Schwerpunkt des Multinational Medical Coordination Centre/European Medical Command ist es, die Zusammenarbeit der Sanitätsdienste auf NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Ebene zu verbessern. Im Interview erklärt dessen Director, Generalarzt Dr. Stefan Kowitz, was genau sich hinter der in Zukunft multinational besetzten neuen Koblenzer NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Dienststelle verbirgt.
vonMichael Tomelzik
Interview
7 Fragen an Dr. Stefan Kowitz
Generalarzt
Bundeswehr/Patrick Grüterich
Herr Generalarzt Dr. Kowitz, was kann sich der Laie unter diesem von Ihnen geführten European Medical Command vorstellen?
Das European Medical Command ist eine Dienststelle, die eine koordinative Aufgabe hat. Wir wollen das Wissen um die militärischen und zivilen Sanitätsdienste und die Fähigkeiten der Länder im Bereich des Gesundheitswesens bündeln. So erfassen wir beispielsweise, wie viele Krankenbetten ein Land hat oder wie groß die Laborkapazitäten für die Diagnose hochinfektiöser Keime sind. Diese Daten strukturieren wir und analysieren auf deren Grundlage Prozesse, mit denen in einem länderübergreifenden Krisenfall die Versorgung einer großen Anzahl von Verletzten und Erkrankten koordiniert werden kann.
Um im Fall einer Krise die Verletzten oder Erkrankten in ganz Europa verteilen zu können?
Ganz genau. Dabei reden wir noch nicht einmal vom Fall der Landesverteidigung. Stellen Sie sich einen Anschlag vor, bei dem Terroristen Chemikalien in Wasserreservoirs freisetzen. Ein solcher Anschlag würde eine große Anzahl von Menschen vergiften. In genau diesem Szenario ist es wichtig, Kenntnisse über die jeweiligen nationalen Kapazitäten im Rahmen der Diagnostik, der Kontrolle von Trinkwasser oder aber im Rahmen der Behandlung von Verletzten oder Erkrankten zu haben. Dieses Wissen zu bündeln ist unsere Aufgabe.
Wird ihr Kommando auch für zukünftige militärische oder zivile EUEuropäische Union-Missionen zuständig sein?
Wenn Missionen in Zukunft geplant werden, bringen wir unsere Expertise im Rahmen des Aufbaus von Sanitätseinheiten ein. Hier wird unsere Aufgabe darin liegen, Standards auszutauschen und die Vorteile in der EUEuropäische Union beim Austausch von medizinischem Personal zu nutzen. Es ist beispielsweise problemlos möglich, dass ein deutscher Arzt oder eine deutsche Krankenschwester, solange der Brexit noch nicht vollzogen ist, morgen in London arbeiten kann, weil die deutschen Berufsabschlüsse in Großbritannien anerkannt werden. Das erleichtert es ungemein, multinationale Kontingente aufstellen zu können. Wenn im Bereich des Gesundheitswesens, ob nun zivil oder militärisch, nicht genug Personal vorhanden ist, muss das wenige Personal effizient eingesetzt werden. Die Auslandseinsätze haben gezeigt, dass multinationale Sanitätseinheiten erfolgreich eingesetzt werden können.
Trotzdem gibt es in Europa noch immer unterschiedliche Standards. Sind Sie auch dafür zuständig, diese Standards über Grenzen hinweg anzugleichen?
Es gibt natürlich europaweit unterschiedliche Voraussetzungen für die verschiedenen Professionen im medizinischen Bereich. In manchen Ländern darf eine Krankenschwester Narkosen durchführen, in anderen Ländern ist dies den Ärzten vorbehalten. Hierbei handelt es sich um nationale Vorgaben, die wir nicht ändern können. Allerdings können wir die Ausbildungsinhalte vergleichen und als ausreichend anerkennen. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für einen möglichen Austausch von Personal. Das Behandlungsergebnis eines Arztes aus dem einen europäischen Land muss zwingend den gleichen Standard haben wie das eines Arztes aus einem anderen europäischen Land.
Wäre beispielsweise ein Ebola-Ausbruch in Afrika ein Fall, bei dem Sie tätig werden würden?
Die Ebola-Krise hat gezeigt, dass wir weltweit gefordert sind. Wenn sich diese Krise weiter ausgebreitet hätte, dann hätte auch Europa einen größeren Beitrag leisten müssen. Kenntnisse über die europäischen Kapazitäten erhöhen unsere Reaktionsschnelligkeit auf medizinische Herausforderungen dieser Dimension. Das war gleichzeitig die wichtigste Erkenntnis aus der Ebola-Krise: Je schneller mit allen zur Verfügung stehenden Ressourcen reagiert wird, desto besser lässt sich ein solcher Ausbruch eindämmen. Diese Erkenntnis bezieht sich nicht nur auf eine Ebola-Epidemie. Die Isolierung infektiöser Patienten von den übrigen, die Möglichkeit der schnellen Diagnose und eine ausreichende Anzahl an Behandlungseinrichtungen bilden die Grundlage jeder Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Sie sind als Director MMCCMultinational Medical Coordination Centre/EMCEuropean Medical Command der Leiter einer Dienststelle, die sowohl die NATONorth Atlantic Treaty Organization als auch die EUEuropäische Union bedient. Welche Schwierigkeiten ergeben sich aus dieser Stellung? Wo sind Synergien möglich und wo müssen Sie strikt trennen?
Ich denke, es ist gerade unsere Stärke, auf NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Ebene zu arbeiten. Dem Patienten ist es egal, ob das Blut, das er bekommen soll, aus einem NATONorth Atlantic Treaty Organization- oder EUEuropäische Union-Staat kommt. Wir wollen sowohl NATONorth Atlantic Treaty Organization- als auch EUEuropäische Union-Ressourcen zum Wohle der Patienten bündeln und effizient einsetzen. Was wir dabei beachten müssen, ist der Umstand, dass es auf NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Ebene verschiedene Sicherheitseinstufungen von Dokumenten gibt. Diese müssen wir einhalten. Die Trennung erfolgt durch separate Computersysteme. Um eine Vermischung der Daten zu verhindern, besteht außerdem eine strikte Aktentrennung. Im sanitätsdienstlichen Bereich können wir weitestgehend unabhängig von EUEuropäische Union- oder NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ebene viele Sachverhalte gemeinsam bearbeiten. Fragestellungen wie die optimale Konfiguration einer Sanitätseinrichtung oder Verbesserungen im Bereich der Telemedizin sind nur zwei dieser Themen.
In wieweit trägt das EMCEuropean Medical Command zum Zusammenwachsen Europas im militärischen und zivilen Bereich bei?
Wir werden beispielsweise im März 2020 einen Workshop ausrichten, bei dem militärische und zivile Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Staaten die Erfahrungen aus den Anschlägen in Oslo, Brüssel, Paris und Berlin analysieren werden. Hierbei wird auch ein Augenmerk auf die von den betroffenen Nationen im Anschluss erlassenen Regelungen zum Umgang mit einer großen Verletztenanzahl gelegt. Ziel ist es, die Planungsprozesse zwischen zivilen und militärischen Akteuren auf europäischer Ebene zu verbessern.
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