Scharfschützengewehr G22A2: Jetzt werden die Ausbilder geschult

Scharfschützengewehr G22A2: Jetzt werden die Ausbilder geschult

Datum:
Ort:
Hammelburg
Lesedauer:
4 MIN

Schießlehrer der Bundeswehr werden an dem neuen Scharfschützengewehr G22A2 ausgebildet. Die Ausbildung der Ausbilder ist ein Elitetraining.

Ein getarnter Soldat liegt mit dem Gewehr G22A2 im Wald

Fast neue Waffe: Das G22A2 ist die nachgerüstete Version der Vorgängermodelle G22 und G22A1

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Schießbahn Charly sieben: Die Scharfschützen haben genau acht Sekunden. In dieser Zeit klappt die Zielscheibe am Ende des 300 Meter langen Korridors auf, fährt von links nach rechts und verschwindet. „Moving Target“, bewegliches Ziel, heißt diese Schießübung. Für Hauptfeldwebel Thomas Hansen* normalerweise eine leichte Übung. Seit Jahren ist er Gruppenführer der Scharfschützen seiner Einheit. Doch der Blick durch das Zielfernrohr ist für ihn noch ungewohnt. „In der Optik hat sich doch Einiges verändert, das braucht Zeit“, sagt er. Hansen hat erst vor Kurzem sein neues Scharfschützengewehr, das G22A2, erhalten. Er nimmt am Pilotlehrgang am Ausbildungszentrum Infanterie im bayrischen Hammelburg teil, um die technischen Raffinessen des Gewehrs kennenzulernen.

Die Ausbildung der Ausbilder

Die Bundeswehr hat rund 600 Scharfschützen in ihren Verbänden. Die Ausbildung am neuen Gewehr G22A2 wird über Multiplikatoren realisiert. In dem Pilotlehrgang werden die ersten 20 Scharfschützenführer von den Schießlehrern der 4. Inspektion des Ausbildungszentrums Infanterie geschult, um ihrerseits ihr Wissen weiterzugeben. Für das neue Gewehr müssen auch die Lehrgänge der künftigen Scharfschützen und Schießausbilder angepasst werden. „Der Pilotlehrgang liefert uns auch hier wichtige Erkenntnisse, die wir in die Lehrgangsplanung einfließen lassen“, sagt Inspektionschef Hauptmann Willi Runke.

Die 4. Inspektion ist spezialisiert auf die Ausbildung an Gewehren und Pistolen. Der Lehrgang für die Scharfschützen findet deutschlandweit nur hier statt – ein Elitetraining. Oberstabsfeldwebel Stefan Hüfner ist Hörsaalleiter des Pilotlehrgangs und Schießlehrer. Hüfner ist das Gegenteil des „American Sniper“, des kantigen Killertyps aus Hollywood – unauffällig und zurückhaltend, trotzdem ein Profi. Sein Büro ist voll mit Pokalen und Auszeichnungen von Wettkämpfen. Dazwischen hängt ein fusseliger „Ghillie Suit“, der Tarnanzug der Scharfschützen. „Um das Absehen mit seinem Strichbild bei G22A2 zu beherrschen, ist es heute erforderlich, tief in die Ballistiklehre einzutauchen“, sagt Hüfner.

  • Mehrere Soldaten liegen nebeneinander mit dem Gewehr G22A2 im Anschlag

    Insgesamt 20 Scharfschützenführer nehmen an dem Pilotlehrgang teil.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Ein Soldat misst etwas an einer Klappfallscheibe

    Der Hörsaalleiter, Oberstabsfeldwebel Stefan Hüfner, vermisst das Kopfziel auf der Schießbahn.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Ein Gewehr vom Typ G22A2 steht auf einem Waffenkoffer auf einer Wiese

    Die Wesentliche Neuerung des G22A2: Eine leistungsfähigere Zieloptik und eine Mündungsbremse.

    Bundeswehr /Torsten Kraatz
  • Zwei Soldaten schauen auf ein Zielobjekt mit Einschusslöchern

    Die Ausbilder werten gemeinsam mit den Schützen das Trefferbild aus.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Mehrere Soldaten liegen nebeneinander im Gelände und schießen mit dem Gewehr G22A2

    Mit geschultem Auge: Die Ausbilder erkennen die Fehlschüsse selbst über große Distanzen und geben Korrekturvorschläge.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Soldaten stehen im Gelände und halten ein Windmessgerät in der Hand

    Auf den Wind achten: In dem Ballistikrechner ist ein Windmessgerät enthalten. Die Schützen ermitteln den Einfluss auf die Flugbahn des Projektils.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Ein getarnter Soldat von hinten liegt mit dem Gewehr G22A2 im Wald

    Das G22A2 kommt von Haus in der Farbe „AI Pale Brown“. Mit zusätzlicher Tarnung verschmilzt es, wie der Schütze, mit der Umgebung.

    Bundeswehr/Torsten Kraatz
  • Verschiedene Gegenstände für das Gewehr G22A2 liegen auf einem Tisch

    In dem Upgrade ist neben dem Gewehr auch ein umfangreiches Zubehörpaket enthalten

    Bundeswehr/Torsten Kraatz

Präziser, schneller, tödlicher

Das Scharfschützengewehr G22A2 ist die modernisierte Version der Vorgängermodelle G22 und G22A1. Bei dem Upgrade fand praktisch eine komplette Umrüstung statt. Bis auf den Verschluss und das Rohr wurden alle Baugruppen des Gewehrs getauscht. Das Kaliber 7,62 x 67 Millimeter blieb unverändert, das Gewicht liegt bei 9,3 Kilogramm.

Wesentliche Neuerungen sind das neue Gehäuse, die leistungsfähigere Zieloptik und eine effektivere Mündungsbremse. Die neue Optik erlaubt eine 5 bis 25-fache Vergrößerung, das Vorgängermodell nur eine 12-fache Vergrößerung. Mit dem beleuchtbaren Strichbild lassen sich präzise Entfernungen ermitteln, zusätzlich erlaubt es Schusskorrekturen zur Höhe und zur Seite. „Durch das neue Zielfernrohr haben wir deutlich mehr Möglichkeiten, was den Handlungsspielraum des Scharfschützen erhöht“, sagt Runke. Das Zielfernrohr kann zur Verbesserung der Nachtkampffähigkeit mit dem Nachtsichtvorsatz (NSV 80) ergänzt werden.

Die Mündungsbremse reduziert den Rückstoß des Gewehrs um die Hälfe der Vorgängerversionen und erhöht die Präzision des Schützen. Das G22A2 besitzt darüber hinaus diverse neue Anpassungsmöglichkeiten: Der Schütze kann das Wangenpolster an der Schulterstütze zusätzlich zur Höhe auch seitlich verschieben und das Zweibein in seiner Höhe stufenlos verstellen. Eine beleuchtete Wasserwaage am Zielfernrohr zeigt ein Verkanten des Gewehrs an. Das Abzugsgewicht der Waffe ist deutlich geringer, die Treffgenauigkeit aufgrund der leichteren Bedienbarkeit höher.

„Ich kann den zweiten Schuss deutlich schneller abgeben. Gerade, wenn ich den Feuerkampf gegen mehrere Feinde führe, kann ich somit schneller kämpfen“, sagt Inspektionschef Runke. In dem Upgrade ist ein umfangreiches Zubehörpaket enthalten: Dazu zählen unter anderem ein Schalldämpfer, ein nachtsichtfähiges Rotpunktnotvisier und ein Kestrel Ballistikrechner mit eingebautem Wettermessgerät. Das kleine Gerät in der Größe eines Handys ermittelt den Breitengrad, die Temperatur und die Windgeschwindigkeit. Nach Eingabe der Waffen- und Munitionskennwerte ermittelt der Ballistikrechner eine genaue Prognose der Flugbahn des Projektils.

Ebenfalls sind Schießdreibeine aus Karbon enthalten, die erstmals ein Schießen ohne Präzisionsverlust sitzend, kniend und stehend ermöglichen. Mit den technischen Neuerungen des Gewehrs lassen sich Ziele in über 1.000 Metern Entfernung bekämpfen.

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Update zur richtigen Zeit

Das G22A2 wurde als Allwettergewehr für den Tag- und Nachteinsatz vom britischen Hersteller „Accuracy International“(AI) 2018 auf den Markt gebracht. Nachdem AI über auslaufende Ersatzteile der Vorgängermodelle des Typs G22 und G22A1 informierte, entschied sich die Bundeswehr für eine Nachrüstung aller 780 Waffen. „Erfreulicherweise ist Accuracy International rechtzeitig an die Bundeswehr herangetreten. Bevor es zu Lieferengpässen kam, konnte die Modernisierung innerhalb von 24 Monaten in die Wege geleitet werden“, sagt der Projektmanager für Scharfschützengewehre, Hauptmann Karl Moor*. Der Austausch erfolgt sukzessive in drei Durchgängen zu jeweils 120 Waffen, bei einer Fertigungsdauer von vier bis sechs Wochen. Die letzten Waffen werden bis zum dritten Quartal 2020 an die Truppe ausgeliefert. Mit dem Upgrade wurde nicht nur eine Fähigkeitslücke vermieden, vielmehr konnte die Leistungsfähigkeit der Scharfschützen deutlich verbessert werden.

*Anmerkung der Redaktion: Namen geändert

von Patrick Enssle
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