jahren fertig ausgebildet, also combat ready, ist“, fasst Hauptfeldwebel S. zusammen.

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

von Barbara Gantenbein/Tim Engemann 

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